Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

und zu bestrafen," In gemischten Ehen wollte er es so gehalten haben, wie
es "der Billigkeit am ähnlichsten ist, daß im Fall in den Ehepakten ein anders
nicht versehen oder auch sie, die Eheleute, sich nicht von selbsten gütlich ver¬
gleichen, die Söhne in des Vaters und die Tochter in der Mutter Religion
anfänglich unterwiesen und erzogen werden, bis sie zu ihrem Alter und ver¬
ständlichen Jahren kommen, dn denn einem jeden zu der Religion, wozu ihn
sein Gewissen antreibet, ohne Zwang zu treten freistehet,"

Ans solchen Grundsätzen und Bestimmungen sieht man, was es doch für
ein großer Segen mit diesem Summepiskopat, diesem sogenannten Notbischoftnm
des Landesherrn war, und was es Vonseiten der Protestanten für eine Thor¬
heit ist, heutzutage nach der sogenannten Selbständigkeit der Kirche auszulaugen.
Die Einordnung der Kirche in den Staat, die mit dem landesfürstliche"
Summepiskopat stattfand, war ein segensreicher geschichtlicher Vorgang, der
dem Hierarchcntum ein Ende machte. Auch vor dem Richterstuhle der Geschichte
geschah der Übergang zur Administration der kirchlichen Sachen auf die welt¬
liche Obrigkeit furo clivino. Von solchem ju" <livmum war auch der Kurfürst
fest überzeugt. "ES ist genugsam bekannt, daß zuvörderst suru clivino die
Sorge und Administration der Religion und geistlichen Sachen einem zeit¬
lichen Landesherrn .jure Mvstatis " Dvo ixsi oonoessae inknmbiret." Und
er hielt scharf darauf, "daß uns alle diejenigen jüm., Hoheiten und Befugnisse,
welche die vorigen Bischöfe in vvolkLiastiois gehabt, unverrückt verbleiben."
Wo wäre unter einer geistlichen Herrschaft irgendwelchen Bekenntnisses eine
Freiheit möglich gewesen, wie sie z. B. die Bestimmung in dem Nezeß von
1666 festsetzt: "Niemand, er sei geistlich oder weltlich, soll der evangelischen
oder katholischen Religion halber (er sei darin geboren oder habe dieselbe vor
kurz oder laug angenommen) verfolget, weniger aus einer Stadt, Dorf oder
dem Land zu emigriren genötigt werden." Solche menschlichere Grundsätze
in einer durch konfessionelle Verbitterung und geistlichen Haß unbarmherzig
gewordenen Zeit konnte nur die absolute Gewalt eines verständigen weltlichen
Fürsten durchführen, der sich von der geistlichen Gewalt aufrichtig freigemacht
hatte. Wie stach doch, um nur das eine zu erwähnen, die unbedingte kirchliche
Freizügigkeit, wie sie der Kurfürst seinen Unterthanen gewährte, so gewaltig
ub von den Ausweisungen der Nichtkatholiten, die die katholischen Mächte, ja
selbst die pfalzgräfliche Negierung vornahm, welche doch so viel Rücksicht auf
den Kurfürsten zu nehmen hatte und durch Verträge zur gleichen Behandlung
der Katholischen und der Evangelischen gegen ihn gebunden war. Hatte doch
diese Regierung in Remagen die Frau eines Reformirte" verjagt, weil ihr
Mann sie nach 1651 geheiratet hatte, stellte sie doch an Handwerker, die sich
im kurpfälzischen Gebiete niederlassen wollten, die Forderung, erst katholisch
zu werden. Es war darum von großem Segen und ein Gewinn für die
Freiheit, daß der Kurfürst sein bischöfliches Amt in seineu Landen mit Strenge


Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

und zu bestrafen," In gemischten Ehen wollte er es so gehalten haben, wie
es „der Billigkeit am ähnlichsten ist, daß im Fall in den Ehepakten ein anders
nicht versehen oder auch sie, die Eheleute, sich nicht von selbsten gütlich ver¬
gleichen, die Söhne in des Vaters und die Tochter in der Mutter Religion
anfänglich unterwiesen und erzogen werden, bis sie zu ihrem Alter und ver¬
ständlichen Jahren kommen, dn denn einem jeden zu der Religion, wozu ihn
sein Gewissen antreibet, ohne Zwang zu treten freistehet,"

Ans solchen Grundsätzen und Bestimmungen sieht man, was es doch für
ein großer Segen mit diesem Summepiskopat, diesem sogenannten Notbischoftnm
des Landesherrn war, und was es Vonseiten der Protestanten für eine Thor¬
heit ist, heutzutage nach der sogenannten Selbständigkeit der Kirche auszulaugen.
Die Einordnung der Kirche in den Staat, die mit dem landesfürstliche»
Summepiskopat stattfand, war ein segensreicher geschichtlicher Vorgang, der
dem Hierarchcntum ein Ende machte. Auch vor dem Richterstuhle der Geschichte
geschah der Übergang zur Administration der kirchlichen Sachen auf die welt¬
liche Obrigkeit furo clivino. Von solchem ju« <livmum war auch der Kurfürst
fest überzeugt. „ES ist genugsam bekannt, daß zuvörderst suru clivino die
Sorge und Administration der Religion und geistlichen Sachen einem zeit¬
lichen Landesherrn .jure Mvstatis » Dvo ixsi oonoessae inknmbiret." Und
er hielt scharf darauf, „daß uns alle diejenigen jüm., Hoheiten und Befugnisse,
welche die vorigen Bischöfe in vvolkLiastiois gehabt, unverrückt verbleiben."
Wo wäre unter einer geistlichen Herrschaft irgendwelchen Bekenntnisses eine
Freiheit möglich gewesen, wie sie z. B. die Bestimmung in dem Nezeß von
1666 festsetzt: „Niemand, er sei geistlich oder weltlich, soll der evangelischen
oder katholischen Religion halber (er sei darin geboren oder habe dieselbe vor
kurz oder laug angenommen) verfolget, weniger aus einer Stadt, Dorf oder
dem Land zu emigriren genötigt werden." Solche menschlichere Grundsätze
in einer durch konfessionelle Verbitterung und geistlichen Haß unbarmherzig
gewordenen Zeit konnte nur die absolute Gewalt eines verständigen weltlichen
Fürsten durchführen, der sich von der geistlichen Gewalt aufrichtig freigemacht
hatte. Wie stach doch, um nur das eine zu erwähnen, die unbedingte kirchliche
Freizügigkeit, wie sie der Kurfürst seinen Unterthanen gewährte, so gewaltig
ub von den Ausweisungen der Nichtkatholiten, die die katholischen Mächte, ja
selbst die pfalzgräfliche Negierung vornahm, welche doch so viel Rücksicht auf
den Kurfürsten zu nehmen hatte und durch Verträge zur gleichen Behandlung
der Katholischen und der Evangelischen gegen ihn gebunden war. Hatte doch
diese Regierung in Remagen die Frau eines Reformirte» verjagt, weil ihr
Mann sie nach 1651 geheiratet hatte, stellte sie doch an Handwerker, die sich
im kurpfälzischen Gebiete niederlassen wollten, die Forderung, erst katholisch
zu werden. Es war darum von großem Segen und ein Gewinn für die
Freiheit, daß der Kurfürst sein bischöfliches Amt in seineu Landen mit Strenge


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209453"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_623" prev="#ID_622"> und zu bestrafen," In gemischten Ehen wollte er es so gehalten haben, wie<lb/>
es &#x201E;der Billigkeit am ähnlichsten ist, daß im Fall in den Ehepakten ein anders<lb/>
nicht versehen oder auch sie, die Eheleute, sich nicht von selbsten gütlich ver¬<lb/>
gleichen, die Söhne in des Vaters und die Tochter in der Mutter Religion<lb/>
anfänglich unterwiesen und erzogen werden, bis sie zu ihrem Alter und ver¬<lb/>
ständlichen Jahren kommen, dn denn einem jeden zu der Religion, wozu ihn<lb/>
sein Gewissen antreibet, ohne Zwang zu treten freistehet,"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_624" next="#ID_625"> Ans solchen Grundsätzen und Bestimmungen sieht man, was es doch für<lb/>
ein großer Segen mit diesem Summepiskopat, diesem sogenannten Notbischoftnm<lb/>
des Landesherrn war, und was es Vonseiten der Protestanten für eine Thor¬<lb/>
heit ist, heutzutage nach der sogenannten Selbständigkeit der Kirche auszulaugen.<lb/>
Die Einordnung der Kirche in den Staat, die mit dem landesfürstliche»<lb/>
Summepiskopat stattfand, war ein segensreicher geschichtlicher Vorgang, der<lb/>
dem Hierarchcntum ein Ende machte. Auch vor dem Richterstuhle der Geschichte<lb/>
geschah der Übergang zur Administration der kirchlichen Sachen auf die welt¬<lb/>
liche Obrigkeit furo clivino. Von solchem ju« &lt;livmum war auch der Kurfürst<lb/>
fest überzeugt. &#x201E;ES ist genugsam bekannt, daß zuvörderst suru clivino die<lb/>
Sorge und Administration der Religion und geistlichen Sachen einem zeit¬<lb/>
lichen Landesherrn .jure Mvstatis » Dvo ixsi oonoessae inknmbiret." Und<lb/>
er hielt scharf darauf, &#x201E;daß uns alle diejenigen jüm., Hoheiten und Befugnisse,<lb/>
welche die vorigen Bischöfe in vvolkLiastiois gehabt, unverrückt verbleiben."<lb/>
Wo wäre unter einer geistlichen Herrschaft irgendwelchen Bekenntnisses eine<lb/>
Freiheit möglich gewesen, wie sie z. B. die Bestimmung in dem Nezeß von<lb/>
1666 festsetzt: &#x201E;Niemand, er sei geistlich oder weltlich, soll der evangelischen<lb/>
oder katholischen Religion halber (er sei darin geboren oder habe dieselbe vor<lb/>
kurz oder laug angenommen) verfolget, weniger aus einer Stadt, Dorf oder<lb/>
dem Land zu emigriren genötigt werden." Solche menschlichere Grundsätze<lb/>
in einer durch konfessionelle Verbitterung und geistlichen Haß unbarmherzig<lb/>
gewordenen Zeit konnte nur die absolute Gewalt eines verständigen weltlichen<lb/>
Fürsten durchführen, der sich von der geistlichen Gewalt aufrichtig freigemacht<lb/>
hatte. Wie stach doch, um nur das eine zu erwähnen, die unbedingte kirchliche<lb/>
Freizügigkeit, wie sie der Kurfürst seinen Unterthanen gewährte, so gewaltig<lb/>
ub von den Ausweisungen der Nichtkatholiten, die die katholischen Mächte, ja<lb/>
selbst die pfalzgräfliche Negierung vornahm, welche doch so viel Rücksicht auf<lb/>
den Kurfürsten zu nehmen hatte und durch Verträge zur gleichen Behandlung<lb/>
der Katholischen und der Evangelischen gegen ihn gebunden war. Hatte doch<lb/>
diese Regierung in Remagen die Frau eines Reformirte» verjagt, weil ihr<lb/>
Mann sie nach 1651 geheiratet hatte, stellte sie doch an Handwerker, die sich<lb/>
im kurpfälzischen Gebiete niederlassen wollten, die Forderung, erst katholisch<lb/>
zu werden. Es war darum von großem Segen und ein Gewinn für die<lb/>
Freiheit, daß der Kurfürst sein bischöfliches Amt in seineu Landen mit Strenge</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0220] Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten und zu bestrafen," In gemischten Ehen wollte er es so gehalten haben, wie es „der Billigkeit am ähnlichsten ist, daß im Fall in den Ehepakten ein anders nicht versehen oder auch sie, die Eheleute, sich nicht von selbsten gütlich ver¬ gleichen, die Söhne in des Vaters und die Tochter in der Mutter Religion anfänglich unterwiesen und erzogen werden, bis sie zu ihrem Alter und ver¬ ständlichen Jahren kommen, dn denn einem jeden zu der Religion, wozu ihn sein Gewissen antreibet, ohne Zwang zu treten freistehet," Ans solchen Grundsätzen und Bestimmungen sieht man, was es doch für ein großer Segen mit diesem Summepiskopat, diesem sogenannten Notbischoftnm des Landesherrn war, und was es Vonseiten der Protestanten für eine Thor¬ heit ist, heutzutage nach der sogenannten Selbständigkeit der Kirche auszulaugen. Die Einordnung der Kirche in den Staat, die mit dem landesfürstliche» Summepiskopat stattfand, war ein segensreicher geschichtlicher Vorgang, der dem Hierarchcntum ein Ende machte. Auch vor dem Richterstuhle der Geschichte geschah der Übergang zur Administration der kirchlichen Sachen auf die welt¬ liche Obrigkeit furo clivino. Von solchem ju« <livmum war auch der Kurfürst fest überzeugt. „ES ist genugsam bekannt, daß zuvörderst suru clivino die Sorge und Administration der Religion und geistlichen Sachen einem zeit¬ lichen Landesherrn .jure Mvstatis » Dvo ixsi oonoessae inknmbiret." Und er hielt scharf darauf, „daß uns alle diejenigen jüm., Hoheiten und Befugnisse, welche die vorigen Bischöfe in vvolkLiastiois gehabt, unverrückt verbleiben." Wo wäre unter einer geistlichen Herrschaft irgendwelchen Bekenntnisses eine Freiheit möglich gewesen, wie sie z. B. die Bestimmung in dem Nezeß von 1666 festsetzt: „Niemand, er sei geistlich oder weltlich, soll der evangelischen oder katholischen Religion halber (er sei darin geboren oder habe dieselbe vor kurz oder laug angenommen) verfolget, weniger aus einer Stadt, Dorf oder dem Land zu emigriren genötigt werden." Solche menschlichere Grundsätze in einer durch konfessionelle Verbitterung und geistlichen Haß unbarmherzig gewordenen Zeit konnte nur die absolute Gewalt eines verständigen weltlichen Fürsten durchführen, der sich von der geistlichen Gewalt aufrichtig freigemacht hatte. Wie stach doch, um nur das eine zu erwähnen, die unbedingte kirchliche Freizügigkeit, wie sie der Kurfürst seinen Unterthanen gewährte, so gewaltig ub von den Ausweisungen der Nichtkatholiten, die die katholischen Mächte, ja selbst die pfalzgräfliche Negierung vornahm, welche doch so viel Rücksicht auf den Kurfürsten zu nehmen hatte und durch Verträge zur gleichen Behandlung der Katholischen und der Evangelischen gegen ihn gebunden war. Hatte doch diese Regierung in Remagen die Frau eines Reformirte» verjagt, weil ihr Mann sie nach 1651 geheiratet hatte, stellte sie doch an Handwerker, die sich im kurpfälzischen Gebiete niederlassen wollten, die Forderung, erst katholisch zu werden. Es war darum von großem Segen und ein Gewinn für die Freiheit, daß der Kurfürst sein bischöfliches Amt in seineu Landen mit Strenge

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/220
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/220>, abgerufen am 23.07.2024.