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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Rokol'c'Studie"

lloro lilss ot plus oxtsuä tlisir slüninx ro^of
?ni?s, xo^väors, x^tniiss, Lilzlos, dillot-üoux.

Die Mahnung, die der Meister der Liebeskuust Ovid seinen römischen Schüle¬
rinnen angiebt, man solle den Liebhaber vor dem unerwarteten Anblick der
auf dem Tische ausgebreiteten Schmuckkästchen und damit zugleich vor merk¬
licher Ncrkühlung und Ernüchterung bewahren, war auch hier am Platze.

An dem Putztische hatte die Schöne manche Stunde zu verbringen, um
sich sür die Siege in der Gesellschaft zu rüsten. Es war keine leichte Arbeit;
die Wahl des für die Musche geeigneten Plätzchens erforderte langes Nachdenken
und eifriges Probiren, einen Ernst, den keine Mühe bleichte.


Die Spiegel sind dabei ihr größtes Heiligtum,
Bor ihnen dreht sie sich wohl neunzigmal herum
Und mustert und rangirt (ich sage kein Gedichte)
Fast jeden Augenblick die Älonolnzn im Gesichte.

Wie hier der Satiriker Philander von der Linde mit kräftigem Pinsel, so
malt in ähnlicher Weise in den vielgenannten, aber wenig gekannten "Dis-
coursen der Mahlern" ein ernsthafter Berichterstatter die Toilettenkünste einer
Dame. "Ich hatte das Plaisir zu schauen, wie sie eine halbe Stunde über
einer Musche verschwendete, bald kleibte sie dieselbe nnter die Nase, bald ver¬
setzte sie selbige an das Kinne, endlich mußte sie ihren Platz am rechten
Schlafe nehmen." Bei den englischen Damen gewann, wenn wir derselben
Quelle folgen dürfen, die Musche sogar eine politische Bedeutung, der Partei¬
geist ergriff auch die Frauen, die Musche wurde das Erkennungszeichen der
Gleichgesinnten, dn "diejenigen, welche selbige auf der rechten Seite des An¬
gesichts plaeiert hatten, sich für die Whigs und die, so sie auf der linken
hatten, für die Torrys parteyeten."

Diese sorgfältigen Rüstungen zu Kampf und Sieg durften in der Gesell¬
schaft auch auf Anerkennung rechnen; der Beifall beschränkte sich nicht auf
stumme Bewunderung, es galt nicht für unschicklich, offnes Lob zu spenden.
Philander empfiehlt es, in Damengesellschaft die Musche zum Gegenstande des
Gesprächs zu machen:


?g,rlirt ihr von Oouciour, bringt ihr L.xomxlo-; bei,
Daß die ^.nlle>uno den Noaoiion günstig sei.

Hier konnte der belesene Gesellschafter klassische Gelehrsamkeit ausstrahlen
und im leichten Plaudertvue galante Weisheit aus Ovid und Martial vor
aufmerksamen Zuhörerinnen zum besten geben. Alls dem Jahre 17 U! stammt
die Schilderung eines höflichen jungen Mannes, der durch reichlich gespendeten
Weihrauch die Gunst der Angebeteten zu gewinnen trachtet: "Es ist keine
Spitze, kein Schminkpflästerchen, kein Geschmeide an Lucinden, das er nicht
zwanzigmal vortrefflich geheißen und für besser und artiger als den Schmuck
andrer Frauenzimmer ausgegeben hätte."


Rokol'c'Studie»

lloro lilss ot plus oxtsuä tlisir slüninx ro^of
?ni?s, xo^väors, x^tniiss, Lilzlos, dillot-üoux.

Die Mahnung, die der Meister der Liebeskuust Ovid seinen römischen Schüle¬
rinnen angiebt, man solle den Liebhaber vor dem unerwarteten Anblick der
auf dem Tische ausgebreiteten Schmuckkästchen und damit zugleich vor merk¬
licher Ncrkühlung und Ernüchterung bewahren, war auch hier am Platze.

An dem Putztische hatte die Schöne manche Stunde zu verbringen, um
sich sür die Siege in der Gesellschaft zu rüsten. Es war keine leichte Arbeit;
die Wahl des für die Musche geeigneten Plätzchens erforderte langes Nachdenken
und eifriges Probiren, einen Ernst, den keine Mühe bleichte.


Die Spiegel sind dabei ihr größtes Heiligtum,
Bor ihnen dreht sie sich wohl neunzigmal herum
Und mustert und rangirt (ich sage kein Gedichte)
Fast jeden Augenblick die Älonolnzn im Gesichte.

Wie hier der Satiriker Philander von der Linde mit kräftigem Pinsel, so
malt in ähnlicher Weise in den vielgenannten, aber wenig gekannten „Dis-
coursen der Mahlern" ein ernsthafter Berichterstatter die Toilettenkünste einer
Dame. „Ich hatte das Plaisir zu schauen, wie sie eine halbe Stunde über
einer Musche verschwendete, bald kleibte sie dieselbe nnter die Nase, bald ver¬
setzte sie selbige an das Kinne, endlich mußte sie ihren Platz am rechten
Schlafe nehmen." Bei den englischen Damen gewann, wenn wir derselben
Quelle folgen dürfen, die Musche sogar eine politische Bedeutung, der Partei¬
geist ergriff auch die Frauen, die Musche wurde das Erkennungszeichen der
Gleichgesinnten, dn „diejenigen, welche selbige auf der rechten Seite des An¬
gesichts plaeiert hatten, sich für die Whigs und die, so sie auf der linken
hatten, für die Torrys parteyeten."

Diese sorgfältigen Rüstungen zu Kampf und Sieg durften in der Gesell¬
schaft auch auf Anerkennung rechnen; der Beifall beschränkte sich nicht auf
stumme Bewunderung, es galt nicht für unschicklich, offnes Lob zu spenden.
Philander empfiehlt es, in Damengesellschaft die Musche zum Gegenstande des
Gesprächs zu machen:


?g,rlirt ihr von Oouciour, bringt ihr L.xomxlo-; bei,
Daß die ^.nlle>uno den Noaoiion günstig sei.

Hier konnte der belesene Gesellschafter klassische Gelehrsamkeit ausstrahlen
und im leichten Plaudertvue galante Weisheit aus Ovid und Martial vor
aufmerksamen Zuhörerinnen zum besten geben. Alls dem Jahre 17 U! stammt
die Schilderung eines höflichen jungen Mannes, der durch reichlich gespendeten
Weihrauch die Gunst der Angebeteten zu gewinnen trachtet: „Es ist keine
Spitze, kein Schminkpflästerchen, kein Geschmeide an Lucinden, das er nicht
zwanzigmal vortrefflich geheißen und für besser und artiger als den Schmuck
andrer Frauenzimmer ausgegeben hätte."


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[0523] Rokol'c'Studie» lloro lilss ot plus oxtsuä tlisir slüninx ro^of ?ni?s, xo^väors, x^tniiss, Lilzlos, dillot-üoux. Die Mahnung, die der Meister der Liebeskuust Ovid seinen römischen Schüle¬ rinnen angiebt, man solle den Liebhaber vor dem unerwarteten Anblick der auf dem Tische ausgebreiteten Schmuckkästchen und damit zugleich vor merk¬ licher Ncrkühlung und Ernüchterung bewahren, war auch hier am Platze. An dem Putztische hatte die Schöne manche Stunde zu verbringen, um sich sür die Siege in der Gesellschaft zu rüsten. Es war keine leichte Arbeit; die Wahl des für die Musche geeigneten Plätzchens erforderte langes Nachdenken und eifriges Probiren, einen Ernst, den keine Mühe bleichte. Die Spiegel sind dabei ihr größtes Heiligtum, Bor ihnen dreht sie sich wohl neunzigmal herum Und mustert und rangirt (ich sage kein Gedichte) Fast jeden Augenblick die Älonolnzn im Gesichte. Wie hier der Satiriker Philander von der Linde mit kräftigem Pinsel, so malt in ähnlicher Weise in den vielgenannten, aber wenig gekannten „Dis- coursen der Mahlern" ein ernsthafter Berichterstatter die Toilettenkünste einer Dame. „Ich hatte das Plaisir zu schauen, wie sie eine halbe Stunde über einer Musche verschwendete, bald kleibte sie dieselbe nnter die Nase, bald ver¬ setzte sie selbige an das Kinne, endlich mußte sie ihren Platz am rechten Schlafe nehmen." Bei den englischen Damen gewann, wenn wir derselben Quelle folgen dürfen, die Musche sogar eine politische Bedeutung, der Partei¬ geist ergriff auch die Frauen, die Musche wurde das Erkennungszeichen der Gleichgesinnten, dn „diejenigen, welche selbige auf der rechten Seite des An¬ gesichts plaeiert hatten, sich für die Whigs und die, so sie auf der linken hatten, für die Torrys parteyeten." Diese sorgfältigen Rüstungen zu Kampf und Sieg durften in der Gesell¬ schaft auch auf Anerkennung rechnen; der Beifall beschränkte sich nicht auf stumme Bewunderung, es galt nicht für unschicklich, offnes Lob zu spenden. Philander empfiehlt es, in Damengesellschaft die Musche zum Gegenstande des Gesprächs zu machen: ?g,rlirt ihr von Oouciour, bringt ihr L.xomxlo-; bei, Daß die ^.nlle>uno den Noaoiion günstig sei. Hier konnte der belesene Gesellschafter klassische Gelehrsamkeit ausstrahlen und im leichten Plaudertvue galante Weisheit aus Ovid und Martial vor aufmerksamen Zuhörerinnen zum besten geben. Alls dem Jahre 17 U! stammt die Schilderung eines höflichen jungen Mannes, der durch reichlich gespendeten Weihrauch die Gunst der Angebeteten zu gewinnen trachtet: „Es ist keine Spitze, kein Schminkpflästerchen, kein Geschmeide an Lucinden, das er nicht zwanzigmal vortrefflich geheißen und für besser und artiger als den Schmuck andrer Frauenzimmer ausgegeben hätte."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/523>, abgerufen am 23.07.2024.