Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.
Und wäre ich unfehlbarer Papst, so würde ich die Zahl der Sakramente ans Soll aber mit jenen verächtlichen Worte" ausgedrückt werden, daß eine Damit ist auch schou gesagt, daß die Religion, so hoch sie als Pflegerin Grenzboten I. 1891 09
Und wäre ich unfehlbarer Papst, so würde ich die Zahl der Sakramente ans Soll aber mit jenen verächtlichen Worte» ausgedrückt werden, daß eine Damit ist auch schou gesagt, daß die Religion, so hoch sie als Pflegerin Grenzboten I. 1891 09
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0553" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209786"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_68" type="poem"> <l> Einstweilen, bis den Bau der Welt<lb/> Philosophie znsainmenhnlt,<lb/> Erhält sie sdie Natur) das Getriebe<lb/> Durch Hunger und durch Liebe.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1547"> Und wäre ich unfehlbarer Papst, so würde ich die Zahl der Sakramente ans<lb/> zwei beschränken, aber als solche nicht Taufe und Abendmahl, sondern Abend¬<lb/> mahl und Ehe bezeichnen, weil durch die Weihe jener beiden großen natür¬<lb/> lichen Funktionen das irdische Leben zu seiner wahren Bedeutung und seinem<lb/> richtigen Gebrauche gelangt und hierdurch mit dem himmlischen verknüpft,<lb/> demnach der Zweck der Religion aufs schönste erreicht wird. Auch ist unter<lb/> den sieben Scckrameuten der katholischen Kirche die Ehe das einzige, von dem<lb/> (Epheser 5, 32) in der Vulgata die Bezeichnung Laor-uueuwui gebraucht<lb/> wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1548"> Soll aber mit jenen verächtlichen Worte» ausgedrückt werden, daß eine<lb/> menschenunwürdige Form der natürlichen Verrichtungen bei den Armen relativ<lb/> häufiger vorkomme, als bei den Vornehmen (absolut ist sie es freilich, weil<lb/> die Zahl der Armen größer ist), so können Nur auch das nicht zugeben.<lb/> Freilich, die würdige Form des Familienmahles fehlt ans bekannten Ursachen<lb/> nur gar zu oft; aber ist eine ärmliche Kartoffelmahlzeit, bei der die Mutter<lb/> sich uicht satt ißt, damit die Kinder genug bekomme», bei der eins dem ander»<lb/> das winzige Klümpchen Fett oder Butter zuschiebt, das doch uicht für alle<lb/> reicht, bei dem die älter» oder gesünder» Geschwister el»en guten Bissen, dessen<lb/> sie durch einen Glücksfall teilhaft geworden sind, dein jüngste,, oder schwächsten<lb/> gönne», ist ein solches Mahl uicht bei aller Formlosigkeit oder vielleicht ab¬<lb/> schreckenden Häßlichkeit der außer» Z»rufen»g geistiger und erhabener, als das<lb/> „Diner" des vornehmen Mannes, für den die Prüfung des täglichen „Menüs"<lb/> ein hochwichtiges Geschäft bildet, und dessen Zubereitung für eine Menge gut<lb/> und zum Teil sehr hoch besoldeter Kochkünstler und Gehilfen die einzige Lebens¬<lb/> aufgabe ausmacht? Solcher armen Familien, wie Abtes herrliches Bild:<lb/> „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast" eine darstellt, die das Wenige, das sie<lb/> sich mit ehrlicher Arbeit verschafft haben, mit Dank gegen Gott genießen mit<lb/> sogar mit einem noch ärmer» zu teilen bereit sind, giebt es noch tausende.<lb/> Und hat ein solches Mahl nicht einen »»endlich wertvoller» geistigen Inhalt,<lb/> als das großartigste Zweckessen, das Gedeck zu zeh» Mark, mit alle» seinen<lb/> schnnmweingeistreichen Toasten und Gesprächen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1549" next="#ID_1550"> Damit ist auch schou gesagt, daß die Religion, so hoch sie als Pflegerin<lb/> des Idealen zu ächten sei» mag, doch keineswegs die einzige Form ist, i» der<lb/> das Ideale dein arme» Manne zugänglich ist. Er keimt und hegt die roman¬<lb/> tische Liebe, Gatten-, Eltern- und Kinderliebe, Kameradschaft in dem Streben<lb/> nach Verbesserung der Lage seines Standes, was alles ideale Empfindungen<lb/> und Bestrebungen sind. Er liest auch gern, um sich geistig fortzubilden, und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1891 09</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0553]
Einstweilen, bis den Bau der Welt
Philosophie znsainmenhnlt,
Erhält sie sdie Natur) das Getriebe
Durch Hunger und durch Liebe.
Und wäre ich unfehlbarer Papst, so würde ich die Zahl der Sakramente ans
zwei beschränken, aber als solche nicht Taufe und Abendmahl, sondern Abend¬
mahl und Ehe bezeichnen, weil durch die Weihe jener beiden großen natür¬
lichen Funktionen das irdische Leben zu seiner wahren Bedeutung und seinem
richtigen Gebrauche gelangt und hierdurch mit dem himmlischen verknüpft,
demnach der Zweck der Religion aufs schönste erreicht wird. Auch ist unter
den sieben Scckrameuten der katholischen Kirche die Ehe das einzige, von dem
(Epheser 5, 32) in der Vulgata die Bezeichnung Laor-uueuwui gebraucht
wird.
Soll aber mit jenen verächtlichen Worte» ausgedrückt werden, daß eine
menschenunwürdige Form der natürlichen Verrichtungen bei den Armen relativ
häufiger vorkomme, als bei den Vornehmen (absolut ist sie es freilich, weil
die Zahl der Armen größer ist), so können Nur auch das nicht zugeben.
Freilich, die würdige Form des Familienmahles fehlt ans bekannten Ursachen
nur gar zu oft; aber ist eine ärmliche Kartoffelmahlzeit, bei der die Mutter
sich uicht satt ißt, damit die Kinder genug bekomme», bei der eins dem ander»
das winzige Klümpchen Fett oder Butter zuschiebt, das doch uicht für alle
reicht, bei dem die älter» oder gesünder» Geschwister el»en guten Bissen, dessen
sie durch einen Glücksfall teilhaft geworden sind, dein jüngste,, oder schwächsten
gönne», ist ein solches Mahl uicht bei aller Formlosigkeit oder vielleicht ab¬
schreckenden Häßlichkeit der außer» Z»rufen»g geistiger und erhabener, als das
„Diner" des vornehmen Mannes, für den die Prüfung des täglichen „Menüs"
ein hochwichtiges Geschäft bildet, und dessen Zubereitung für eine Menge gut
und zum Teil sehr hoch besoldeter Kochkünstler und Gehilfen die einzige Lebens¬
aufgabe ausmacht? Solcher armen Familien, wie Abtes herrliches Bild:
„Komm, Herr Jesus, sei unser Gast" eine darstellt, die das Wenige, das sie
sich mit ehrlicher Arbeit verschafft haben, mit Dank gegen Gott genießen mit
sogar mit einem noch ärmer» zu teilen bereit sind, giebt es noch tausende.
Und hat ein solches Mahl nicht einen »»endlich wertvoller» geistigen Inhalt,
als das großartigste Zweckessen, das Gedeck zu zeh» Mark, mit alle» seinen
schnnmweingeistreichen Toasten und Gesprächen?
Damit ist auch schou gesagt, daß die Religion, so hoch sie als Pflegerin
des Idealen zu ächten sei» mag, doch keineswegs die einzige Form ist, i» der
das Ideale dein arme» Manne zugänglich ist. Er keimt und hegt die roman¬
tische Liebe, Gatten-, Eltern- und Kinderliebe, Kameradschaft in dem Streben
nach Verbesserung der Lage seines Standes, was alles ideale Empfindungen
und Bestrebungen sind. Er liest auch gern, um sich geistig fortzubilden, und
Grenzboten I. 1891 09
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