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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die deutschen Rinderheilstätten an der See

italienische" Seehospize befinden sich an der mittelländischen, sieben an der
ndriatischen Küste. Mehr als hundert besondre Komitees schicken alljährlich
Tausende von Kindern aus. Nach den von der italienischen Gesellschaft für
Gesundheitspflege veröffentlichten statistischen Angaben waren bis 1888 in den
Seehospizen im ganzen 45000 Kinder behandelt worden. Demselben Professor
Barellai verdankt auch Österreich sein Seehospiz, das im Jahre 1873 in
Grado ant Golf vou Trieft begründet wurde. Dann kam Holland mit dem
Hospiz zu Scheveningen (nenerdings anch einem zu Whk aan Zee), und fast
zugleich Dänemark 1875 mit dem vortrefflich eingerichteten und sparsam be¬
wirtschafteten Nesnäs an der Nordwestküste von Seeland, das neben Berck
sur Mer namentlich das Muster für unsre deutschen Seehospize geworden ist.
Endlich ist noch das russische Hospiz Oramciibnnm am finnischen Meerlinsen
zu erwähnen.

Ich muß es mir versage", auf eine vergleichende Darstellung dieser von
andern Ratio"en geschaffene" Zufluchtsstätten kranker Kinder einzugehen, da
es hier ja vor allein ans die deutschen Kinderheilstätten an der See und unter
ihnen wieder auf die wichtigste, die von Norderneh ankommt, die ich ans ein¬
gehender eigner Anschauung keime.

In Deutschland wurde das Interesse für die Seehvspize zuerst 1830 dnrch
den Marburger Professor Beneke, eiuen ebenso gelehrten als menschenfreund-
lichen Arzt, lebhaft angeregt. Auf seinen Betrieb wurde 1880 der Verein für
Kinderheilstätten an der Nordsee gegründet, und dieser wurde 1882, haupt¬
sächlich durch die Bemühnnge" des Geheimen Medizinalrates Mettenheimer in
Schwerin, zu einem Verein für Kiiiderheilstätten an den deutschen Seeküsten,
d. h. an der Nord- und Ostsee, erweitert.

Man wird fragen, wie es zugehe, daß man in Deutschland erst so spät
dazu gekommen sei, sich mit der so wichtigen Sache zu beschäftigen, während
man in Frankreich die Wichtigkeit des Gegenstandes für die öffentliche Ge¬
sundheitspflege weit früher criaient "ud die Be""ez""g der Seeküste für das
öffentliche Wohl in großartig organisatorischer Weise in die Hand genommen
hat. Darauf giebt es nicht nur eine historisch-politische, sondern auch eine
in deu Naturgesetzen liegende Antwort. Wir wissen es ja, wie spät sich die
Deutschen darauf besönne" haben, daß sie ein einig Volk von Brüdern find,
wissen, daß das Dichterwort: Das ganze Deutschland soll es sein! zwar früh
gesungen, aber erst spät zur Wahrheit geworden ist. Aber abgesehen von
diesen politischen gab es, wie gesagt, much andre Ursachen. In Frankreich
war man bei der großen Zahl konstitutionell kranker Kinder und der unzu-
reichenden Menge von Salzsoolen geradezu auf die Meeresküste angewiesen.
In Deutschland lag die Sache ganz unters. Hier wurden die zahlreich vo"
scutum Soolquellen als die Orte angesehen, die sich zur Benutzung für den
Kampf gegen die konstitutionellen .Kinderkrankheiten im Siime der öffentlichen
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Die deutschen Rinderheilstätten an der See

italienische» Seehospize befinden sich an der mittelländischen, sieben an der
ndriatischen Küste. Mehr als hundert besondre Komitees schicken alljährlich
Tausende von Kindern aus. Nach den von der italienischen Gesellschaft für
Gesundheitspflege veröffentlichten statistischen Angaben waren bis 1888 in den
Seehospizen im ganzen 45000 Kinder behandelt worden. Demselben Professor
Barellai verdankt auch Österreich sein Seehospiz, das im Jahre 1873 in
Grado ant Golf vou Trieft begründet wurde. Dann kam Holland mit dem
Hospiz zu Scheveningen (nenerdings anch einem zu Whk aan Zee), und fast
zugleich Dänemark 1875 mit dem vortrefflich eingerichteten und sparsam be¬
wirtschafteten Nesnäs an der Nordwestküste von Seeland, das neben Berck
sur Mer namentlich das Muster für unsre deutschen Seehospize geworden ist.
Endlich ist noch das russische Hospiz Oramciibnnm am finnischen Meerlinsen
zu erwähnen.

Ich muß es mir versage», auf eine vergleichende Darstellung dieser von
andern Ratio»en geschaffene» Zufluchtsstätten kranker Kinder einzugehen, da
es hier ja vor allein ans die deutschen Kinderheilstätten an der See und unter
ihnen wieder auf die wichtigste, die von Norderneh ankommt, die ich ans ein¬
gehender eigner Anschauung keime.

In Deutschland wurde das Interesse für die Seehvspize zuerst 1830 dnrch
den Marburger Professor Beneke, eiuen ebenso gelehrten als menschenfreund-
lichen Arzt, lebhaft angeregt. Auf seinen Betrieb wurde 1880 der Verein für
Kinderheilstätten an der Nordsee gegründet, und dieser wurde 1882, haupt¬
sächlich durch die Bemühnnge» des Geheimen Medizinalrates Mettenheimer in
Schwerin, zu einem Verein für Kiiiderheilstätten an den deutschen Seeküsten,
d. h. an der Nord- und Ostsee, erweitert.

Man wird fragen, wie es zugehe, daß man in Deutschland erst so spät
dazu gekommen sei, sich mit der so wichtigen Sache zu beschäftigen, während
man in Frankreich die Wichtigkeit des Gegenstandes für die öffentliche Ge¬
sundheitspflege weit früher criaient »ud die Be»»ez»»g der Seeküste für das
öffentliche Wohl in großartig organisatorischer Weise in die Hand genommen
hat. Darauf giebt es nicht nur eine historisch-politische, sondern auch eine
in deu Naturgesetzen liegende Antwort. Wir wissen es ja, wie spät sich die
Deutschen darauf besönne» haben, daß sie ein einig Volk von Brüdern find,
wissen, daß das Dichterwort: Das ganze Deutschland soll es sein! zwar früh
gesungen, aber erst spät zur Wahrheit geworden ist. Aber abgesehen von
diesen politischen gab es, wie gesagt, much andre Ursachen. In Frankreich
war man bei der großen Zahl konstitutionell kranker Kinder und der unzu-
reichenden Menge von Salzsoolen geradezu auf die Meeresküste angewiesen.
In Deutschland lag die Sache ganz unters. Hier wurden die zahlreich vo»
scutum Soolquellen als die Orte angesehen, die sich zur Benutzung für den
Kampf gegen die konstitutionellen .Kinderkrankheiten im Siime der öffentlichen
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[0409] Die deutschen Rinderheilstätten an der See italienische» Seehospize befinden sich an der mittelländischen, sieben an der ndriatischen Küste. Mehr als hundert besondre Komitees schicken alljährlich Tausende von Kindern aus. Nach den von der italienischen Gesellschaft für Gesundheitspflege veröffentlichten statistischen Angaben waren bis 1888 in den Seehospizen im ganzen 45000 Kinder behandelt worden. Demselben Professor Barellai verdankt auch Österreich sein Seehospiz, das im Jahre 1873 in Grado ant Golf vou Trieft begründet wurde. Dann kam Holland mit dem Hospiz zu Scheveningen (nenerdings anch einem zu Whk aan Zee), und fast zugleich Dänemark 1875 mit dem vortrefflich eingerichteten und sparsam be¬ wirtschafteten Nesnäs an der Nordwestküste von Seeland, das neben Berck sur Mer namentlich das Muster für unsre deutschen Seehospize geworden ist. Endlich ist noch das russische Hospiz Oramciibnnm am finnischen Meerlinsen zu erwähnen. Ich muß es mir versage», auf eine vergleichende Darstellung dieser von andern Ratio»en geschaffene» Zufluchtsstätten kranker Kinder einzugehen, da es hier ja vor allein ans die deutschen Kinderheilstätten an der See und unter ihnen wieder auf die wichtigste, die von Norderneh ankommt, die ich ans ein¬ gehender eigner Anschauung keime. In Deutschland wurde das Interesse für die Seehvspize zuerst 1830 dnrch den Marburger Professor Beneke, eiuen ebenso gelehrten als menschenfreund- lichen Arzt, lebhaft angeregt. Auf seinen Betrieb wurde 1880 der Verein für Kinderheilstätten an der Nordsee gegründet, und dieser wurde 1882, haupt¬ sächlich durch die Bemühnnge» des Geheimen Medizinalrates Mettenheimer in Schwerin, zu einem Verein für Kiiiderheilstätten an den deutschen Seeküsten, d. h. an der Nord- und Ostsee, erweitert. Man wird fragen, wie es zugehe, daß man in Deutschland erst so spät dazu gekommen sei, sich mit der so wichtigen Sache zu beschäftigen, während man in Frankreich die Wichtigkeit des Gegenstandes für die öffentliche Ge¬ sundheitspflege weit früher criaient »ud die Be»»ez»»g der Seeküste für das öffentliche Wohl in großartig organisatorischer Weise in die Hand genommen hat. Darauf giebt es nicht nur eine historisch-politische, sondern auch eine in deu Naturgesetzen liegende Antwort. Wir wissen es ja, wie spät sich die Deutschen darauf besönne» haben, daß sie ein einig Volk von Brüdern find, wissen, daß das Dichterwort: Das ganze Deutschland soll es sein! zwar früh gesungen, aber erst spät zur Wahrheit geworden ist. Aber abgesehen von diesen politischen gab es, wie gesagt, much andre Ursachen. In Frankreich war man bei der großen Zahl konstitutionell kranker Kinder und der unzu- reichenden Menge von Salzsoolen geradezu auf die Meeresküste angewiesen. In Deutschland lag die Sache ganz unters. Hier wurden die zahlreich vo» scutum Soolquellen als die Orte angesehen, die sich zur Benutzung für den Kampf gegen die konstitutionellen .Kinderkrankheiten im Siime der öffentlichen ' Grenzbote» 1 1891 .,>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/409>, abgerufen am 23.07.2024.