Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Modenies Zeugniswesen an der göttlichen Gerechtigkeit irre werden, ist es zu verwundern, wenn sein Wo man hinhört, hört mein Klagen über mittelmäßiges, ja schlechtes Was ist aber dagegen zu thun? wo soll mau den Hebel ansetzen, um Modenies Zeugniswesen an der göttlichen Gerechtigkeit irre werden, ist es zu verwundern, wenn sein Wo man hinhört, hört mein Klagen über mittelmäßiges, ja schlechtes Was ist aber dagegen zu thun? wo soll mau den Hebel ansetzen, um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209712"/> <fw type="header" place="top"> Modenies Zeugniswesen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1332" prev="#ID_1331"> an der göttlichen Gerechtigkeit irre werden, ist es zu verwundern, wenn sein<lb/> Streben, dn es ja doch unnütz ist, erkaltet und erschlafft? Und muß der ehrliche<lb/> Zenguisschreiber nicht zornig werden, wenn er um „Bestätigung" seines<lb/> Zeugnisses angegangen wird, wenn seinem Mcmneswort Zweifel und Mißtrauen<lb/> entgegengebracht wird? Es ist eine Schmach um diese konventionelle ^üge,<lb/> um dieses zum mindesten leichtsinnige Zeugnisschreiben!</p><lb/> <p xml:id="ID_1333"> Wo man hinhört, hört mein Klagen über mittelmäßiges, ja schlechtes<lb/> Personal; nicht bloß in Damenknffees wird das Thema der schlechten Dienst¬<lb/> boten besprochen, nein, eine ständige Rubrik aller möglichen Fachzeitschriften<lb/> ist mit Klagen liber das Hilfspersonal gefüllt. Dabei läßt man es aber<lb/> bewenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1334" next="#ID_1335"> Was ist aber dagegen zu thun? wo soll mau den Hebel ansetzen, um<lb/> Besserung zu schaffen? Der Staat, der, freisinniger Anschauung folgend, in<lb/> seiner Gesetzgebung oft durchblicken zu lassen scheint, daß er es mit reifen<lb/> Staatsbürgern, nicht mit unvollkommenen Menschen zu thun habe, die nötigen¬<lb/> falls auch einmal harte Zuchtmittel, wie die Kinder, brauchen, läßt dem Volle<lb/> alle Freiheit. Wie er bei Arbeiter» unter einundzwanzig Jahren Arbeits¬<lb/> bücher eingeführt hat, in die Ein- und Austritt und Art der Beschäftigung<lb/> einzutragen sind und Zeugnisse über die Beschäftigung und Führung ans Ver¬<lb/> lange» des Arbeiters eingetragen werden könne», so überläßt der Staat die<lb/> Regelung des Dieustbvteuverkehrs, unter den rechtlich auch „Stütze»" und<lb/> Kindergärtnerinnen solle», de» einzelnen Provinzen und verlangt nur ein gleich¬<lb/> mäßiges, kostenfreies Dienstbuch. Die meiste» diesen Verhältnissen gewidmeten<lb/> Verordnungen, mie z. B. die Schleswigsche, überlasse» der Herrschaft, ob sie<lb/> el» Zeiignis gebe», ebenso, ob sie angeben will, von welcher Seite die Kün-<lb/> digung ausgegangen ist. Folgen, die allerdings gelegentlich recht übler und<lb/> kostspieliger Natur sein können, entstehen nur dadurch, daß der gutmütige oder<lb/> fahrlässige Zeugnisaussteller zum Schadenersatz herangezogen werden kann,<lb/> wen» die vertrauensselige neue Herrschaft infolge eines wissentlich verschwiegenen<lb/> Fehlers des Die»stbote» Schaden leidet. Diese Möglichkeit schützt allerdings<lb/> vor - Gott sei Dank - doch »ur ausnahmsweise vorkommenden Übeln Er-<lb/> fahrulige»; dem ständige» Übel mittelmäßiger Hilfskräfte, deren Forderungen<lb/> in dem umgekehrten Verhältnis zu ihre» Leisiniige» steige», steuert der Staat<lb/> i» keiner Weise, er ist auch gar nicht dazu imstande, und ungerecht scheint<lb/> es mir, wenn die Familien, die über schlechte Dienstboten zetern, oder Ge¬<lb/> schäfts- und Hnndwerkslente, die sich über schlechtes Hilfspersonal beklagen,<lb/> dem Staate die Schuld in die Schuhe schieben und schlimmer fast, als die<lb/> utopistischen Herren Svzinldemokraten, vou ihm und vou ihm allein Hilfe ver¬<lb/> langen. Die Schuld liegt einzig und allein an der mangelhaften Erziehung<lb/> wie der Kinder, so des Hilfspersonals männlichen und weiblichen Geschlechts.<lb/> Hier muß der Hebel angesetzt werden. Gilt aber irgendwo das Bibelwort</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
Modenies Zeugniswesen
an der göttlichen Gerechtigkeit irre werden, ist es zu verwundern, wenn sein
Streben, dn es ja doch unnütz ist, erkaltet und erschlafft? Und muß der ehrliche
Zenguisschreiber nicht zornig werden, wenn er um „Bestätigung" seines
Zeugnisses angegangen wird, wenn seinem Mcmneswort Zweifel und Mißtrauen
entgegengebracht wird? Es ist eine Schmach um diese konventionelle ^üge,
um dieses zum mindesten leichtsinnige Zeugnisschreiben!
Wo man hinhört, hört mein Klagen über mittelmäßiges, ja schlechtes
Personal; nicht bloß in Damenknffees wird das Thema der schlechten Dienst¬
boten besprochen, nein, eine ständige Rubrik aller möglichen Fachzeitschriften
ist mit Klagen liber das Hilfspersonal gefüllt. Dabei läßt man es aber
bewenden.
Was ist aber dagegen zu thun? wo soll mau den Hebel ansetzen, um
Besserung zu schaffen? Der Staat, der, freisinniger Anschauung folgend, in
seiner Gesetzgebung oft durchblicken zu lassen scheint, daß er es mit reifen
Staatsbürgern, nicht mit unvollkommenen Menschen zu thun habe, die nötigen¬
falls auch einmal harte Zuchtmittel, wie die Kinder, brauchen, läßt dem Volle
alle Freiheit. Wie er bei Arbeiter» unter einundzwanzig Jahren Arbeits¬
bücher eingeführt hat, in die Ein- und Austritt und Art der Beschäftigung
einzutragen sind und Zeugnisse über die Beschäftigung und Führung ans Ver¬
lange» des Arbeiters eingetragen werden könne», so überläßt der Staat die
Regelung des Dieustbvteuverkehrs, unter den rechtlich auch „Stütze»" und
Kindergärtnerinnen solle», de» einzelnen Provinzen und verlangt nur ein gleich¬
mäßiges, kostenfreies Dienstbuch. Die meiste» diesen Verhältnissen gewidmeten
Verordnungen, mie z. B. die Schleswigsche, überlasse» der Herrschaft, ob sie
el» Zeiignis gebe», ebenso, ob sie angeben will, von welcher Seite die Kün-
digung ausgegangen ist. Folgen, die allerdings gelegentlich recht übler und
kostspieliger Natur sein können, entstehen nur dadurch, daß der gutmütige oder
fahrlässige Zeugnisaussteller zum Schadenersatz herangezogen werden kann,
wen» die vertrauensselige neue Herrschaft infolge eines wissentlich verschwiegenen
Fehlers des Die»stbote» Schaden leidet. Diese Möglichkeit schützt allerdings
vor - Gott sei Dank - doch »ur ausnahmsweise vorkommenden Übeln Er-
fahrulige»; dem ständige» Übel mittelmäßiger Hilfskräfte, deren Forderungen
in dem umgekehrten Verhältnis zu ihre» Leisiniige» steige», steuert der Staat
i» keiner Weise, er ist auch gar nicht dazu imstande, und ungerecht scheint
es mir, wenn die Familien, die über schlechte Dienstboten zetern, oder Ge¬
schäfts- und Hnndwerkslente, die sich über schlechtes Hilfspersonal beklagen,
dem Staate die Schuld in die Schuhe schieben und schlimmer fast, als die
utopistischen Herren Svzinldemokraten, vou ihm und vou ihm allein Hilfe ver¬
langen. Die Schuld liegt einzig und allein an der mangelhaften Erziehung
wie der Kinder, so des Hilfspersonals männlichen und weiblichen Geschlechts.
Hier muß der Hebel angesetzt werden. Gilt aber irgendwo das Bibelwort
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