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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Kinderheilstätten an der See

Der Verein für Kinderheilstätten hatte infolge persönlicher Bemühungen
Benekes das Glück gehabt, Kaiser Wilhelm I, und den Fürsten Bismarck für
seine Bestrebungen zu gewinnen. Es wurden ihm aus dem Dispositionsfonds
250000 Mark bewilligt zur Erbauung einer großen auf Norderuey zu er¬
richtenden Musteranstalt, doch unter der Bedingung, daß eine andre Viertel¬
million Mark binnen einem Jahre durch den Verein selber zusammengebracht
würde und dafür bürge, daß etwas Tüchtiges zu stände kommen würde. Diese
zweite Viertelmillion zusammenzuschreiben oder sonstwie zusammenzubringen,
das bekam selbst Benekes Arbeitskraft und Feuereifer nicht fertig; der
Verein griff daher zu dem Mittel eiuer Lotterie, die ihm 220000 Mark ein¬
brachte. Endlich wurde ihm noch das große Geschenk von 100000 Mark von
einem im Auslande lebenden Deutschen zu teil, dessen Name unbekannt ge¬
blieben ist. Nun war der Verein und die Ausführung seiner Aufgabe ge¬
sichert.

Der Verein umspannt jetzt die ganze lange Küste zwischen den Mündungen
der Weichsel und der Eins, vorläufig in vier Niederlassungein den beiden
Ostseehvspizen, Zoppvt in der Danziger Bucht und Groß-Müritz um der Küste
Mecklenburgs, nud den beideu Kinderheilstütten der Nordsee, Wyk ans Fuhr
und Norderuey.

Das Kinderhvspiz in Zoppvt ist zunächst zur Aufnahme von 40 Kindern
bestimmt; der Ban, der dem Vereine 50000 Mark gekostet hat, wurde im
Jahre 1886 vollendet. Es bleibt der Zukunft vorbehalten, die Heilstätte durch
Aubau eines Flügels zur Aufnahme von 80 Kindern zu erweitern. Das
Friedrich Franz-Hospiz in Grosz-Müritz ist durch Mettenheimers Eintreten ge¬
schaffen worden. Der Ort hat einen durchaus einfachen, ländlichen Charakter.
Mettenheimer hat ihn gewählt, uicht um aus der Waldeinsamkeit ein glänzendes
Weltbad zu machen, sondern, wie er sagt, "um ein Heilmittel des Vaterlandes,
das in erreichbarer Nähe und für beschränktere Mittel zugänglich ist, in rich¬
tiger Weise zu verwerten." Das Hospiz kann gegen 50 Kindern Aufnahme
gewahren, ist aber nur im Sommer im Gange. Das Hospiz in Wyk auf
Fuhr ist ans einem Kinderasyl emporgewachsen, daS die Diakonissenanstalt in
Flensburg errichtet hatte. Der Verein für Kinderheilstätten traf mit der
Diakonissenanstalt eine Vereinbarung, die dazu führte, daß von ihm ein massives
Gebäude errichtet wurde, geräumig genug, um 80 Kinder gleichzeitig aufzu¬
nehmen. Die ärztliche Leitung liegt in den Händen des Dr. Gerber auf Wyk,
der sich um die Anstalt große Verdienste erworben hat.

Zum Sitze des umfangreichsten Seehospizes war von Bedecke Norderuey
erkoren worden. Diese Kinderheilstütte, um deretwillen der Verein gegründet
und zu dessen Errichtung der Neichsbeitrag gespendet wurden ist, führt heute
dank der lebendigen Teilnahme und Fürsorge, die das damalige deutsche Kron-
prinzenpaar für seine Begründung hegte, den Namen "Seehospiz Kaiserin


Die deutschen Kinderheilstätten an der See

Der Verein für Kinderheilstätten hatte infolge persönlicher Bemühungen
Benekes das Glück gehabt, Kaiser Wilhelm I, und den Fürsten Bismarck für
seine Bestrebungen zu gewinnen. Es wurden ihm aus dem Dispositionsfonds
250000 Mark bewilligt zur Erbauung einer großen auf Norderuey zu er¬
richtenden Musteranstalt, doch unter der Bedingung, daß eine andre Viertel¬
million Mark binnen einem Jahre durch den Verein selber zusammengebracht
würde und dafür bürge, daß etwas Tüchtiges zu stände kommen würde. Diese
zweite Viertelmillion zusammenzuschreiben oder sonstwie zusammenzubringen,
das bekam selbst Benekes Arbeitskraft und Feuereifer nicht fertig; der
Verein griff daher zu dem Mittel eiuer Lotterie, die ihm 220000 Mark ein¬
brachte. Endlich wurde ihm noch das große Geschenk von 100000 Mark von
einem im Auslande lebenden Deutschen zu teil, dessen Name unbekannt ge¬
blieben ist. Nun war der Verein und die Ausführung seiner Aufgabe ge¬
sichert.

Der Verein umspannt jetzt die ganze lange Küste zwischen den Mündungen
der Weichsel und der Eins, vorläufig in vier Niederlassungein den beiden
Ostseehvspizen, Zoppvt in der Danziger Bucht und Groß-Müritz um der Küste
Mecklenburgs, nud den beideu Kinderheilstütten der Nordsee, Wyk ans Fuhr
und Norderuey.

Das Kinderhvspiz in Zoppvt ist zunächst zur Aufnahme von 40 Kindern
bestimmt; der Ban, der dem Vereine 50000 Mark gekostet hat, wurde im
Jahre 1886 vollendet. Es bleibt der Zukunft vorbehalten, die Heilstätte durch
Aubau eines Flügels zur Aufnahme von 80 Kindern zu erweitern. Das
Friedrich Franz-Hospiz in Grosz-Müritz ist durch Mettenheimers Eintreten ge¬
schaffen worden. Der Ort hat einen durchaus einfachen, ländlichen Charakter.
Mettenheimer hat ihn gewählt, uicht um aus der Waldeinsamkeit ein glänzendes
Weltbad zu machen, sondern, wie er sagt, „um ein Heilmittel des Vaterlandes,
das in erreichbarer Nähe und für beschränktere Mittel zugänglich ist, in rich¬
tiger Weise zu verwerten." Das Hospiz kann gegen 50 Kindern Aufnahme
gewahren, ist aber nur im Sommer im Gange. Das Hospiz in Wyk auf
Fuhr ist ans einem Kinderasyl emporgewachsen, daS die Diakonissenanstalt in
Flensburg errichtet hatte. Der Verein für Kinderheilstätten traf mit der
Diakonissenanstalt eine Vereinbarung, die dazu führte, daß von ihm ein massives
Gebäude errichtet wurde, geräumig genug, um 80 Kinder gleichzeitig aufzu¬
nehmen. Die ärztliche Leitung liegt in den Händen des Dr. Gerber auf Wyk,
der sich um die Anstalt große Verdienste erworben hat.

Zum Sitze des umfangreichsten Seehospizes war von Bedecke Norderuey
erkoren worden. Diese Kinderheilstütte, um deretwillen der Verein gegründet
und zu dessen Errichtung der Neichsbeitrag gespendet wurden ist, führt heute
dank der lebendigen Teilnahme und Fürsorge, die das damalige deutsche Kron-
prinzenpaar für seine Begründung hegte, den Namen „Seehospiz Kaiserin


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[0411] Die deutschen Kinderheilstätten an der See Der Verein für Kinderheilstätten hatte infolge persönlicher Bemühungen Benekes das Glück gehabt, Kaiser Wilhelm I, und den Fürsten Bismarck für seine Bestrebungen zu gewinnen. Es wurden ihm aus dem Dispositionsfonds 250000 Mark bewilligt zur Erbauung einer großen auf Norderuey zu er¬ richtenden Musteranstalt, doch unter der Bedingung, daß eine andre Viertel¬ million Mark binnen einem Jahre durch den Verein selber zusammengebracht würde und dafür bürge, daß etwas Tüchtiges zu stände kommen würde. Diese zweite Viertelmillion zusammenzuschreiben oder sonstwie zusammenzubringen, das bekam selbst Benekes Arbeitskraft und Feuereifer nicht fertig; der Verein griff daher zu dem Mittel eiuer Lotterie, die ihm 220000 Mark ein¬ brachte. Endlich wurde ihm noch das große Geschenk von 100000 Mark von einem im Auslande lebenden Deutschen zu teil, dessen Name unbekannt ge¬ blieben ist. Nun war der Verein und die Ausführung seiner Aufgabe ge¬ sichert. Der Verein umspannt jetzt die ganze lange Küste zwischen den Mündungen der Weichsel und der Eins, vorläufig in vier Niederlassungein den beiden Ostseehvspizen, Zoppvt in der Danziger Bucht und Groß-Müritz um der Küste Mecklenburgs, nud den beideu Kinderheilstütten der Nordsee, Wyk ans Fuhr und Norderuey. Das Kinderhvspiz in Zoppvt ist zunächst zur Aufnahme von 40 Kindern bestimmt; der Ban, der dem Vereine 50000 Mark gekostet hat, wurde im Jahre 1886 vollendet. Es bleibt der Zukunft vorbehalten, die Heilstätte durch Aubau eines Flügels zur Aufnahme von 80 Kindern zu erweitern. Das Friedrich Franz-Hospiz in Grosz-Müritz ist durch Mettenheimers Eintreten ge¬ schaffen worden. Der Ort hat einen durchaus einfachen, ländlichen Charakter. Mettenheimer hat ihn gewählt, uicht um aus der Waldeinsamkeit ein glänzendes Weltbad zu machen, sondern, wie er sagt, „um ein Heilmittel des Vaterlandes, das in erreichbarer Nähe und für beschränktere Mittel zugänglich ist, in rich¬ tiger Weise zu verwerten." Das Hospiz kann gegen 50 Kindern Aufnahme gewahren, ist aber nur im Sommer im Gange. Das Hospiz in Wyk auf Fuhr ist ans einem Kinderasyl emporgewachsen, daS die Diakonissenanstalt in Flensburg errichtet hatte. Der Verein für Kinderheilstätten traf mit der Diakonissenanstalt eine Vereinbarung, die dazu führte, daß von ihm ein massives Gebäude errichtet wurde, geräumig genug, um 80 Kinder gleichzeitig aufzu¬ nehmen. Die ärztliche Leitung liegt in den Händen des Dr. Gerber auf Wyk, der sich um die Anstalt große Verdienste erworben hat. Zum Sitze des umfangreichsten Seehospizes war von Bedecke Norderuey erkoren worden. Diese Kinderheilstütte, um deretwillen der Verein gegründet und zu dessen Errichtung der Neichsbeitrag gespendet wurden ist, führt heute dank der lebendigen Teilnahme und Fürsorge, die das damalige deutsche Kron- prinzenpaar für seine Begründung hegte, den Namen „Seehospiz Kaiserin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/411>, abgerufen am 23.07.2024.