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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Wir sagen, daß ein Ort vom andern eine Stunde entfernt sei. Die Periode
ist also ein Zeitteil, die Sitzungsperiode ein Sitzungszeitteil oder, da die Session
selbst einen Zeitabschnitt bezeichnet, ein Teil der Sitzungszeit, und da die
Session ihrerseits einen Teil der "Legislaturperiode" bildet, so ist die Sitzungs¬
periode ein Teil des Teils oder ein kleinerer Teil der Legislaturperiode.
"Groß" und "klein" sind aber schlechterdings keine Rechtsbegriffe, zwischen
der Session und der Sitzungsperiode besteht also kein Unterschied im juristischen
Wesen, sie sind so wenig Begriffsgegensätze wie "Session" und "Legislatur¬
periode"; die "Session" ist gerade so wie die "Legislaturperiode" zur Er¬
ledigung gesetzgeberischer Arbeiten bestimmt. Wenn in einem Geschäftsjahr
zwei Tagungen des Reichstags stattfinden, so hängt es lediglich von dem
Geschäftsstaude des Reichstags während der ersten Tagung ab, ob die zweite
Tagung eine "Session" für sich oder mir eine Sessions- oder Sitzungsperiode,
ein Sessionsteil ist. Nach SessiouSschluß tagt der Reichstag uicht mehr, und
nach erfolgter Vertagung tagt er auch nicht mehr, wenn auch im letztern Falle
die in dem Augenblicke der Vertagung noch anhängigen unerledigten Geschäfte
eine nochmalige Tagung in demselben Jahre erforderlich machen. Die Rechts¬
stellung des Reichstags und damit auch die Rechtsstellung des einzelnen Reichs-
tagsabgeordneten ist in der Zeit zwischen zwei "Sessionen" vollständig dieselbe,
wie in der Zeit zwischen zwei (auf verfassungsmäßiger Vertagung beruhenden)
Sitzungsperioden.

Einen wesentlichen Unterschied zwischen Session und Sitzungsperiode könnte
man vielleicht darin finden wollen, daß nach Schluß der Session, nicht aber
auch nach einer Vertagung eine neue Berufung des Reichstags notwendig sei.
Der Unterschied wäre, wenn er bestünde, ein rein formeller, ohne jede sach¬
liche Vedentnng, und würde es schwerlich rechtfertigen, daß die Abgeordneten,
die in der Zeit zwischen zwei Sessionen wie in der Zeit der Vertagung gleich¬
mäßig ihren sonstigen bürgerlichen Geschäften nachgehen, in der erster" Zwischen¬
zeit als einfache inaktive Volksvertreter, in der andern als sakrosankte Volks-
tribunen behandelt werden. Der Unterschied besteht aber zudem als wesentlich
gnr nicht. Mit seiner Zustimmung kann der Reichstag ans beliebig lange,
auch auf unbestimmte Zeit vertagt werden; ist aber eine Vertagung auf un¬
bestimmte Zeit erfolgt, so muß der Reichstag zur Furtsetzung der alten Session
gerade so wie zu einer neuen Session berufen werden. Und ums ist eine Ver¬
tagung auf bestimmte Zeit? Doch nichts andres, als die Aufforderung, aus-
eiuauderzugeheu und nach der bestimmten Zeit wieder zusammenzukommen, also
eine (zeitweilige) Schließung mit unmittelbar angeschlossener Berufung.

Die Verteidiger der Ausdehnung des Privilegiums der Abgeordneten auf
die Zeit während der Vertagung haben sich auch schon darauf berufen, daß
wcihreud einer Vertagung, uicht aber auch in der Zeit zwischen zwei "Sessionen"
die Kommissionen des Reichstages fortarbeiten. Das ist eine in jeder Be-


Artikel /> ^ der Rcichsverfcissiing

Wir sagen, daß ein Ort vom andern eine Stunde entfernt sei. Die Periode
ist also ein Zeitteil, die Sitzungsperiode ein Sitzungszeitteil oder, da die Session
selbst einen Zeitabschnitt bezeichnet, ein Teil der Sitzungszeit, und da die
Session ihrerseits einen Teil der „Legislaturperiode" bildet, so ist die Sitzungs¬
periode ein Teil des Teils oder ein kleinerer Teil der Legislaturperiode.
„Groß" und „klein" sind aber schlechterdings keine Rechtsbegriffe, zwischen
der Session und der Sitzungsperiode besteht also kein Unterschied im juristischen
Wesen, sie sind so wenig Begriffsgegensätze wie „Session" und „Legislatur¬
periode"; die „Session" ist gerade so wie die „Legislaturperiode" zur Er¬
ledigung gesetzgeberischer Arbeiten bestimmt. Wenn in einem Geschäftsjahr
zwei Tagungen des Reichstags stattfinden, so hängt es lediglich von dem
Geschäftsstaude des Reichstags während der ersten Tagung ab, ob die zweite
Tagung eine „Session" für sich oder mir eine Sessions- oder Sitzungsperiode,
ein Sessionsteil ist. Nach SessiouSschluß tagt der Reichstag uicht mehr, und
nach erfolgter Vertagung tagt er auch nicht mehr, wenn auch im letztern Falle
die in dem Augenblicke der Vertagung noch anhängigen unerledigten Geschäfte
eine nochmalige Tagung in demselben Jahre erforderlich machen. Die Rechts¬
stellung des Reichstags und damit auch die Rechtsstellung des einzelnen Reichs-
tagsabgeordneten ist in der Zeit zwischen zwei „Sessionen" vollständig dieselbe,
wie in der Zeit zwischen zwei (auf verfassungsmäßiger Vertagung beruhenden)
Sitzungsperioden.

Einen wesentlichen Unterschied zwischen Session und Sitzungsperiode könnte
man vielleicht darin finden wollen, daß nach Schluß der Session, nicht aber
auch nach einer Vertagung eine neue Berufung des Reichstags notwendig sei.
Der Unterschied wäre, wenn er bestünde, ein rein formeller, ohne jede sach¬
liche Vedentnng, und würde es schwerlich rechtfertigen, daß die Abgeordneten,
die in der Zeit zwischen zwei Sessionen wie in der Zeit der Vertagung gleich¬
mäßig ihren sonstigen bürgerlichen Geschäften nachgehen, in der erster» Zwischen¬
zeit als einfache inaktive Volksvertreter, in der andern als sakrosankte Volks-
tribunen behandelt werden. Der Unterschied besteht aber zudem als wesentlich
gnr nicht. Mit seiner Zustimmung kann der Reichstag ans beliebig lange,
auch auf unbestimmte Zeit vertagt werden; ist aber eine Vertagung auf un¬
bestimmte Zeit erfolgt, so muß der Reichstag zur Furtsetzung der alten Session
gerade so wie zu einer neuen Session berufen werden. Und ums ist eine Ver¬
tagung auf bestimmte Zeit? Doch nichts andres, als die Aufforderung, aus-
eiuauderzugeheu und nach der bestimmten Zeit wieder zusammenzukommen, also
eine (zeitweilige) Schließung mit unmittelbar angeschlossener Berufung.

Die Verteidiger der Ausdehnung des Privilegiums der Abgeordneten auf
die Zeit während der Vertagung haben sich auch schon darauf berufen, daß
wcihreud einer Vertagung, uicht aber auch in der Zeit zwischen zwei „Sessionen"
die Kommissionen des Reichstages fortarbeiten. Das ist eine in jeder Be-


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[0349] Artikel /> ^ der Rcichsverfcissiing Wir sagen, daß ein Ort vom andern eine Stunde entfernt sei. Die Periode ist also ein Zeitteil, die Sitzungsperiode ein Sitzungszeitteil oder, da die Session selbst einen Zeitabschnitt bezeichnet, ein Teil der Sitzungszeit, und da die Session ihrerseits einen Teil der „Legislaturperiode" bildet, so ist die Sitzungs¬ periode ein Teil des Teils oder ein kleinerer Teil der Legislaturperiode. „Groß" und „klein" sind aber schlechterdings keine Rechtsbegriffe, zwischen der Session und der Sitzungsperiode besteht also kein Unterschied im juristischen Wesen, sie sind so wenig Begriffsgegensätze wie „Session" und „Legislatur¬ periode"; die „Session" ist gerade so wie die „Legislaturperiode" zur Er¬ ledigung gesetzgeberischer Arbeiten bestimmt. Wenn in einem Geschäftsjahr zwei Tagungen des Reichstags stattfinden, so hängt es lediglich von dem Geschäftsstaude des Reichstags während der ersten Tagung ab, ob die zweite Tagung eine „Session" für sich oder mir eine Sessions- oder Sitzungsperiode, ein Sessionsteil ist. Nach SessiouSschluß tagt der Reichstag uicht mehr, und nach erfolgter Vertagung tagt er auch nicht mehr, wenn auch im letztern Falle die in dem Augenblicke der Vertagung noch anhängigen unerledigten Geschäfte eine nochmalige Tagung in demselben Jahre erforderlich machen. Die Rechts¬ stellung des Reichstags und damit auch die Rechtsstellung des einzelnen Reichs- tagsabgeordneten ist in der Zeit zwischen zwei „Sessionen" vollständig dieselbe, wie in der Zeit zwischen zwei (auf verfassungsmäßiger Vertagung beruhenden) Sitzungsperioden. Einen wesentlichen Unterschied zwischen Session und Sitzungsperiode könnte man vielleicht darin finden wollen, daß nach Schluß der Session, nicht aber auch nach einer Vertagung eine neue Berufung des Reichstags notwendig sei. Der Unterschied wäre, wenn er bestünde, ein rein formeller, ohne jede sach¬ liche Vedentnng, und würde es schwerlich rechtfertigen, daß die Abgeordneten, die in der Zeit zwischen zwei Sessionen wie in der Zeit der Vertagung gleich¬ mäßig ihren sonstigen bürgerlichen Geschäften nachgehen, in der erster» Zwischen¬ zeit als einfache inaktive Volksvertreter, in der andern als sakrosankte Volks- tribunen behandelt werden. Der Unterschied besteht aber zudem als wesentlich gnr nicht. Mit seiner Zustimmung kann der Reichstag ans beliebig lange, auch auf unbestimmte Zeit vertagt werden; ist aber eine Vertagung auf un¬ bestimmte Zeit erfolgt, so muß der Reichstag zur Furtsetzung der alten Session gerade so wie zu einer neuen Session berufen werden. Und ums ist eine Ver¬ tagung auf bestimmte Zeit? Doch nichts andres, als die Aufforderung, aus- eiuauderzugeheu und nach der bestimmten Zeit wieder zusammenzukommen, also eine (zeitweilige) Schließung mit unmittelbar angeschlossener Berufung. Die Verteidiger der Ausdehnung des Privilegiums der Abgeordneten auf die Zeit während der Vertagung haben sich auch schon darauf berufen, daß wcihreud einer Vertagung, uicht aber auch in der Zeit zwischen zwei „Sessionen" die Kommissionen des Reichstages fortarbeiten. Das ist eine in jeder Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/349>, abgerufen am 23.07.2024.