Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Artikel der Neichsverfassmig

ziehung verunglückte Begründung; thatsächlich, da nach dem dargelegte" Unter¬
schied zwischen Schluß und Vertagung des Reichstages nach dem Schluß ein
Fortarbeiten der Kommissionen aus dein einfachen Grnnde nicht möglich ist,
weil sie nichts zu arbeiten haben; rechtlich, da die Einrichtung der Kom¬
missionen weder auf der Reichsverfassung noch auf einem andern Reichsgesetze
beruht, sondern eine innere, eine Geschäftsvrdunngsangclegenheit des Reichs¬
tages darstellt. Den gewählten Kommissiousmitgliederu kann niemand ver¬
bieten, auch nach erfolgter Vertagung in Berlin zu bleiben und ihre Arbeit
fortzusetzen, und die Neichsregieruug ist einerseits nicht gehindert, anderseits
aber auch nicht verpflichtet, auf Wunsch der Kommission Vertreter zu deren
Beratungen zu entsenden. Sie ist daran und dazu sowenig während der
Tagung als während der Vertagung, sowenig während der Session wie in
der Zwischenzeit zwischen zwei Sessionen, gehindert und verpflichtet. Soll
einmal eine Kommission als amtliche Vertreterin des Reichstages weiterarbeiten,
weil ein ihm vorgelegter Gesetzentwurf am Schluß einer Tagung noch nicht
erledigt ist, und die durch eine Vertagung zu gewinnende Zeit -- die "Session,"
das Geschäftsjahr -- für die Erledigung nicht zureichen würde, so bedarf es
dazu eines besondern Gesetzes: so im Fall des oben augeführten Neichsgesetzes
vom 23. Dezember 1874 betreffend die Behandlung der achtzehuhuudertuud-
nennuudsiebziger Justizgesetze. Das hat aber seinen Grund nicht darin, das;
die Kvmmissivnsmitglieder ohne das Gesetz an dem weitern Aufenthalt in der
Reichshauptstadt und an der weitern vertraulichen Beratung des Gesetzent¬
wurfes gehindert wären, sondern darin, daß ohne das Spezialgesetz der Schluß
der Session nicht möglich wäre. Den Kommissionsmitgliedern aber wird in
einem solchen Falle (siehe § 2 des angeführtem Gesetzes) der Schutz des
Artikel 31 mit Recht gewährt, nicht, weil sie Abgeordnete sind, sondern weil
hier die Kommission kraft des Gesetzes als Vertreterin des Reichstages
weitertagt.

Fassen wir das Ergebnis unsrer Ansfiihrnng in einer rein dentschen Um-
schreibung der einschlagenden Bestimmungen der Reichsverfnsfung zusammen,
so lautet sie, wie folgt: Der Reichstag wird jedesmal auf die Dauer von
fünf Jahren gewühlt. Zu einer Auflösung vor Ablauf dieser Zeit ist ein Be¬
schloß des Bundesrates unter Zustimmung des Kaisers erforderlich. Berufen
wird der Reichstag in jedem der fünf Jahre mindestens einmal. Ist in der
ordentlichen Tagung der Reichshanshnlt festgestellt und sind die sonstigen an
dem versammelten Reichstag gebrachten Geschäfte erledigt, so wird er vom
Kaiser geschlossen. Solange der Neichshaushalt nicht festgestellt ist und die
sonstigen Geschäfte nicht erledigt sind, kann der Reichstag mit seiner Zustim¬
mung vom Kaiser auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, ohne diese Zustimmung
nur einmal und nicht länger als auf dreißig Tage vertagt werden. Nach dem
Schluß der ordentliche" Tagung tan" er im Falle des Bedürfnisses in dem-


Artikel der Neichsverfassmig

ziehung verunglückte Begründung; thatsächlich, da nach dem dargelegte» Unter¬
schied zwischen Schluß und Vertagung des Reichstages nach dem Schluß ein
Fortarbeiten der Kommissionen aus dein einfachen Grnnde nicht möglich ist,
weil sie nichts zu arbeiten haben; rechtlich, da die Einrichtung der Kom¬
missionen weder auf der Reichsverfassung noch auf einem andern Reichsgesetze
beruht, sondern eine innere, eine Geschäftsvrdunngsangclegenheit des Reichs¬
tages darstellt. Den gewählten Kommissiousmitgliederu kann niemand ver¬
bieten, auch nach erfolgter Vertagung in Berlin zu bleiben und ihre Arbeit
fortzusetzen, und die Neichsregieruug ist einerseits nicht gehindert, anderseits
aber auch nicht verpflichtet, auf Wunsch der Kommission Vertreter zu deren
Beratungen zu entsenden. Sie ist daran und dazu sowenig während der
Tagung als während der Vertagung, sowenig während der Session wie in
der Zwischenzeit zwischen zwei Sessionen, gehindert und verpflichtet. Soll
einmal eine Kommission als amtliche Vertreterin des Reichstages weiterarbeiten,
weil ein ihm vorgelegter Gesetzentwurf am Schluß einer Tagung noch nicht
erledigt ist, und die durch eine Vertagung zu gewinnende Zeit — die „Session,"
das Geschäftsjahr — für die Erledigung nicht zureichen würde, so bedarf es
dazu eines besondern Gesetzes: so im Fall des oben augeführten Neichsgesetzes
vom 23. Dezember 1874 betreffend die Behandlung der achtzehuhuudertuud-
nennuudsiebziger Justizgesetze. Das hat aber seinen Grund nicht darin, das;
die Kvmmissivnsmitglieder ohne das Gesetz an dem weitern Aufenthalt in der
Reichshauptstadt und an der weitern vertraulichen Beratung des Gesetzent¬
wurfes gehindert wären, sondern darin, daß ohne das Spezialgesetz der Schluß
der Session nicht möglich wäre. Den Kommissionsmitgliedern aber wird in
einem solchen Falle (siehe § 2 des angeführtem Gesetzes) der Schutz des
Artikel 31 mit Recht gewährt, nicht, weil sie Abgeordnete sind, sondern weil
hier die Kommission kraft des Gesetzes als Vertreterin des Reichstages
weitertagt.

Fassen wir das Ergebnis unsrer Ansfiihrnng in einer rein dentschen Um-
schreibung der einschlagenden Bestimmungen der Reichsverfnsfung zusammen,
so lautet sie, wie folgt: Der Reichstag wird jedesmal auf die Dauer von
fünf Jahren gewühlt. Zu einer Auflösung vor Ablauf dieser Zeit ist ein Be¬
schloß des Bundesrates unter Zustimmung des Kaisers erforderlich. Berufen
wird der Reichstag in jedem der fünf Jahre mindestens einmal. Ist in der
ordentlichen Tagung der Reichshanshnlt festgestellt und sind die sonstigen an
dem versammelten Reichstag gebrachten Geschäfte erledigt, so wird er vom
Kaiser geschlossen. Solange der Neichshaushalt nicht festgestellt ist und die
sonstigen Geschäfte nicht erledigt sind, kann der Reichstag mit seiner Zustim¬
mung vom Kaiser auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, ohne diese Zustimmung
nur einmal und nicht länger als auf dreißig Tage vertagt werden. Nach dem
Schluß der ordentliche» Tagung tan» er im Falle des Bedürfnisses in dem-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209583"/>
          <fw type="header" place="top"> Artikel    der Neichsverfassmig</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_987" prev="#ID_986"> ziehung verunglückte Begründung; thatsächlich, da nach dem dargelegte» Unter¬<lb/>
schied zwischen Schluß und Vertagung des Reichstages nach dem Schluß ein<lb/>
Fortarbeiten der Kommissionen aus dein einfachen Grnnde nicht möglich ist,<lb/>
weil sie nichts zu arbeiten haben; rechtlich, da die Einrichtung der Kom¬<lb/>
missionen weder auf der Reichsverfassung noch auf einem andern Reichsgesetze<lb/>
beruht, sondern eine innere, eine Geschäftsvrdunngsangclegenheit des Reichs¬<lb/>
tages darstellt. Den gewählten Kommissiousmitgliederu kann niemand ver¬<lb/>
bieten, auch nach erfolgter Vertagung in Berlin zu bleiben und ihre Arbeit<lb/>
fortzusetzen, und die Neichsregieruug ist einerseits nicht gehindert, anderseits<lb/>
aber auch nicht verpflichtet, auf Wunsch der Kommission Vertreter zu deren<lb/>
Beratungen zu entsenden. Sie ist daran und dazu sowenig während der<lb/>
Tagung als während der Vertagung, sowenig während der Session wie in<lb/>
der Zwischenzeit zwischen zwei Sessionen, gehindert und verpflichtet. Soll<lb/>
einmal eine Kommission als amtliche Vertreterin des Reichstages weiterarbeiten,<lb/>
weil ein ihm vorgelegter Gesetzentwurf am Schluß einer Tagung noch nicht<lb/>
erledigt ist, und die durch eine Vertagung zu gewinnende Zeit &#x2014; die &#x201E;Session,"<lb/>
das Geschäftsjahr &#x2014; für die Erledigung nicht zureichen würde, so bedarf es<lb/>
dazu eines besondern Gesetzes: so im Fall des oben augeführten Neichsgesetzes<lb/>
vom 23. Dezember 1874 betreffend die Behandlung der achtzehuhuudertuud-<lb/>
nennuudsiebziger Justizgesetze. Das hat aber seinen Grund nicht darin, das;<lb/>
die Kvmmissivnsmitglieder ohne das Gesetz an dem weitern Aufenthalt in der<lb/>
Reichshauptstadt und an der weitern vertraulichen Beratung des Gesetzent¬<lb/>
wurfes gehindert wären, sondern darin, daß ohne das Spezialgesetz der Schluß<lb/>
der Session nicht möglich wäre. Den Kommissionsmitgliedern aber wird in<lb/>
einem solchen Falle (siehe § 2 des angeführtem Gesetzes) der Schutz des<lb/>
Artikel 31 mit Recht gewährt, nicht, weil sie Abgeordnete sind, sondern weil<lb/>
hier die Kommission kraft des Gesetzes als Vertreterin des Reichstages<lb/>
weitertagt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_988" next="#ID_989"> Fassen wir das Ergebnis unsrer Ansfiihrnng in einer rein dentschen Um-<lb/>
schreibung der einschlagenden Bestimmungen der Reichsverfnsfung zusammen,<lb/>
so lautet sie, wie folgt: Der Reichstag wird jedesmal auf die Dauer von<lb/>
fünf Jahren gewühlt. Zu einer Auflösung vor Ablauf dieser Zeit ist ein Be¬<lb/>
schloß des Bundesrates unter Zustimmung des Kaisers erforderlich. Berufen<lb/>
wird der Reichstag in jedem der fünf Jahre mindestens einmal. Ist in der<lb/>
ordentlichen Tagung der Reichshanshnlt festgestellt und sind die sonstigen an<lb/>
dem versammelten Reichstag gebrachten Geschäfte erledigt, so wird er vom<lb/>
Kaiser geschlossen. Solange der Neichshaushalt nicht festgestellt ist und die<lb/>
sonstigen Geschäfte nicht erledigt sind, kann der Reichstag mit seiner Zustim¬<lb/>
mung vom Kaiser auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, ohne diese Zustimmung<lb/>
nur einmal und nicht länger als auf dreißig Tage vertagt werden. Nach dem<lb/>
Schluß der ordentliche» Tagung tan» er im Falle des Bedürfnisses in dem-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0350] Artikel der Neichsverfassmig ziehung verunglückte Begründung; thatsächlich, da nach dem dargelegte» Unter¬ schied zwischen Schluß und Vertagung des Reichstages nach dem Schluß ein Fortarbeiten der Kommissionen aus dein einfachen Grnnde nicht möglich ist, weil sie nichts zu arbeiten haben; rechtlich, da die Einrichtung der Kom¬ missionen weder auf der Reichsverfassung noch auf einem andern Reichsgesetze beruht, sondern eine innere, eine Geschäftsvrdunngsangclegenheit des Reichs¬ tages darstellt. Den gewählten Kommissiousmitgliederu kann niemand ver¬ bieten, auch nach erfolgter Vertagung in Berlin zu bleiben und ihre Arbeit fortzusetzen, und die Neichsregieruug ist einerseits nicht gehindert, anderseits aber auch nicht verpflichtet, auf Wunsch der Kommission Vertreter zu deren Beratungen zu entsenden. Sie ist daran und dazu sowenig während der Tagung als während der Vertagung, sowenig während der Session wie in der Zwischenzeit zwischen zwei Sessionen, gehindert und verpflichtet. Soll einmal eine Kommission als amtliche Vertreterin des Reichstages weiterarbeiten, weil ein ihm vorgelegter Gesetzentwurf am Schluß einer Tagung noch nicht erledigt ist, und die durch eine Vertagung zu gewinnende Zeit — die „Session," das Geschäftsjahr — für die Erledigung nicht zureichen würde, so bedarf es dazu eines besondern Gesetzes: so im Fall des oben augeführten Neichsgesetzes vom 23. Dezember 1874 betreffend die Behandlung der achtzehuhuudertuud- nennuudsiebziger Justizgesetze. Das hat aber seinen Grund nicht darin, das; die Kvmmissivnsmitglieder ohne das Gesetz an dem weitern Aufenthalt in der Reichshauptstadt und an der weitern vertraulichen Beratung des Gesetzent¬ wurfes gehindert wären, sondern darin, daß ohne das Spezialgesetz der Schluß der Session nicht möglich wäre. Den Kommissionsmitgliedern aber wird in einem solchen Falle (siehe § 2 des angeführtem Gesetzes) der Schutz des Artikel 31 mit Recht gewährt, nicht, weil sie Abgeordnete sind, sondern weil hier die Kommission kraft des Gesetzes als Vertreterin des Reichstages weitertagt. Fassen wir das Ergebnis unsrer Ansfiihrnng in einer rein dentschen Um- schreibung der einschlagenden Bestimmungen der Reichsverfnsfung zusammen, so lautet sie, wie folgt: Der Reichstag wird jedesmal auf die Dauer von fünf Jahren gewühlt. Zu einer Auflösung vor Ablauf dieser Zeit ist ein Be¬ schloß des Bundesrates unter Zustimmung des Kaisers erforderlich. Berufen wird der Reichstag in jedem der fünf Jahre mindestens einmal. Ist in der ordentlichen Tagung der Reichshanshnlt festgestellt und sind die sonstigen an dem versammelten Reichstag gebrachten Geschäfte erledigt, so wird er vom Kaiser geschlossen. Solange der Neichshaushalt nicht festgestellt ist und die sonstigen Geschäfte nicht erledigt sind, kann der Reichstag mit seiner Zustim¬ mung vom Kaiser auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, ohne diese Zustimmung nur einmal und nicht länger als auf dreißig Tage vertagt werden. Nach dem Schluß der ordentliche» Tagung tan» er im Falle des Bedürfnisses in dem-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/350
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/350>, abgerufen am 23.07.2024.