Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Buch des v,-. Karl Peters

zu verhafte"; diese hielten sich ohne Erlaubnis ihrer Regierung in diesen
Gegenden auf, und er habe mit Zustimmung der deutschen und englischen Re¬
gierung die Aufgabe übernommen, sie an dein weitern Vvrmarsche zu hindern.
Dieser Brief, dessen Erbärmlichkeit durch die Unthätigkeit des mit fünfhundert
Mann ausgerüsteten Jackson erst recht ins Licht gestellt wird, erzeugte zwar
das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung, denn Muanga spie darauf und warf
ihn hinter sich; aber da l)r. Peters angiebt, er habe später in Erfahrung ge¬
bracht, daß sich Jackson für Maßregeln gegen eine deutsche Expedition auf die
Zustimmung der deutschen Regierung berufen dürfe, so fühlen wir, und nicht
bloß oberflächlich, den Seelenschmerz mit, den diese Bestätigung des damals
für unmöglich gehaltenen in ihm hervorrief. Welche politische Erwägungen
auch immer die Haltung der damaligen Leiter der auswärtige" Politik Deutsch¬
lands bestimmt haben "rügen, so wird es doch nie zu leugnen sein, daß diese
weit über die Grenzen dessen Hinansgingen, was an Konnivenz fremden
Mächten und um Zurückhaltung, die hier an feindselige Kälte grenzte, den
eignen Leuten gegeuüber einen: Laude wie Deutschland ansteht. Wohl wissen
wir, daß in dem Augenblicke, wo Peters den Auftrag des deutschen Emin-
Pascha-Komitees erhielt, Ende 1888, Deutschland Grund hatte, an der Koo¬
peration mit England, die sich in der gemeinsamen Blockade kundgab, festzu¬
halten. Wir erinnern uns, daß damals von Männern, die die Stimmung im
Reichskanzleramt kannten, wie Wißmann, energisch die Angriffe ans England
als durchaus nicht zeitgemäß getadelt wurden, selbst wenn sie von so er¬
probten, ruhigen Kolonialpolitikern wie Fabri in der Kölner Versammlung
ausgingen. Man kann aber die Erzählung der Berührungen zwischen der
deutschen Emin-Pascha-Expedition und der offiziellen deutschen Politik, wie
wir sie i" diesem Buche finden, nicht ohne den Eindruck lesen, daß es in
der Befolgung politischer Direktiven einer nationalen Unternehmung gegen¬
über sich sehr oft um Taktfrageu handeln wird, deren Beantwortung sehr
verschieden ausfallen muß, je nachdem sie von einem hochstehenden oder einen:
untergeordneten Verständnis ausgeht. An nationalen: Takt hat es dieser Expe¬
dition gegenüber gefehlt. Ein Teil des Zwiespaltes, der erbitternd hier her¬
vortrat, lag allerdings -- und wird noch lange liegen -- in der eingezwängte":
europäischen Lage Deutschlands, die auch in der Ausnützung des freiern
Raumes in Außereuropa zur Vorsicht mahnt. Sicherlich wurde aber damals
die rechte mittlere Linie zwischen den beiden Zielen von Deutschland nicht ge¬
funden, und insofern: gehört diese Expedition so recht in die kolonialen Lehr¬
jahre. Man hatte jedenfalls anch ii: Berlin die Widerstandskraft der Massai
und Waganda überschätzt.

Nach all diesen Stürmen mutet der Marsch von Mncmgas Ort bis zur
Küste wie eine Idylle an. Die Schilderung des Lebens in der katholischen
Station von Usuknma ist von rührender Wanne und Dankbarkeit erfüllt. Die


Das Buch des v,-. Karl Peters

zu verhafte»; diese hielten sich ohne Erlaubnis ihrer Regierung in diesen
Gegenden auf, und er habe mit Zustimmung der deutschen und englischen Re¬
gierung die Aufgabe übernommen, sie an dein weitern Vvrmarsche zu hindern.
Dieser Brief, dessen Erbärmlichkeit durch die Unthätigkeit des mit fünfhundert
Mann ausgerüsteten Jackson erst recht ins Licht gestellt wird, erzeugte zwar
das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung, denn Muanga spie darauf und warf
ihn hinter sich; aber da l)r. Peters angiebt, er habe später in Erfahrung ge¬
bracht, daß sich Jackson für Maßregeln gegen eine deutsche Expedition auf die
Zustimmung der deutschen Regierung berufen dürfe, so fühlen wir, und nicht
bloß oberflächlich, den Seelenschmerz mit, den diese Bestätigung des damals
für unmöglich gehaltenen in ihm hervorrief. Welche politische Erwägungen
auch immer die Haltung der damaligen Leiter der auswärtige» Politik Deutsch¬
lands bestimmt haben »rügen, so wird es doch nie zu leugnen sein, daß diese
weit über die Grenzen dessen Hinansgingen, was an Konnivenz fremden
Mächten und um Zurückhaltung, die hier an feindselige Kälte grenzte, den
eignen Leuten gegeuüber einen: Laude wie Deutschland ansteht. Wohl wissen
wir, daß in dem Augenblicke, wo Peters den Auftrag des deutschen Emin-
Pascha-Komitees erhielt, Ende 1888, Deutschland Grund hatte, an der Koo¬
peration mit England, die sich in der gemeinsamen Blockade kundgab, festzu¬
halten. Wir erinnern uns, daß damals von Männern, die die Stimmung im
Reichskanzleramt kannten, wie Wißmann, energisch die Angriffe ans England
als durchaus nicht zeitgemäß getadelt wurden, selbst wenn sie von so er¬
probten, ruhigen Kolonialpolitikern wie Fabri in der Kölner Versammlung
ausgingen. Man kann aber die Erzählung der Berührungen zwischen der
deutschen Emin-Pascha-Expedition und der offiziellen deutschen Politik, wie
wir sie i» diesem Buche finden, nicht ohne den Eindruck lesen, daß es in
der Befolgung politischer Direktiven einer nationalen Unternehmung gegen¬
über sich sehr oft um Taktfrageu handeln wird, deren Beantwortung sehr
verschieden ausfallen muß, je nachdem sie von einem hochstehenden oder einen:
untergeordneten Verständnis ausgeht. An nationalen: Takt hat es dieser Expe¬
dition gegenüber gefehlt. Ein Teil des Zwiespaltes, der erbitternd hier her¬
vortrat, lag allerdings — und wird noch lange liegen — in der eingezwängte»:
europäischen Lage Deutschlands, die auch in der Ausnützung des freiern
Raumes in Außereuropa zur Vorsicht mahnt. Sicherlich wurde aber damals
die rechte mittlere Linie zwischen den beiden Zielen von Deutschland nicht ge¬
funden, und insofern: gehört diese Expedition so recht in die kolonialen Lehr¬
jahre. Man hatte jedenfalls anch ii: Berlin die Widerstandskraft der Massai
und Waganda überschätzt.

Nach all diesen Stürmen mutet der Marsch von Mncmgas Ort bis zur
Küste wie eine Idylle an. Die Schilderung des Lebens in der katholischen
Station von Usuknma ist von rührender Wanne und Dankbarkeit erfüllt. Die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0616" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209849"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Buch des v,-. Karl Peters</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1719" prev="#ID_1718"> zu verhafte»; diese hielten sich ohne Erlaubnis ihrer Regierung in diesen<lb/>
Gegenden auf, und er habe mit Zustimmung der deutschen und englischen Re¬<lb/>
gierung die Aufgabe übernommen, sie an dein weitern Vvrmarsche zu hindern.<lb/>
Dieser Brief, dessen Erbärmlichkeit durch die Unthätigkeit des mit fünfhundert<lb/>
Mann ausgerüsteten Jackson erst recht ins Licht gestellt wird, erzeugte zwar<lb/>
das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung, denn Muanga spie darauf und warf<lb/>
ihn hinter sich; aber da l)r. Peters angiebt, er habe später in Erfahrung ge¬<lb/>
bracht, daß sich Jackson für Maßregeln gegen eine deutsche Expedition auf die<lb/>
Zustimmung der deutschen Regierung berufen dürfe, so fühlen wir, und nicht<lb/>
bloß oberflächlich, den Seelenschmerz mit, den diese Bestätigung des damals<lb/>
für unmöglich gehaltenen in ihm hervorrief. Welche politische Erwägungen<lb/>
auch immer die Haltung der damaligen Leiter der auswärtige» Politik Deutsch¬<lb/>
lands bestimmt haben »rügen, so wird es doch nie zu leugnen sein, daß diese<lb/>
weit über die Grenzen dessen Hinansgingen, was an Konnivenz fremden<lb/>
Mächten und um Zurückhaltung, die hier an feindselige Kälte grenzte, den<lb/>
eignen Leuten gegeuüber einen: Laude wie Deutschland ansteht. Wohl wissen<lb/>
wir, daß in dem Augenblicke, wo Peters den Auftrag des deutschen Emin-<lb/>
Pascha-Komitees erhielt, Ende 1888, Deutschland Grund hatte, an der Koo¬<lb/>
peration mit England, die sich in der gemeinsamen Blockade kundgab, festzu¬<lb/>
halten. Wir erinnern uns, daß damals von Männern, die die Stimmung im<lb/>
Reichskanzleramt kannten, wie Wißmann, energisch die Angriffe ans England<lb/>
als durchaus nicht zeitgemäß getadelt wurden, selbst wenn sie von so er¬<lb/>
probten, ruhigen Kolonialpolitikern wie Fabri in der Kölner Versammlung<lb/>
ausgingen. Man kann aber die Erzählung der Berührungen zwischen der<lb/>
deutschen Emin-Pascha-Expedition und der offiziellen deutschen Politik, wie<lb/>
wir sie i» diesem Buche finden, nicht ohne den Eindruck lesen, daß es in<lb/>
der Befolgung politischer Direktiven einer nationalen Unternehmung gegen¬<lb/>
über sich sehr oft um Taktfrageu handeln wird, deren Beantwortung sehr<lb/>
verschieden ausfallen muß, je nachdem sie von einem hochstehenden oder einen:<lb/>
untergeordneten Verständnis ausgeht. An nationalen: Takt hat es dieser Expe¬<lb/>
dition gegenüber gefehlt. Ein Teil des Zwiespaltes, der erbitternd hier her¬<lb/>
vortrat, lag allerdings &#x2014; und wird noch lange liegen &#x2014; in der eingezwängte»:<lb/>
europäischen Lage Deutschlands, die auch in der Ausnützung des freiern<lb/>
Raumes in Außereuropa zur Vorsicht mahnt. Sicherlich wurde aber damals<lb/>
die rechte mittlere Linie zwischen den beiden Zielen von Deutschland nicht ge¬<lb/>
funden, und insofern: gehört diese Expedition so recht in die kolonialen Lehr¬<lb/>
jahre. Man hatte jedenfalls anch ii: Berlin die Widerstandskraft der Massai<lb/>
und Waganda überschätzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1720" next="#ID_1721"> Nach all diesen Stürmen mutet der Marsch von Mncmgas Ort bis zur<lb/>
Küste wie eine Idylle an. Die Schilderung des Lebens in der katholischen<lb/>
Station von Usuknma ist von rührender Wanne und Dankbarkeit erfüllt. Die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0616] Das Buch des v,-. Karl Peters zu verhafte»; diese hielten sich ohne Erlaubnis ihrer Regierung in diesen Gegenden auf, und er habe mit Zustimmung der deutschen und englischen Re¬ gierung die Aufgabe übernommen, sie an dein weitern Vvrmarsche zu hindern. Dieser Brief, dessen Erbärmlichkeit durch die Unthätigkeit des mit fünfhundert Mann ausgerüsteten Jackson erst recht ins Licht gestellt wird, erzeugte zwar das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung, denn Muanga spie darauf und warf ihn hinter sich; aber da l)r. Peters angiebt, er habe später in Erfahrung ge¬ bracht, daß sich Jackson für Maßregeln gegen eine deutsche Expedition auf die Zustimmung der deutschen Regierung berufen dürfe, so fühlen wir, und nicht bloß oberflächlich, den Seelenschmerz mit, den diese Bestätigung des damals für unmöglich gehaltenen in ihm hervorrief. Welche politische Erwägungen auch immer die Haltung der damaligen Leiter der auswärtige» Politik Deutsch¬ lands bestimmt haben »rügen, so wird es doch nie zu leugnen sein, daß diese weit über die Grenzen dessen Hinansgingen, was an Konnivenz fremden Mächten und um Zurückhaltung, die hier an feindselige Kälte grenzte, den eignen Leuten gegeuüber einen: Laude wie Deutschland ansteht. Wohl wissen wir, daß in dem Augenblicke, wo Peters den Auftrag des deutschen Emin- Pascha-Komitees erhielt, Ende 1888, Deutschland Grund hatte, an der Koo¬ peration mit England, die sich in der gemeinsamen Blockade kundgab, festzu¬ halten. Wir erinnern uns, daß damals von Männern, die die Stimmung im Reichskanzleramt kannten, wie Wißmann, energisch die Angriffe ans England als durchaus nicht zeitgemäß getadelt wurden, selbst wenn sie von so er¬ probten, ruhigen Kolonialpolitikern wie Fabri in der Kölner Versammlung ausgingen. Man kann aber die Erzählung der Berührungen zwischen der deutschen Emin-Pascha-Expedition und der offiziellen deutschen Politik, wie wir sie i» diesem Buche finden, nicht ohne den Eindruck lesen, daß es in der Befolgung politischer Direktiven einer nationalen Unternehmung gegen¬ über sich sehr oft um Taktfrageu handeln wird, deren Beantwortung sehr verschieden ausfallen muß, je nachdem sie von einem hochstehenden oder einen: untergeordneten Verständnis ausgeht. An nationalen: Takt hat es dieser Expe¬ dition gegenüber gefehlt. Ein Teil des Zwiespaltes, der erbitternd hier her¬ vortrat, lag allerdings — und wird noch lange liegen — in der eingezwängte»: europäischen Lage Deutschlands, die auch in der Ausnützung des freiern Raumes in Außereuropa zur Vorsicht mahnt. Sicherlich wurde aber damals die rechte mittlere Linie zwischen den beiden Zielen von Deutschland nicht ge¬ funden, und insofern: gehört diese Expedition so recht in die kolonialen Lehr¬ jahre. Man hatte jedenfalls anch ii: Berlin die Widerstandskraft der Massai und Waganda überschätzt. Nach all diesen Stürmen mutet der Marsch von Mncmgas Ort bis zur Küste wie eine Idylle an. Die Schilderung des Lebens in der katholischen Station von Usuknma ist von rührender Wanne und Dankbarkeit erfüllt. Die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/616
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/616>, abgerufen am 23.07.2024.