Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Feiertagsstimmnng in den stillen Hallen des Missionshauses, die Gebetsglocken, Grcnzbowi I 1391 77
Feiertagsstimmnng in den stillen Hallen des Missionshauses, die Gebetsglocken, Grcnzbowi I 1391 77
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209850"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1721" prev="#ID_1720" next="#ID_1722"> Feiertagsstimmnng in den stillen Hallen des Missionshauses, die Gebetsglocken,<lb/> die ersten Noten europäischer Litteratur in P. Schynses Bibliothek, das „Grüß<lb/> Gott" des elsässischen superiors und die heitere Werkstatt des Bruders<lb/> Hautecoeur, selbst der Eindruck der ersten weißgetünchten Zimmer und eiues<lb/> Willkoiumeusmahles nach europäischer Sitte wehen auch dein Leser Ruhe und<lb/> Erholung zu. Über allem war in dieser Stimmung das Gefühl der Nähe<lb/> der Rückkehr mächtig. „Die Rückkehr zur Küste und zur Heimat, welche bisher<lb/> doch immer uur in nebelhafter Ferne gelegen hatte, sie wurde mit dem heutigen<lb/> Tage zu einer Thatsache, mit welcher wir praktisch wiederum rechnen konnten<lb/> und mit einem Schlage war das Nachdenken daher wieder auf die Zukunft<lb/> gewiesen." Der Geist des Vielgeprüften widerstand den Lockungen zu neuen<lb/> Thaten, die ihn wie eine kaum zu bändigende Unruhe in diesen neuen Ver¬<lb/> hältnissen überkamen. Es kamen Stunden, wo der Geist träumerischem Grübeln<lb/> und Phantasievollein Nachdenken hingegeben war, die Seele ganz zum „an¬<lb/> schauenden Weltenauge" wurde. „Die große» Probleme des Seins traten in<lb/> ihrer ganzen Schärfe hervor, und wie in frühern Jahren rang der Geist uach<lb/> ihrer Lösung." Noch einmal rief die Unverschämtheit eines Wagogohäuptlings<lb/> zu den Waffen, den Stanley mit vierfacher Tributzählung verwöhnt hatte, und<lb/> dem Peters, der diese vollkommen unberechtigten Tribute überhaupt als Raub<lb/> ansah, um so weniger zu Willen sein mochte, als er als Deutscher nicht ver¬<lb/> stand, wie die Herren deS Landes an die Untergebenen Tribut zahlen sollten.<lb/> Es kam zu einem schneidigen Gefecht nach Art derer im Massailcmde, und<lb/> einige Dörfer wurden verbrannt. Auch war der Rückmarsch keineswegs mühelos.<lb/> Die sechs Tage durch die wasserarme Wembavresteppe stellten die Ausdauer<lb/> noch einmal auf die Probe. Es blieben auch Fieberanfälle bei Dr. Peters und<lb/> Tiedemann nicht aus. Aber endlich war Mpapwa erreicht. Emin Pascha,<lb/> den er gesucht hatte, kam ihm dankerfüllt entgegen. Die Offiziere der<lb/> Schutztruppe empfingen die Helden mit landsmännischer Herzlichkeit, und<lb/> jede Befürchtung schwand, daß die Rückkehr an die .Küste mit ähnlichen<lb/> Enttäuschungen verbunden sein könnte, wie der Einmarsch. Emin Paschas<lb/> Aufklärungen über Stanley und seinen Zug, die hier mitgeteilt werden,<lb/> und der Meinungsaustausch zwischen Emin und Dr. Peters über die<lb/> Lage in Unjtunwesi und am Viktoriasee gehören zu den interessantesten Ab¬<lb/> schnitten des Buches; wir erfahren da u. a., daß beide in der Erkenntnis der<lb/> Notwendigkeit übereinstimmten, Tabora zu besetze,: und dem arabischen Element<lb/> dort die Macht zu nehmen. Auch Stokes vielberufene Feindseligkeit gegen Emin<lb/> wird verständlicher, wenn wir die Mitteilungen über Stokes Bestreben lesen,<lb/> ein zweites Tabora in Usvngo zu begründen. Mit welchen Empfindungen zog<lb/> nnn Dr. Peters durch Usagara, wo er im Dezember 1884 mit Jühlke die<lb/> folgenreichste aller dentschen Flaggenhissungeu jeuer Zeit vorgenommen hatte!<lb/> Nun marschirte er nicht mehr „handwcrksburschenartig," sondern an der Spitze</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzbowi I 1391 77</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0617]
Feiertagsstimmnng in den stillen Hallen des Missionshauses, die Gebetsglocken,
die ersten Noten europäischer Litteratur in P. Schynses Bibliothek, das „Grüß
Gott" des elsässischen superiors und die heitere Werkstatt des Bruders
Hautecoeur, selbst der Eindruck der ersten weißgetünchten Zimmer und eiues
Willkoiumeusmahles nach europäischer Sitte wehen auch dein Leser Ruhe und
Erholung zu. Über allem war in dieser Stimmung das Gefühl der Nähe
der Rückkehr mächtig. „Die Rückkehr zur Küste und zur Heimat, welche bisher
doch immer uur in nebelhafter Ferne gelegen hatte, sie wurde mit dem heutigen
Tage zu einer Thatsache, mit welcher wir praktisch wiederum rechnen konnten
und mit einem Schlage war das Nachdenken daher wieder auf die Zukunft
gewiesen." Der Geist des Vielgeprüften widerstand den Lockungen zu neuen
Thaten, die ihn wie eine kaum zu bändigende Unruhe in diesen neuen Ver¬
hältnissen überkamen. Es kamen Stunden, wo der Geist träumerischem Grübeln
und Phantasievollein Nachdenken hingegeben war, die Seele ganz zum „an¬
schauenden Weltenauge" wurde. „Die große» Probleme des Seins traten in
ihrer ganzen Schärfe hervor, und wie in frühern Jahren rang der Geist uach
ihrer Lösung." Noch einmal rief die Unverschämtheit eines Wagogohäuptlings
zu den Waffen, den Stanley mit vierfacher Tributzählung verwöhnt hatte, und
dem Peters, der diese vollkommen unberechtigten Tribute überhaupt als Raub
ansah, um so weniger zu Willen sein mochte, als er als Deutscher nicht ver¬
stand, wie die Herren deS Landes an die Untergebenen Tribut zahlen sollten.
Es kam zu einem schneidigen Gefecht nach Art derer im Massailcmde, und
einige Dörfer wurden verbrannt. Auch war der Rückmarsch keineswegs mühelos.
Die sechs Tage durch die wasserarme Wembavresteppe stellten die Ausdauer
noch einmal auf die Probe. Es blieben auch Fieberanfälle bei Dr. Peters und
Tiedemann nicht aus. Aber endlich war Mpapwa erreicht. Emin Pascha,
den er gesucht hatte, kam ihm dankerfüllt entgegen. Die Offiziere der
Schutztruppe empfingen die Helden mit landsmännischer Herzlichkeit, und
jede Befürchtung schwand, daß die Rückkehr an die .Küste mit ähnlichen
Enttäuschungen verbunden sein könnte, wie der Einmarsch. Emin Paschas
Aufklärungen über Stanley und seinen Zug, die hier mitgeteilt werden,
und der Meinungsaustausch zwischen Emin und Dr. Peters über die
Lage in Unjtunwesi und am Viktoriasee gehören zu den interessantesten Ab¬
schnitten des Buches; wir erfahren da u. a., daß beide in der Erkenntnis der
Notwendigkeit übereinstimmten, Tabora zu besetze,: und dem arabischen Element
dort die Macht zu nehmen. Auch Stokes vielberufene Feindseligkeit gegen Emin
wird verständlicher, wenn wir die Mitteilungen über Stokes Bestreben lesen,
ein zweites Tabora in Usvngo zu begründen. Mit welchen Empfindungen zog
nnn Dr. Peters durch Usagara, wo er im Dezember 1884 mit Jühlke die
folgenreichste aller dentschen Flaggenhissungeu jeuer Zeit vorgenommen hatte!
Nun marschirte er nicht mehr „handwcrksburschenartig," sondern an der Spitze
Grcnzbowi I 1391 77
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