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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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handelte Städtebilder gern ausgeschieden und zu einem besondern Abschnitt
zusammengestellt. Es giebt sogar Antiquare, die sich besonders auf dieses Ge¬
biet geworfen haben, sie wenden sich oft mit Angeboten unmittelbar an die
städtischen Behörden, an die städtischen Archive, an die Stadtbibliotheken, an
die örtlichen Geschichts- und Altertumsvereine -- kurz, es hat sich da eine
Thätigkeit entwickelt, über die man sich uur freuen könnte, wenn sie nicht auch
etwas Bedauerliches im Gefolge hätte: es ist uümlich, um dieser Liebhaberei zu
dienen oder sie anzustacheln, ganz offenbar schon eine beträchtliche Anzahl von
Exemplaren illustrirter geographischer, topographischer und historischer Pracht-
Werke aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, wie von Brauns und
Hogeubergs Städtebund, Merians Topographieeu, dem Ibeatruin, HuroMönin
und andern, von den Antiquaren zerschnitten und ausgeschlachtet worden. Na¬
türlich: für eiuen Band Merian kann man höchstens 35 bis 45 Mark ver¬
langen. Zerstört mau den Band, schneidet die Stadtplüne und Stadt-
cmsichteu heraus, so kann man, wenn man nur die Abnehmer zu finden weiß,
leicht ein paar hundert Mark damit verdienen. Wo aber das Geld lockt, dn
schwindet alle Pietät. Handelte sichs nur um unvollständige und deshalb
weniger wertvolle Exemplare, so möchte es ja hingehen. Aber es werden
ohne Zweifel auch ganz vollständige, tadellose Exemplare verwüstet. Nur die
Annahme, daß wohl die meisten unsrer großen öffentlichen Bibliotheken voll¬
ständige Exemplare dieser Werke besitzen, kann einigermaßen über diese Vor¬
gänge auf dem antiquarischen Büchermarkte trösten.

Es ist zu verwundern, daß man sich die bequemen und sichern Nepro-
dnktionsverfahren, die uns jetzt zur Verfügung stehen, noch nicht in größerm
Maßstabe zur Nachbildung solcher alten Städteansichteu zu Nutze gemacht hat.
Es sind wohl vereinzelt in ortsgeschichtlichen Werken auch alte Stüdtebilder in
Lichtdruck oder in Zinkätzung nachgebildet worden, aber den Versuch, eine
größere Reihe von ältern Abbildungen einer Stadt getreu nachbilden zu lassen
und nach der Zeitfolge geordnet zu einem Atlas zu vereinigen, der die Ent¬
wicklungsgeschichte des Stadtbildes gleichsam in Bildern erzählt, hat meines
Wissens noch niemand gemacht. Ich habe es jetzt einmal für Leipzig versucht.*)
Der Atlas, den ich zusammengestellt habe, enthält auf 70 Tafeln gegen
100 Abbildungen von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten
Jahrhunderts. Darunter sind 3 Stadtplüne, 16 Ansichten der ganzen Stadt,
aus älterer Zeit namentlich Ansichten aus der Vogelschau, 30 Ansichten ein¬
zelner Stadtteile, 16 Abbildungen öffentlicher Gebäude, 12 Abbildungen von
Privatgebäuden, 5 Innenansichten und 11 Pläne und Abbildungen von Gärten



*) Leipzig durch drei Jahrhunderte. Ein Atlas zur Geschichte des Leipziger
Stadtbildes im sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Herausgegeben von
Dr. Gustav Wustmanu, Stadtbibliothekar und Direktor des Ratsarchivs in Leipzig.
(Leipzig, in Kommission bei Duncker und Humblot, 1891.)
Grenzboten I 1891 28
Lin topographischer Atlas von Leipzig

handelte Städtebilder gern ausgeschieden und zu einem besondern Abschnitt
zusammengestellt. Es giebt sogar Antiquare, die sich besonders auf dieses Ge¬
biet geworfen haben, sie wenden sich oft mit Angeboten unmittelbar an die
städtischen Behörden, an die städtischen Archive, an die Stadtbibliotheken, an
die örtlichen Geschichts- und Altertumsvereine — kurz, es hat sich da eine
Thätigkeit entwickelt, über die man sich uur freuen könnte, wenn sie nicht auch
etwas Bedauerliches im Gefolge hätte: es ist uümlich, um dieser Liebhaberei zu
dienen oder sie anzustacheln, ganz offenbar schon eine beträchtliche Anzahl von
Exemplaren illustrirter geographischer, topographischer und historischer Pracht-
Werke aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, wie von Brauns und
Hogeubergs Städtebund, Merians Topographieeu, dem Ibeatruin, HuroMönin
und andern, von den Antiquaren zerschnitten und ausgeschlachtet worden. Na¬
türlich: für eiuen Band Merian kann man höchstens 35 bis 45 Mark ver¬
langen. Zerstört mau den Band, schneidet die Stadtplüne und Stadt-
cmsichteu heraus, so kann man, wenn man nur die Abnehmer zu finden weiß,
leicht ein paar hundert Mark damit verdienen. Wo aber das Geld lockt, dn
schwindet alle Pietät. Handelte sichs nur um unvollständige und deshalb
weniger wertvolle Exemplare, so möchte es ja hingehen. Aber es werden
ohne Zweifel auch ganz vollständige, tadellose Exemplare verwüstet. Nur die
Annahme, daß wohl die meisten unsrer großen öffentlichen Bibliotheken voll¬
ständige Exemplare dieser Werke besitzen, kann einigermaßen über diese Vor¬
gänge auf dem antiquarischen Büchermarkte trösten.

Es ist zu verwundern, daß man sich die bequemen und sichern Nepro-
dnktionsverfahren, die uns jetzt zur Verfügung stehen, noch nicht in größerm
Maßstabe zur Nachbildung solcher alten Städteansichteu zu Nutze gemacht hat.
Es sind wohl vereinzelt in ortsgeschichtlichen Werken auch alte Stüdtebilder in
Lichtdruck oder in Zinkätzung nachgebildet worden, aber den Versuch, eine
größere Reihe von ältern Abbildungen einer Stadt getreu nachbilden zu lassen
und nach der Zeitfolge geordnet zu einem Atlas zu vereinigen, der die Ent¬
wicklungsgeschichte des Stadtbildes gleichsam in Bildern erzählt, hat meines
Wissens noch niemand gemacht. Ich habe es jetzt einmal für Leipzig versucht.*)
Der Atlas, den ich zusammengestellt habe, enthält auf 70 Tafeln gegen
100 Abbildungen von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten
Jahrhunderts. Darunter sind 3 Stadtplüne, 16 Ansichten der ganzen Stadt,
aus älterer Zeit namentlich Ansichten aus der Vogelschau, 30 Ansichten ein¬
zelner Stadtteile, 16 Abbildungen öffentlicher Gebäude, 12 Abbildungen von
Privatgebäuden, 5 Innenansichten und 11 Pläne und Abbildungen von Gärten



*) Leipzig durch drei Jahrhunderte. Ein Atlas zur Geschichte des Leipziger
Stadtbildes im sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Herausgegeben von
Dr. Gustav Wustmanu, Stadtbibliothekar und Direktor des Ratsarchivs in Leipzig.
(Leipzig, in Kommission bei Duncker und Humblot, 1891.)
Grenzboten I 1891 28
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[0225] Lin topographischer Atlas von Leipzig handelte Städtebilder gern ausgeschieden und zu einem besondern Abschnitt zusammengestellt. Es giebt sogar Antiquare, die sich besonders auf dieses Ge¬ biet geworfen haben, sie wenden sich oft mit Angeboten unmittelbar an die städtischen Behörden, an die städtischen Archive, an die Stadtbibliotheken, an die örtlichen Geschichts- und Altertumsvereine — kurz, es hat sich da eine Thätigkeit entwickelt, über die man sich uur freuen könnte, wenn sie nicht auch etwas Bedauerliches im Gefolge hätte: es ist uümlich, um dieser Liebhaberei zu dienen oder sie anzustacheln, ganz offenbar schon eine beträchtliche Anzahl von Exemplaren illustrirter geographischer, topographischer und historischer Pracht- Werke aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, wie von Brauns und Hogeubergs Städtebund, Merians Topographieeu, dem Ibeatruin, HuroMönin und andern, von den Antiquaren zerschnitten und ausgeschlachtet worden. Na¬ türlich: für eiuen Band Merian kann man höchstens 35 bis 45 Mark ver¬ langen. Zerstört mau den Band, schneidet die Stadtplüne und Stadt- cmsichteu heraus, so kann man, wenn man nur die Abnehmer zu finden weiß, leicht ein paar hundert Mark damit verdienen. Wo aber das Geld lockt, dn schwindet alle Pietät. Handelte sichs nur um unvollständige und deshalb weniger wertvolle Exemplare, so möchte es ja hingehen. Aber es werden ohne Zweifel auch ganz vollständige, tadellose Exemplare verwüstet. Nur die Annahme, daß wohl die meisten unsrer großen öffentlichen Bibliotheken voll¬ ständige Exemplare dieser Werke besitzen, kann einigermaßen über diese Vor¬ gänge auf dem antiquarischen Büchermarkte trösten. Es ist zu verwundern, daß man sich die bequemen und sichern Nepro- dnktionsverfahren, die uns jetzt zur Verfügung stehen, noch nicht in größerm Maßstabe zur Nachbildung solcher alten Städteansichteu zu Nutze gemacht hat. Es sind wohl vereinzelt in ortsgeschichtlichen Werken auch alte Stüdtebilder in Lichtdruck oder in Zinkätzung nachgebildet worden, aber den Versuch, eine größere Reihe von ältern Abbildungen einer Stadt getreu nachbilden zu lassen und nach der Zeitfolge geordnet zu einem Atlas zu vereinigen, der die Ent¬ wicklungsgeschichte des Stadtbildes gleichsam in Bildern erzählt, hat meines Wissens noch niemand gemacht. Ich habe es jetzt einmal für Leipzig versucht.*) Der Atlas, den ich zusammengestellt habe, enthält auf 70 Tafeln gegen 100 Abbildungen von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Darunter sind 3 Stadtplüne, 16 Ansichten der ganzen Stadt, aus älterer Zeit namentlich Ansichten aus der Vogelschau, 30 Ansichten ein¬ zelner Stadtteile, 16 Abbildungen öffentlicher Gebäude, 12 Abbildungen von Privatgebäuden, 5 Innenansichten und 11 Pläne und Abbildungen von Gärten *) Leipzig durch drei Jahrhunderte. Ein Atlas zur Geschichte des Leipziger Stadtbildes im sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Herausgegeben von Dr. Gustav Wustmanu, Stadtbibliothekar und Direktor des Ratsarchivs in Leipzig. (Leipzig, in Kommission bei Duncker und Humblot, 1891.) Grenzboten I 1891 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/225>, abgerufen am 23.07.2024.