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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Berlin und sein Hof im Jahre 1^69^

Türken, Schweden und Franzosen als Kriegsbeute abgenommen worden sind;
darunter befinden sich auch die bei der Erstürmung von Namur erbeuteten.
Die holländischen Genercilstaatcn sind verpflichtet, dem Kurfürsten alljährlich
eine Feldschlange zu stellen, man zählt deren schon an dreißig. Außerdem
sieht man da noch viele Haubitzen und Mörser, von denen einer acht und
einen halben Zentner wiegt. Augenblicklich läßt der Kurfürst vier gewaltige
Huudertpfünder gießen, die nach den vier Weltgegenden genannt werden sollen.
Das Zeughaus zerfällt in zwei Teile; doch wird jetzt zur Aufnahme des ge¬
samten Gefchützparks, sowie des in Spandau, Küstrin und andern Festungen
befindlichen ein größeres gebaut.

Außerhalb des Stralchthores^) erblickt man eine große Windmühle, die
einige Räder treibt, durch die drei Sägemühlen, gleich den Wasserschneide¬
mühlen, in Betrieb gesetzt werden; jede enthält zwölf in einer Reihe um
Bretterdicke von einander abstehende Sägen, sodaß in einer Viertelstunde drei
Baumstämme in sechsunddreißig Bretter zerschnitten werden. Während diese
Maschine die Stämme zersägt, treibt sie zugleich ein andres Rad, um dessen
Achse ein Seil gewickelt ist, das auf diese Weise die Stämme an die Sägen
heranzieht; mit geringer Anstrengung wird so in kurzer Zeit eine große
Arbeit gethan. Ferner kommt Holz noch in Flößen hierher und wird von
diesen in diejenigen Schneidemühlen geschafft, die am Rande eines von der
Spree gebildeten Sumpfes und einer in ihn sich erstreckenden Landzunge liegen,
also an einer Stelle, wo der Wind sehr sanft weht. Seine Kraft ist aber
ganz außerordentlich; das merkt man, wenn man auf der Mühle herumgeht
und sich die Maschine ansieht, am besten da, wo sich die Flügel drehen:
infolge des Brausens des Windes und des Knirschens der Sägen scheint die
Hölle entfesselt zu sein; sie ist übrigens sehr sehenswert. Die Mühle liegt eine
drittel Meile von der Stadt entfernt; der Kurfürst verpachtet sie und zieht
aus ihr 6000 Gulden jährlich. An dem Wege, der dorthin führt, ist, wie
"och erwähnt werden mag, eine große Masse Brennholz aufgestapelt, das in
Flößen und auf Kähnen hierher geschafft wird und seiner Feuergefährlichkeit
wegen fern von der Stadt bleibt.

Neben dem Georgsthor befindet sich ein Kollegium, worin die französischen
Rvfugivs in ihrer Jngend Philosophie und andres treiben. Dicht daneben
steht ein sehr schönes, für Tierhetzen neu erbautes Theater. Von seltenen
Tieren ist gegenwärtig ein Ur da, d. h. ein wildlebender Stier, der an Gestalt
unserm Hausrind gleicht, aber hochbeiniger ist und an den Wangen einen
langbehaarten Auswuchs hat; seine Farbe ist dunkel, und die Hörner ähneln
mehr denen unsrer Büffelkühe. Diese Tiere findet man in Preußen, wo sie
in den Wäldern gejagt werden; es sollen äußerst wilde Tiere sein. Auch ich



Das Stralauer Thor.
Grenzboten I 18914
Berlin und sein Hof im Jahre 1^69^

Türken, Schweden und Franzosen als Kriegsbeute abgenommen worden sind;
darunter befinden sich auch die bei der Erstürmung von Namur erbeuteten.
Die holländischen Genercilstaatcn sind verpflichtet, dem Kurfürsten alljährlich
eine Feldschlange zu stellen, man zählt deren schon an dreißig. Außerdem
sieht man da noch viele Haubitzen und Mörser, von denen einer acht und
einen halben Zentner wiegt. Augenblicklich läßt der Kurfürst vier gewaltige
Huudertpfünder gießen, die nach den vier Weltgegenden genannt werden sollen.
Das Zeughaus zerfällt in zwei Teile; doch wird jetzt zur Aufnahme des ge¬
samten Gefchützparks, sowie des in Spandau, Küstrin und andern Festungen
befindlichen ein größeres gebaut.

Außerhalb des Stralchthores^) erblickt man eine große Windmühle, die
einige Räder treibt, durch die drei Sägemühlen, gleich den Wasserschneide¬
mühlen, in Betrieb gesetzt werden; jede enthält zwölf in einer Reihe um
Bretterdicke von einander abstehende Sägen, sodaß in einer Viertelstunde drei
Baumstämme in sechsunddreißig Bretter zerschnitten werden. Während diese
Maschine die Stämme zersägt, treibt sie zugleich ein andres Rad, um dessen
Achse ein Seil gewickelt ist, das auf diese Weise die Stämme an die Sägen
heranzieht; mit geringer Anstrengung wird so in kurzer Zeit eine große
Arbeit gethan. Ferner kommt Holz noch in Flößen hierher und wird von
diesen in diejenigen Schneidemühlen geschafft, die am Rande eines von der
Spree gebildeten Sumpfes und einer in ihn sich erstreckenden Landzunge liegen,
also an einer Stelle, wo der Wind sehr sanft weht. Seine Kraft ist aber
ganz außerordentlich; das merkt man, wenn man auf der Mühle herumgeht
und sich die Maschine ansieht, am besten da, wo sich die Flügel drehen:
infolge des Brausens des Windes und des Knirschens der Sägen scheint die
Hölle entfesselt zu sein; sie ist übrigens sehr sehenswert. Die Mühle liegt eine
drittel Meile von der Stadt entfernt; der Kurfürst verpachtet sie und zieht
aus ihr 6000 Gulden jährlich. An dem Wege, der dorthin führt, ist, wie
»och erwähnt werden mag, eine große Masse Brennholz aufgestapelt, das in
Flößen und auf Kähnen hierher geschafft wird und seiner Feuergefährlichkeit
wegen fern von der Stadt bleibt.

Neben dem Georgsthor befindet sich ein Kollegium, worin die französischen
Rvfugivs in ihrer Jngend Philosophie und andres treiben. Dicht daneben
steht ein sehr schönes, für Tierhetzen neu erbautes Theater. Von seltenen
Tieren ist gegenwärtig ein Ur da, d. h. ein wildlebender Stier, der an Gestalt
unserm Hausrind gleicht, aber hochbeiniger ist und an den Wangen einen
langbehaarten Auswuchs hat; seine Farbe ist dunkel, und die Hörner ähneln
mehr denen unsrer Büffelkühe. Diese Tiere findet man in Preußen, wo sie
in den Wäldern gejagt werden; es sollen äußerst wilde Tiere sein. Auch ich



Das Stralauer Thor.
Grenzboten I 18914
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[0033] Berlin und sein Hof im Jahre 1^69^ Türken, Schweden und Franzosen als Kriegsbeute abgenommen worden sind; darunter befinden sich auch die bei der Erstürmung von Namur erbeuteten. Die holländischen Genercilstaatcn sind verpflichtet, dem Kurfürsten alljährlich eine Feldschlange zu stellen, man zählt deren schon an dreißig. Außerdem sieht man da noch viele Haubitzen und Mörser, von denen einer acht und einen halben Zentner wiegt. Augenblicklich läßt der Kurfürst vier gewaltige Huudertpfünder gießen, die nach den vier Weltgegenden genannt werden sollen. Das Zeughaus zerfällt in zwei Teile; doch wird jetzt zur Aufnahme des ge¬ samten Gefchützparks, sowie des in Spandau, Küstrin und andern Festungen befindlichen ein größeres gebaut. Außerhalb des Stralchthores^) erblickt man eine große Windmühle, die einige Räder treibt, durch die drei Sägemühlen, gleich den Wasserschneide¬ mühlen, in Betrieb gesetzt werden; jede enthält zwölf in einer Reihe um Bretterdicke von einander abstehende Sägen, sodaß in einer Viertelstunde drei Baumstämme in sechsunddreißig Bretter zerschnitten werden. Während diese Maschine die Stämme zersägt, treibt sie zugleich ein andres Rad, um dessen Achse ein Seil gewickelt ist, das auf diese Weise die Stämme an die Sägen heranzieht; mit geringer Anstrengung wird so in kurzer Zeit eine große Arbeit gethan. Ferner kommt Holz noch in Flößen hierher und wird von diesen in diejenigen Schneidemühlen geschafft, die am Rande eines von der Spree gebildeten Sumpfes und einer in ihn sich erstreckenden Landzunge liegen, also an einer Stelle, wo der Wind sehr sanft weht. Seine Kraft ist aber ganz außerordentlich; das merkt man, wenn man auf der Mühle herumgeht und sich die Maschine ansieht, am besten da, wo sich die Flügel drehen: infolge des Brausens des Windes und des Knirschens der Sägen scheint die Hölle entfesselt zu sein; sie ist übrigens sehr sehenswert. Die Mühle liegt eine drittel Meile von der Stadt entfernt; der Kurfürst verpachtet sie und zieht aus ihr 6000 Gulden jährlich. An dem Wege, der dorthin führt, ist, wie »och erwähnt werden mag, eine große Masse Brennholz aufgestapelt, das in Flößen und auf Kähnen hierher geschafft wird und seiner Feuergefährlichkeit wegen fern von der Stadt bleibt. Neben dem Georgsthor befindet sich ein Kollegium, worin die französischen Rvfugivs in ihrer Jngend Philosophie und andres treiben. Dicht daneben steht ein sehr schönes, für Tierhetzen neu erbautes Theater. Von seltenen Tieren ist gegenwärtig ein Ur da, d. h. ein wildlebender Stier, der an Gestalt unserm Hausrind gleicht, aber hochbeiniger ist und an den Wangen einen langbehaarten Auswuchs hat; seine Farbe ist dunkel, und die Hörner ähneln mehr denen unsrer Büffelkühe. Diese Tiere findet man in Preußen, wo sie in den Wäldern gejagt werden; es sollen äußerst wilde Tiere sein. Auch ich Das Stralauer Thor. Grenzboten I 18914

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/33>, abgerufen am 03.07.2024.