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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Berlin und sein Hof im Jahre

und Bürgermeister ist. Ich mietete das Zimmer für einen halben Thaler
ans den Tag; es standen darin zwei Betten, eins für mich und eins für die
Diener. Das Kostgeld für die Mahlzeit betrug für mich sechs, für die Be¬
dienten vier gute Groschen, also vierzig Groschen den Tag für drei Personen,
ohne Getränke. Es wohnten da auch der dänische Gesandte und ein Kommissar
des Königs von Schweden.

Berlin, die Hauptstadt der Markgrafschaft Brandenburg und kurfürstliche
Residenz, liegt in der Mittelmark, indem man dieses ganze Land in drei
Marken, nämlich in die Neu-, Alt- und Mittelmark teilt. Die Stadt liegt
unter der Polhöhe 52° 40', in einem fruchtbaren Landstrich; in ihrer Umgegend
finden sich einige Seen nud Wälder mit schönem Wildstand. Im ganzen
genommen ist sie sehr groß und hat eine zahlreiche Einwohnerschaft; diese soll
sich auf 100 000 Seelen belaufen und nimmt immer mehr zu, da das Volk
bester als von andern Fürsten behandelt wird. Es wird an 6000 hierher ge-
flüchtete französische Hugenotten geben; diese haben hier das Kunsthandwerk
eingeführt und weiter ausgebildet. Die Straßen sind gerade, laug und breit,
die Häuser schön und regelmäßig; überhaupt macht die Stadt einen sehr
freundlichen Eindruck und ist eine der ersten in Deutschland. Erwähnung
verdient eine wie eine Straße aussehende hölzerne Brücke, die einen Teil von
Berlin mit Köln verbindet und auf den Fischmarkt mündet.") Auf dieser
stehen Häuser, Kaufläden, Mühlen und Säulengänge, weshalb man gar nicht
erkennt, daß man es mit einer Brücke zu thun hat. Von der Spree wird
die Stadt in zwei Teile geschieden, von denen der eine Berlin, der andre mit
dem kurfürstlichen Schloß Köln genannt wird; beide verbindet eine schöne,
neue, steinerne Brücke, die mit schönen Mnrmorstatueu geschmückt ist, die
augenblicklich uoch nicht alle aufgestellt sind. Dadurch, saß der Fluß einige
Arme bildet, teilt er Köln wieder in zwei Hauptteile, die "Dorotheeu- oder
Neustadt" und die "Friedrichsstndt." In der Neustadt befindet sich eine lange,
breite Allee, auf der man im Sommer lustwandelt; auch die Kurfürstin er¬
scheint da, ich habe sie dort zu Wagen, von nur zwei Gardisten und einem
Pagen begleitet, gesehen. Sowohl die Neustadt, als auch die Friedrichsstadt sind
seit zwanzig Jahren erst erbaut, aber trotzdem sind die Häuser dort niedrig
und größtenteils in Fachwerk aufgeführt. In der Neustadt befindet sich der
neue Marstall des Kurfürsten, ein großes Gebäude, das Raum für vierhundert
Pferde hat. Neben diesem Teile Berlins erblickt man außerhalb der Mauern
einen großen, aus lauter Tannen bestehenden Park,"") mit breiten, langen nud
geraden Wegen, von denen einer nach Spandau führt, ein andrer die Land¬
straße nach Hamburg ist. I" diesem dem Volte uicht zugänglichen Park




*) Der bekannte Mühlendamm.
Den Tieraarten.
Berlin und sein Hof im Jahre

und Bürgermeister ist. Ich mietete das Zimmer für einen halben Thaler
ans den Tag; es standen darin zwei Betten, eins für mich und eins für die
Diener. Das Kostgeld für die Mahlzeit betrug für mich sechs, für die Be¬
dienten vier gute Groschen, also vierzig Groschen den Tag für drei Personen,
ohne Getränke. Es wohnten da auch der dänische Gesandte und ein Kommissar
des Königs von Schweden.

Berlin, die Hauptstadt der Markgrafschaft Brandenburg und kurfürstliche
Residenz, liegt in der Mittelmark, indem man dieses ganze Land in drei
Marken, nämlich in die Neu-, Alt- und Mittelmark teilt. Die Stadt liegt
unter der Polhöhe 52° 40', in einem fruchtbaren Landstrich; in ihrer Umgegend
finden sich einige Seen nud Wälder mit schönem Wildstand. Im ganzen
genommen ist sie sehr groß und hat eine zahlreiche Einwohnerschaft; diese soll
sich auf 100 000 Seelen belaufen und nimmt immer mehr zu, da das Volk
bester als von andern Fürsten behandelt wird. Es wird an 6000 hierher ge-
flüchtete französische Hugenotten geben; diese haben hier das Kunsthandwerk
eingeführt und weiter ausgebildet. Die Straßen sind gerade, laug und breit,
die Häuser schön und regelmäßig; überhaupt macht die Stadt einen sehr
freundlichen Eindruck und ist eine der ersten in Deutschland. Erwähnung
verdient eine wie eine Straße aussehende hölzerne Brücke, die einen Teil von
Berlin mit Köln verbindet und auf den Fischmarkt mündet.") Auf dieser
stehen Häuser, Kaufläden, Mühlen und Säulengänge, weshalb man gar nicht
erkennt, daß man es mit einer Brücke zu thun hat. Von der Spree wird
die Stadt in zwei Teile geschieden, von denen der eine Berlin, der andre mit
dem kurfürstlichen Schloß Köln genannt wird; beide verbindet eine schöne,
neue, steinerne Brücke, die mit schönen Mnrmorstatueu geschmückt ist, die
augenblicklich uoch nicht alle aufgestellt sind. Dadurch, saß der Fluß einige
Arme bildet, teilt er Köln wieder in zwei Hauptteile, die „Dorotheeu- oder
Neustadt" und die „Friedrichsstndt." In der Neustadt befindet sich eine lange,
breite Allee, auf der man im Sommer lustwandelt; auch die Kurfürstin er¬
scheint da, ich habe sie dort zu Wagen, von nur zwei Gardisten und einem
Pagen begleitet, gesehen. Sowohl die Neustadt, als auch die Friedrichsstadt sind
seit zwanzig Jahren erst erbaut, aber trotzdem sind die Häuser dort niedrig
und größtenteils in Fachwerk aufgeführt. In der Neustadt befindet sich der
neue Marstall des Kurfürsten, ein großes Gebäude, das Raum für vierhundert
Pferde hat. Neben diesem Teile Berlins erblickt man außerhalb der Mauern
einen großen, aus lauter Tannen bestehenden Park,"") mit breiten, langen nud
geraden Wegen, von denen einer nach Spandau führt, ein andrer die Land¬
straße nach Hamburg ist. I» diesem dem Volte uicht zugänglichen Park




*) Der bekannte Mühlendamm.
Den Tieraarten.
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[0031] Berlin und sein Hof im Jahre und Bürgermeister ist. Ich mietete das Zimmer für einen halben Thaler ans den Tag; es standen darin zwei Betten, eins für mich und eins für die Diener. Das Kostgeld für die Mahlzeit betrug für mich sechs, für die Be¬ dienten vier gute Groschen, also vierzig Groschen den Tag für drei Personen, ohne Getränke. Es wohnten da auch der dänische Gesandte und ein Kommissar des Königs von Schweden. Berlin, die Hauptstadt der Markgrafschaft Brandenburg und kurfürstliche Residenz, liegt in der Mittelmark, indem man dieses ganze Land in drei Marken, nämlich in die Neu-, Alt- und Mittelmark teilt. Die Stadt liegt unter der Polhöhe 52° 40', in einem fruchtbaren Landstrich; in ihrer Umgegend finden sich einige Seen nud Wälder mit schönem Wildstand. Im ganzen genommen ist sie sehr groß und hat eine zahlreiche Einwohnerschaft; diese soll sich auf 100 000 Seelen belaufen und nimmt immer mehr zu, da das Volk bester als von andern Fürsten behandelt wird. Es wird an 6000 hierher ge- flüchtete französische Hugenotten geben; diese haben hier das Kunsthandwerk eingeführt und weiter ausgebildet. Die Straßen sind gerade, laug und breit, die Häuser schön und regelmäßig; überhaupt macht die Stadt einen sehr freundlichen Eindruck und ist eine der ersten in Deutschland. Erwähnung verdient eine wie eine Straße aussehende hölzerne Brücke, die einen Teil von Berlin mit Köln verbindet und auf den Fischmarkt mündet.") Auf dieser stehen Häuser, Kaufläden, Mühlen und Säulengänge, weshalb man gar nicht erkennt, daß man es mit einer Brücke zu thun hat. Von der Spree wird die Stadt in zwei Teile geschieden, von denen der eine Berlin, der andre mit dem kurfürstlichen Schloß Köln genannt wird; beide verbindet eine schöne, neue, steinerne Brücke, die mit schönen Mnrmorstatueu geschmückt ist, die augenblicklich uoch nicht alle aufgestellt sind. Dadurch, saß der Fluß einige Arme bildet, teilt er Köln wieder in zwei Hauptteile, die „Dorotheeu- oder Neustadt" und die „Friedrichsstndt." In der Neustadt befindet sich eine lange, breite Allee, auf der man im Sommer lustwandelt; auch die Kurfürstin er¬ scheint da, ich habe sie dort zu Wagen, von nur zwei Gardisten und einem Pagen begleitet, gesehen. Sowohl die Neustadt, als auch die Friedrichsstadt sind seit zwanzig Jahren erst erbaut, aber trotzdem sind die Häuser dort niedrig und größtenteils in Fachwerk aufgeführt. In der Neustadt befindet sich der neue Marstall des Kurfürsten, ein großes Gebäude, das Raum für vierhundert Pferde hat. Neben diesem Teile Berlins erblickt man außerhalb der Mauern einen großen, aus lauter Tannen bestehenden Park,"") mit breiten, langen nud geraden Wegen, von denen einer nach Spandau führt, ein andrer die Land¬ straße nach Hamburg ist. I» diesem dem Volte uicht zugänglichen Park *) Der bekannte Mühlendamm. Den Tieraarten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/31>, abgerufen am 22.07.2024.