Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.Die deutschen Rinderheilstätten an der See muß auch das fröhliche Leben beobachten, das sich in den Räumen entwickelt, Beim Abschiede von dem Hospiz bestieg ich die in der Front davor Die deutschen Rinderheilstätten an der See muß auch das fröhliche Leben beobachten, das sich in den Räumen entwickelt, Beim Abschiede von dem Hospiz bestieg ich die in der Front davor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0416" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209649"/> <fw type="header" place="top"> Die deutschen Rinderheilstätten an der See</fw><lb/> <p xml:id="ID_1166" prev="#ID_1165"> muß auch das fröhliche Leben beobachten, das sich in den Räumen entwickelt,<lb/> wo die Kinder, wenn das Baden in freier See noch nicht möglich ist, von<lb/> dem biedern Bademeister abgebadet werden. Dieses wonnige Gefühl in dem<lb/> warmen, wohligen Seewasser, und dann das Gejanchze bei der kalten Abrei¬<lb/> bung, die der wackere Meister Lampe, ein alter kinderfreundlicher Seebär, der<lb/> von den Kindern die Nnmpelmaschine getauft ist, kräftig dazu spendet! Die<lb/> Krone des Ganzen aber ist das Strandleben. Dieses Spielen, Graben und<lb/> Schaufeln im Sande, das Staunen der Landratten über die Quallen und<lb/> Krabben und andres Seegetier, der Hochgenuß, mit den nackten Fußen in<lb/> dem svnnendurchwärmten Sande hernmzuspazieren und in das mit leichtem<lb/> Wellengekränsel anspülende Wasser zu waten! Da bauen die Jungen mit dem<lb/> Spaten Sandfestungen, die nachher von der kommenden Flut Schritt für<lb/> Schritt genommen werden, da entstehen künstliche Kanalanlagen; die Mädchen<lb/> aber bauen sich trauliche Plätzchen zum Sitzen und Geschichtenerzühlen. In<lb/> der That, dieses Strandleben ist der Höhepunkt der Kinderlust. Und dabei<lb/> nehmen die Kiuder, ohne daß sich wissen, in dem köstlichen ozonreichen See¬<lb/> winde ein Luftbad in bester Form. Was sind alle Arzneien gegen solche Heil¬<lb/> mittel der Natur!</p><lb/> <p xml:id="ID_1167" next="#ID_1168"> Beim Abschiede von dem Hospiz bestieg ich die in der Front davor<lb/> liegende Düncnhöhe, von der man die ganze segensreiche Anlage überblickt.<lb/> Da oben von der Bank, von der der Blick weiter anch über das Wattmeer,<lb/> das Jnseldvrf Norderney und die offene See schweift, stehen auf einer Tafel<lb/> die Worte: „Arme kranke Kinder bitten: Werdet Mitglieder des Vereins für<lb/> Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten," und darüber weht flatternd<lb/> im frischen Winde die schwarz-weiß-rote Flagge. Ich nahm mir vor, diese<lb/> Kinderbitte weiter verbreiten zu helfe». Ja, liebe Landsleute, Nur haben ein<lb/> großes, geeintes Vaterland, aber der Sondergeift will im praktischen Einzel-<lb/> leben uoch immer nicht weichen. Die buntgefärbten Grenzpfähle bestehen noch<lb/> immer und ihr Vorhandensein übt nach wie vor seine Wirkung. Wohl giebt<lb/> es für das ganze deutsche Reich eine Seeküste, der Entschluß aber, sie auch<lb/> für den Binnenländer als vorhanden zu betrachten, gilt für nllznkühn. Mit<lb/> einem Worte, wir denken noch immer viel zu eng und binnenlnndisch, und<lb/> das namentlich hindert die volle Wirksamkeit der deutschen Seehospize. Aber<lb/> gerade in diesem nationalen Grundgedanken liegt der Segen des Vereins, der<lb/> sich die Verwertung der ganzen großen deutschen Küstenlinie für die Gesund-<lb/> heit des kindlichen Lebensalters zum Ziele gesetzt hat; er ist ein neues Vaud<lb/> der Einheit, das sich um die vorher getrennten Bruderstämme schlingt. ES<lb/> liegt nahe, hier an eine andre Vereinigung zu menschenrettendem Werke zu<lb/> denken: an die deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, die machtvoll<lb/> und reich durch die Unterstützung vieler hilfsbereiten Kräfte im vorigen Jahre<lb/> auf eine gesegnete Wirksamkeit von einem Nierteljahrhnndert znrückblickte. Sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0416]
Die deutschen Rinderheilstätten an der See
muß auch das fröhliche Leben beobachten, das sich in den Räumen entwickelt,
wo die Kinder, wenn das Baden in freier See noch nicht möglich ist, von
dem biedern Bademeister abgebadet werden. Dieses wonnige Gefühl in dem
warmen, wohligen Seewasser, und dann das Gejanchze bei der kalten Abrei¬
bung, die der wackere Meister Lampe, ein alter kinderfreundlicher Seebär, der
von den Kindern die Nnmpelmaschine getauft ist, kräftig dazu spendet! Die
Krone des Ganzen aber ist das Strandleben. Dieses Spielen, Graben und
Schaufeln im Sande, das Staunen der Landratten über die Quallen und
Krabben und andres Seegetier, der Hochgenuß, mit den nackten Fußen in
dem svnnendurchwärmten Sande hernmzuspazieren und in das mit leichtem
Wellengekränsel anspülende Wasser zu waten! Da bauen die Jungen mit dem
Spaten Sandfestungen, die nachher von der kommenden Flut Schritt für
Schritt genommen werden, da entstehen künstliche Kanalanlagen; die Mädchen
aber bauen sich trauliche Plätzchen zum Sitzen und Geschichtenerzühlen. In
der That, dieses Strandleben ist der Höhepunkt der Kinderlust. Und dabei
nehmen die Kiuder, ohne daß sich wissen, in dem köstlichen ozonreichen See¬
winde ein Luftbad in bester Form. Was sind alle Arzneien gegen solche Heil¬
mittel der Natur!
Beim Abschiede von dem Hospiz bestieg ich die in der Front davor
liegende Düncnhöhe, von der man die ganze segensreiche Anlage überblickt.
Da oben von der Bank, von der der Blick weiter anch über das Wattmeer,
das Jnseldvrf Norderney und die offene See schweift, stehen auf einer Tafel
die Worte: „Arme kranke Kinder bitten: Werdet Mitglieder des Vereins für
Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten," und darüber weht flatternd
im frischen Winde die schwarz-weiß-rote Flagge. Ich nahm mir vor, diese
Kinderbitte weiter verbreiten zu helfe». Ja, liebe Landsleute, Nur haben ein
großes, geeintes Vaterland, aber der Sondergeift will im praktischen Einzel-
leben uoch immer nicht weichen. Die buntgefärbten Grenzpfähle bestehen noch
immer und ihr Vorhandensein übt nach wie vor seine Wirkung. Wohl giebt
es für das ganze deutsche Reich eine Seeküste, der Entschluß aber, sie auch
für den Binnenländer als vorhanden zu betrachten, gilt für nllznkühn. Mit
einem Worte, wir denken noch immer viel zu eng und binnenlnndisch, und
das namentlich hindert die volle Wirksamkeit der deutschen Seehospize. Aber
gerade in diesem nationalen Grundgedanken liegt der Segen des Vereins, der
sich die Verwertung der ganzen großen deutschen Küstenlinie für die Gesund-
heit des kindlichen Lebensalters zum Ziele gesetzt hat; er ist ein neues Vaud
der Einheit, das sich um die vorher getrennten Bruderstämme schlingt. ES
liegt nahe, hier an eine andre Vereinigung zu menschenrettendem Werke zu
denken: an die deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, die machtvoll
und reich durch die Unterstützung vieler hilfsbereiten Kräfte im vorigen Jahre
auf eine gesegnete Wirksamkeit von einem Nierteljahrhnndert znrückblickte. Sie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |