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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Rirchenpolitik des Großen Kurfürsten

berg fortzuschaffen.. Auch wird der katholische Statthalter, obschon er "freuud-
oheimlich" ersucht worden war, gerade keine sehr große Eile gehabt haben,
dem Ersuchen nachzukommen. Voller Ernst mit dem Verjagen der Jesuiten
wurde vom Kurfürsten aber gemacht, nachdem in Frankreich 1685 das Edikt
von Nantes aufgehoben und die Hugenotten vernichtet worden waren. Da
wurde auch Friedrich Wilhelm von dem stürmischen Unwillen ergriffen, der
damals alle protestantischen Herzen durchbrauste. Er, dessen Gerechtigkeit
auch gegen seine katholischen Unterthanen manchmal der Hierarchie die Mög¬
lichkeit vorgespiegelt hatte, es könnte am Ende auch dieser Fürst wieder in
den Schoß der allein seligmachenden Kirche zurückgeführt werden, neigte sich
jetzt zu Gegenmaßregeln, um der Ausbreitung der katholischen Kirche
in seinen Landen zu wehren. Dahin gehört nnn auch die scharfe Instruktion
nach Königsberg zur Verjagung der Jesuiten: "Nachdem weltkundig ist, welcher
Gestalt Unsere unter römisch-katholischen Königen und Potentaten sich be¬
findenden Evangelische Glaubensgenossen hin und wieder aufs härteste und
grausamste verfolget und bedränget werden, auch, ohnerachtet dieselbe klare
und teils mit teuren Eidschwüren bekräftigte OonoELsiones und Läivt-i ihres
Lxvroitii rvligivllis halben für sich haben, gleichwohl darauf nicht die aller¬
geringste Reflexion genommen, sondern vielmehr im Gegenteil dieselbe (lireeto
und ungescheuet gebrochen, violiret und aufgehoben werden: so wird Uns ver-
hosfentlich auch niemand zumuten können, daß Wir gedachte ^vsnitsr, welche
ihr dortiges Etablissement nullo titulo justisiziren können, sondern ox nieru,
gru.t,in daselbst bis anhero toleriret worden, noch ferner allda dulden sollten.
Gestalt Wir denn auch dnunenhero festiglich entschlossen sein, Unsere diesfalls
vorlciugft gcfassete Resolution nunmehro fördcrsamst zu vollstrecken und gedachte
.lssuitsr von dort wirklich wegzuschaffen." Auch der Gottesdienst der katho¬
lischen kaiserlichen und königlichen Gesandtschaften in Berlin wurde eingeschränkt,
so weit es anging. Er ließ ihnen durch seinen Hofmarschall hinterbringen,
"daß Wir zwar ihnen und ihren Domssticiruzu und Bedienten das üxöieiUunr
ihrer Religion ferner und noch zur Zeit verstatte" wollen; daß aber ein öffent¬
liches KxLroitmm daraus gemacht, und andere, Auswärtige sowohl als Unter¬
thanen, Einwohner und Bürger Unserer Residenzstädte und Lande dazu ad-
mittiret würden, solches könnten wir keineswegs ferner zugeben." Die
Bitterkeit seiner Stimmung gegen die römisch-katholische Kirche war damals
so groß, daß er den starr konfessionellen lutherischen Kurfürsten von Sachsen,
Johann Georg III., zu einträchtigen Zusammengehen mit den Reformirten
aufs dringendste einlud. Dieses Schreiben vom 11. Juli 1687 ist von einer
Kraft und Hoheit, von einer Frömmigkeit und religiösen Unbefangenheit, wie
man es in seinen Tagen in der ganzen Welt nicht zum zweitenmale findet,
ein Unionsdenkmal um mehr als ein ganzes Jahrhundert voraus vor der
Union. Es verlangt Eintracht der Lutherischen und der Reformirten, will als


Die Rirchenpolitik des Großen Kurfürsten

berg fortzuschaffen.. Auch wird der katholische Statthalter, obschon er „freuud-
oheimlich" ersucht worden war, gerade keine sehr große Eile gehabt haben,
dem Ersuchen nachzukommen. Voller Ernst mit dem Verjagen der Jesuiten
wurde vom Kurfürsten aber gemacht, nachdem in Frankreich 1685 das Edikt
von Nantes aufgehoben und die Hugenotten vernichtet worden waren. Da
wurde auch Friedrich Wilhelm von dem stürmischen Unwillen ergriffen, der
damals alle protestantischen Herzen durchbrauste. Er, dessen Gerechtigkeit
auch gegen seine katholischen Unterthanen manchmal der Hierarchie die Mög¬
lichkeit vorgespiegelt hatte, es könnte am Ende auch dieser Fürst wieder in
den Schoß der allein seligmachenden Kirche zurückgeführt werden, neigte sich
jetzt zu Gegenmaßregeln, um der Ausbreitung der katholischen Kirche
in seinen Landen zu wehren. Dahin gehört nnn auch die scharfe Instruktion
nach Königsberg zur Verjagung der Jesuiten: „Nachdem weltkundig ist, welcher
Gestalt Unsere unter römisch-katholischen Königen und Potentaten sich be¬
findenden Evangelische Glaubensgenossen hin und wieder aufs härteste und
grausamste verfolget und bedränget werden, auch, ohnerachtet dieselbe klare
und teils mit teuren Eidschwüren bekräftigte OonoELsiones und Läivt-i ihres
Lxvroitii rvligivllis halben für sich haben, gleichwohl darauf nicht die aller¬
geringste Reflexion genommen, sondern vielmehr im Gegenteil dieselbe (lireeto
und ungescheuet gebrochen, violiret und aufgehoben werden: so wird Uns ver-
hosfentlich auch niemand zumuten können, daß Wir gedachte ^vsnitsr, welche
ihr dortiges Etablissement nullo titulo justisiziren können, sondern ox nieru,
gru.t,in daselbst bis anhero toleriret worden, noch ferner allda dulden sollten.
Gestalt Wir denn auch dnunenhero festiglich entschlossen sein, Unsere diesfalls
vorlciugft gcfassete Resolution nunmehro fördcrsamst zu vollstrecken und gedachte
.lssuitsr von dort wirklich wegzuschaffen." Auch der Gottesdienst der katho¬
lischen kaiserlichen und königlichen Gesandtschaften in Berlin wurde eingeschränkt,
so weit es anging. Er ließ ihnen durch seinen Hofmarschall hinterbringen,
„daß Wir zwar ihnen und ihren Domssticiruzu und Bedienten das üxöieiUunr
ihrer Religion ferner und noch zur Zeit verstatte» wollen; daß aber ein öffent¬
liches KxLroitmm daraus gemacht, und andere, Auswärtige sowohl als Unter¬
thanen, Einwohner und Bürger Unserer Residenzstädte und Lande dazu ad-
mittiret würden, solches könnten wir keineswegs ferner zugeben." Die
Bitterkeit seiner Stimmung gegen die römisch-katholische Kirche war damals
so groß, daß er den starr konfessionellen lutherischen Kurfürsten von Sachsen,
Johann Georg III., zu einträchtigen Zusammengehen mit den Reformirten
aufs dringendste einlud. Dieses Schreiben vom 11. Juli 1687 ist von einer
Kraft und Hoheit, von einer Frömmigkeit und religiösen Unbefangenheit, wie
man es in seinen Tagen in der ganzen Welt nicht zum zweitenmale findet,
ein Unionsdenkmal um mehr als ein ganzes Jahrhundert voraus vor der
Union. Es verlangt Eintracht der Lutherischen und der Reformirten, will als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/222>, abgerufen am 23.07.2024.