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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Zu unsrer auswärtigen Politik

entgegenkam, um so tiefer bohrten sie sich in ein Gefühl des Gegensatzes hin¬
ein, das man heute ohne Übertreibung als politischen Haß bezeichnen darf.
Nichts thörichteres daher, als die Versuche, auch jetzt uoch uach beiden Seiten
hin gute Worte auszuteilen. Sie dienen mir zur Steigerung des Gegensatzes
und erwecken jenseits der Vogesen wie jenseits der Memel nur die Vorstellung
der Schwäche. Wenn es A. vou Werner noch jetzt für nötig gefunden hat,
den Franzosen gegenüber den Werber zu spielen, so können wir das nur als
eine Verirrung und als den Ausdruck unfertigen politischen Denkens beklagen.
Die deutsche Kunst sollte zu stolz sein, aufs neue an den Thüren der französischen
Ateliers bettelnd anzuklopfen- Wir fanden es richtiger, wenn man sich bei uns
den Besuch der französischen Maler recht nachdrücklich verbäte! Dies beiläufig.
Für unsre auswärtige Politik gilt unter allen Umständen die Erwägung, daß wir
uach zwei Seiten hin Front zu macheu haben, und daß beide, Nußland wie Frank¬
reich, nur auf den Augenblick warten, um mit uns eine Rechnung zum Abschluß
zu bringen, die sie selbst willkürlich aufgesetzt haben, und deren moralische
Rechtfertigung wohl nie gelingen wird. Wir stehen also in einer Defensiv-
stellung, nach Osten von Österreich-Ungarn, uach Westen von Italien und
-- vielleicht -- vou England unterstützt. Nun läßt sich mit größter Zuver¬
sicht behaupten, das; an der Festigkeit dieses Bündnisses weder der Rücktritt
des Fürsten Bismarck noch der Rücktritt Crispis etwas geändert hat; wohl
aber haben die systematisch betriebenen Verunglimpfungen, denen unsre Politik
von der Seine wie von der Newa her ausgesetzt war, sowie ein leider immer
noch wirksamer Parteigegensatz innerhalb des Reiches die Vorstellung von der
Festigkeit dieses Bündnisses und die Schätzung der wirklichen Macht des
deutschen Reiches wesentlich geschwächt. Wenn, wie der Dichter sagt, "der Schein
mehr Wesen als die Wirklichkeit" hat, so ist die Macht des Scheines heute
gegen uns. Das wäre kein Unglück, solange der Schein nur dahin führt,
die falsche Selbstüberschätzung des Gegners aufrecht zu erhalten und zu
steigern. Bedenklich aber wirkt er, wo die eigne Zuversicht gemindert, das
hosfnungsfrohe Selbstvertrauen geschwächt wird. Gewiß sind unsre Bundes¬
genossen in Österreich-Ungarn und Italien für uns von hohem Werte, aber
auch abgesehen vou ihnen sollte die Zuversicht allgemein sein, daß Deutsch¬
land stark genug ist, wenn es einst gelten sollte, auch allein denen die Spitze
zu bieten, die sein Recht oder seine Grenzen bedrohen sollten. Es steht, Gott
sei Dank, auch heute uoch so, daß sich die gesamte Nation in diesen Fragen
eins fühlt, und wir haben allen Anlaß, zu glauben, daß die Volksverführer, die
den Versuch wage" sollten, in Zeiten der Gefahr ein Zusammenstehen zu
hindern oder zu lähmen, damit ihren Einfluß für alle Zeiten verlieren würden.
Die Fratze des Internationalen Kongresses, der heute in Paris tagt, darf
daran nicht irre mache". Diese Wolken zerstieben von selbst vor der Glut
eines echten nationalen Zornes.


Zu unsrer auswärtigen Politik

entgegenkam, um so tiefer bohrten sie sich in ein Gefühl des Gegensatzes hin¬
ein, das man heute ohne Übertreibung als politischen Haß bezeichnen darf.
Nichts thörichteres daher, als die Versuche, auch jetzt uoch uach beiden Seiten
hin gute Worte auszuteilen. Sie dienen mir zur Steigerung des Gegensatzes
und erwecken jenseits der Vogesen wie jenseits der Memel nur die Vorstellung
der Schwäche. Wenn es A. vou Werner noch jetzt für nötig gefunden hat,
den Franzosen gegenüber den Werber zu spielen, so können wir das nur als
eine Verirrung und als den Ausdruck unfertigen politischen Denkens beklagen.
Die deutsche Kunst sollte zu stolz sein, aufs neue an den Thüren der französischen
Ateliers bettelnd anzuklopfen- Wir fanden es richtiger, wenn man sich bei uns
den Besuch der französischen Maler recht nachdrücklich verbäte! Dies beiläufig.
Für unsre auswärtige Politik gilt unter allen Umständen die Erwägung, daß wir
uach zwei Seiten hin Front zu macheu haben, und daß beide, Nußland wie Frank¬
reich, nur auf den Augenblick warten, um mit uns eine Rechnung zum Abschluß
zu bringen, die sie selbst willkürlich aufgesetzt haben, und deren moralische
Rechtfertigung wohl nie gelingen wird. Wir stehen also in einer Defensiv-
stellung, nach Osten von Österreich-Ungarn, uach Westen von Italien und
— vielleicht — vou England unterstützt. Nun läßt sich mit größter Zuver¬
sicht behaupten, das; an der Festigkeit dieses Bündnisses weder der Rücktritt
des Fürsten Bismarck noch der Rücktritt Crispis etwas geändert hat; wohl
aber haben die systematisch betriebenen Verunglimpfungen, denen unsre Politik
von der Seine wie von der Newa her ausgesetzt war, sowie ein leider immer
noch wirksamer Parteigegensatz innerhalb des Reiches die Vorstellung von der
Festigkeit dieses Bündnisses und die Schätzung der wirklichen Macht des
deutschen Reiches wesentlich geschwächt. Wenn, wie der Dichter sagt, „der Schein
mehr Wesen als die Wirklichkeit" hat, so ist die Macht des Scheines heute
gegen uns. Das wäre kein Unglück, solange der Schein nur dahin führt,
die falsche Selbstüberschätzung des Gegners aufrecht zu erhalten und zu
steigern. Bedenklich aber wirkt er, wo die eigne Zuversicht gemindert, das
hosfnungsfrohe Selbstvertrauen geschwächt wird. Gewiß sind unsre Bundes¬
genossen in Österreich-Ungarn und Italien für uns von hohem Werte, aber
auch abgesehen vou ihnen sollte die Zuversicht allgemein sein, daß Deutsch¬
land stark genug ist, wenn es einst gelten sollte, auch allein denen die Spitze
zu bieten, die sein Recht oder seine Grenzen bedrohen sollten. Es steht, Gott
sei Dank, auch heute uoch so, daß sich die gesamte Nation in diesen Fragen
eins fühlt, und wir haben allen Anlaß, zu glauben, daß die Volksverführer, die
den Versuch wage» sollten, in Zeiten der Gefahr ein Zusammenstehen zu
hindern oder zu lähmen, damit ihren Einfluß für alle Zeiten verlieren würden.
Die Fratze des Internationalen Kongresses, der heute in Paris tagt, darf
daran nicht irre mache». Diese Wolken zerstieben von selbst vor der Glut
eines echten nationalen Zornes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/112>, abgerufen am 24.07.2024.