Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.I^I'U KvM Arbeiterivelt des abendländische" Europas steht, ein Zusammenhang, den man Als weitere Beruhigung wirkten die Arbeiten des Staatsrath, die den Die Absicht muß jeder billigen, über die Mittel, sie zu verwirklichen, Wir meinen also, daß in dieser Hauptfrage unsers innern Staatslebens I^I'U KvM Arbeiterivelt des abendländische» Europas steht, ein Zusammenhang, den man Als weitere Beruhigung wirkten die Arbeiten des Staatsrath, die den Die Absicht muß jeder billigen, über die Mittel, sie zu verwirklichen, Wir meinen also, daß in dieser Hauptfrage unsers innern Staatslebens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209294"/> <fw type="header" place="top"> I^I'U KvM</fw><lb/> <p xml:id="ID_158" prev="#ID_157"> Arbeiterivelt des abendländische» Europas steht, ein Zusammenhang, den man<lb/> als höchst gefährlich beklagen mag, der aber Thatsache ist und im vorliegenden<lb/> Falle nützliche Früchte trägt.</p><lb/> <p xml:id="ID_159"> Als weitere Beruhigung wirkten die Arbeiten des Staatsrath, die den<lb/> Boden für eine leidenschaftslose Verständigung der meist interessirten Kreise<lb/> bereiteten. Man kann wohl sagen, daß als Hauptergebnis jener Beratungen<lb/> die Erkenntnis gewonnen worden ist, daß zwischen einer Arbeiterpartei als<lb/> solcher und der sozialdemokratischen Partei scharf unterschieden werden müsse.<lb/> Der Kaiser will der Vorstellung den Boden entreißen, als sei die Sozial-<lb/> demokratie die eigentliche Arbeiterpartei; er will durch die Arbeitsschutzgesetz¬<lb/> gebung den sozialdemokratischen Führern ihre Waffen entreißen, dem Staate<lb/> selbst und den zu ihm stehenden staatserhaltenden Elementen die Führung<lb/> zurückerobern über einen wirtschaftlich wie der Zahl nach hochbedentsnmen Teil<lb/> des deutscheu Volkes, der sich von dem Zusammenhang mit dem Staate, soweit<lb/> irgend möglich, loszumachen begonnen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_160"> Die Absicht muß jeder billigen, über die Mittel, sie zu verwirklichen,<lb/> wird gestritten. Aber es scheint uns, daß für einen lähmenden Pessimismus<lb/> schon deshalb eine innere Berechtigung nicht vorliegt, weil die in Angriff ge¬<lb/> nommenen Reformarbeiten noch im Werden sind, und eine Übergangsstufe, wie<lb/> wir sie durchmachen, kein Material zu allgemein giltigen Schlüssen bietet. Die<lb/> ganze Reihe der Vorlagen, die hente in den Kommissionen des preußischen<lb/> Landtages durchgearbeitet werden, steht in innerm Zusammenhang mit dem sozial¬<lb/> politischen Programm des Kaisers, und dasselbe gilt von einem Teil der<lb/> Reichstngsvorlagen. So bleibt als letztes die Wirkung, die man der Aus¬<lb/> hebung des Sozialistengesetzes mit mehr oder minder Recht zuschreibt. Aber<lb/> auch l,ier wird man keine Thatsachen anführen können, die eine Machter¬<lb/> weiterung der Sozialdemokratie, wie sie prophezeit wurde, beweisen. An großen<lb/> Worten der sozialdemokratischen Führer, an Feldzugsplänen, die sich gegen<lb/> Armee und ^andbevölkernng richten, fehlt es freilich nicht. Die Reklame, mit der<lb/> die heute geduldete» sozialdeniokratischen Parteiversammlungen ihre Arbeiten<lb/> betreiben, hat vielfach erschreckt, aber anderseits doch auch das Bewußtsein<lb/> wachgerufen, daß die Bekämpfung der Sozialdemokratie ein gemeinsames<lb/> Interesse aller ist , denen die Erhaltung der bestehenden Gesellschaftsordnung<lb/> am Herzen liegt. Der Gedanke, den Kaiser Wilhelm in Breslau im Sep¬<lb/> tember vorigen Jahres Ausdruck gab: er hoffe, daß unsre Bürger endlich<lb/> einmal ans dein Schlummer erwachen würden, in dem sie so lange gelegen<lb/> hätten, und nicht bloß dem Staate und seinen Organen die Bekämpfung der<lb/> umwälzenden Elemente überlassen, sondern selbst mit Hand anlegen, gewinnt<lb/> allmählich Aussicht ans Verwirklichung.</p><lb/> <p xml:id="ID_161" next="#ID_162"> Wir meinen also, daß in dieser Hauptfrage unsers innern Staatslebens<lb/> die pessimistische Auffassung ein einseitiges und ungerechtes Bild giebt, daß sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
I^I'U KvM
Arbeiterivelt des abendländische» Europas steht, ein Zusammenhang, den man
als höchst gefährlich beklagen mag, der aber Thatsache ist und im vorliegenden
Falle nützliche Früchte trägt.
Als weitere Beruhigung wirkten die Arbeiten des Staatsrath, die den
Boden für eine leidenschaftslose Verständigung der meist interessirten Kreise
bereiteten. Man kann wohl sagen, daß als Hauptergebnis jener Beratungen
die Erkenntnis gewonnen worden ist, daß zwischen einer Arbeiterpartei als
solcher und der sozialdemokratischen Partei scharf unterschieden werden müsse.
Der Kaiser will der Vorstellung den Boden entreißen, als sei die Sozial-
demokratie die eigentliche Arbeiterpartei; er will durch die Arbeitsschutzgesetz¬
gebung den sozialdemokratischen Führern ihre Waffen entreißen, dem Staate
selbst und den zu ihm stehenden staatserhaltenden Elementen die Führung
zurückerobern über einen wirtschaftlich wie der Zahl nach hochbedentsnmen Teil
des deutscheu Volkes, der sich von dem Zusammenhang mit dem Staate, soweit
irgend möglich, loszumachen begonnen hat.
Die Absicht muß jeder billigen, über die Mittel, sie zu verwirklichen,
wird gestritten. Aber es scheint uns, daß für einen lähmenden Pessimismus
schon deshalb eine innere Berechtigung nicht vorliegt, weil die in Angriff ge¬
nommenen Reformarbeiten noch im Werden sind, und eine Übergangsstufe, wie
wir sie durchmachen, kein Material zu allgemein giltigen Schlüssen bietet. Die
ganze Reihe der Vorlagen, die hente in den Kommissionen des preußischen
Landtages durchgearbeitet werden, steht in innerm Zusammenhang mit dem sozial¬
politischen Programm des Kaisers, und dasselbe gilt von einem Teil der
Reichstngsvorlagen. So bleibt als letztes die Wirkung, die man der Aus¬
hebung des Sozialistengesetzes mit mehr oder minder Recht zuschreibt. Aber
auch l,ier wird man keine Thatsachen anführen können, die eine Machter¬
weiterung der Sozialdemokratie, wie sie prophezeit wurde, beweisen. An großen
Worten der sozialdemokratischen Führer, an Feldzugsplänen, die sich gegen
Armee und ^andbevölkernng richten, fehlt es freilich nicht. Die Reklame, mit der
die heute geduldete» sozialdeniokratischen Parteiversammlungen ihre Arbeiten
betreiben, hat vielfach erschreckt, aber anderseits doch auch das Bewußtsein
wachgerufen, daß die Bekämpfung der Sozialdemokratie ein gemeinsames
Interesse aller ist , denen die Erhaltung der bestehenden Gesellschaftsordnung
am Herzen liegt. Der Gedanke, den Kaiser Wilhelm in Breslau im Sep¬
tember vorigen Jahres Ausdruck gab: er hoffe, daß unsre Bürger endlich
einmal ans dein Schlummer erwachen würden, in dem sie so lange gelegen
hätten, und nicht bloß dem Staate und seinen Organen die Bekämpfung der
umwälzenden Elemente überlassen, sondern selbst mit Hand anlegen, gewinnt
allmählich Aussicht ans Verwirklichung.
Wir meinen also, daß in dieser Hauptfrage unsers innern Staatslebens
die pessimistische Auffassung ein einseitiges und ungerechtes Bild giebt, daß sie
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