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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

Hierarchie im bürgerlichen Gemeinwesen etwa aufgekommen ist. "Was wider
Gott ist und den Menschen schädlich an Leib und Seele, hat nicht allein eine
jegliche Gemeine, Rat oder Obrigkeit Gewalt abzuthun und zu wehren, ohne
Wissen und Willen des Papstes oder Bischofs, ja ist auch schuldig bei seiner
Seelen Seligkeit, dasselbe zu wehren, ob es gleich Papst und Bischof nicht
wollten/' Dieselbe Überzeugung von der Aufgabe der weltlichen Gewalt hatte
der Kurfürst. In seinein Testament von 1667 ermahnt er seine Nachfolger,
denjenigen römisch-katholischen Geistlichen, die "des Papstes und der Bischöfe
Bullen, Dekreten und Befehl nicht Pariren, sondern sich einzig und allein an
euch halten," allen Schutz zu gewähren. ,,Da sie aber dem Herkommen zu¬
wider handeln wollten und einen andern ^xiLooxurn oder Luxi-suum in diesen
Landen erkennen möchten, so sind selbige erstlich mit Geld zu bestrafen; wenn
aber solches nicht bei ihnen verfangen möchte, und sie in ihrer Bosheit und
Ungehorsam verharreten, so kann man selbige absetzen und andre römisch¬
katholische an ihre Stelle, die den Gehorsam leisten, wiederum setzen." In
solcher kräftigen Weise übte er in seinen klevisch-bergischen Landen, wo er übrigens
schon alte klevische Verordnungen der frühern Herzöge für sich hatte, das Auf¬
sichtsrecht über die römische Kirche, ließ die Verwaltung der geistlichen Güter
durch weltliche Beamte beaufsichtigen, strafte ungehorsame Geistliche mit Geld
(natürlich nicht, um solche Strafgelder zu kapitalisiren und dann den Bischöfen
zur Verfügung zu stellen), ließ sie vom Amte entfernen und verbot alle nicht
hergebrachten Prozessionen. Überhaupt hatte er, während er den einzelnen
Katholiken die freieste Religionsübung gestattete, ein scharfes Auge auf die
römisch-katholische Kirche als Korporation. Mußte er doch deren Einfluß auf
den Mitbesitzer der jülich-klevischen Erdtaube, den Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm,
übel genug empfinden. Denn trotz allem Vereinbarungen mit dem Kurfürsten
auf eine paritätische Behandlung der beiden Kirchen regierte dieser so, als ob
die römische Kirche die einzig zu Recht bestehende in seinem Gebiete gewesen
wäre. Der Pfalzgraf verfuhr dabei aber ganz nach Anweisung der Jesuiten,
die, wie der Unterhändler des Kurfürsten Conrad v. Burgsdorf diesem schrieb,
"diesen guten Fürsten dermaßen im Gedräng und in der Klemme haben, als
die Schulmeister ihre Schulknaben."

Gegenüber diesem jesuitischen Treiben der pfalzgräflichen Negierung, die
z. B. 1657 einer reformirten Predigerstochtcr ihre Einkünfte deshalb mit Be¬
schlag belegte, weil ihr Vater 1628 unbefugterweise getauft haben sollte, die
den Protestanten die Erwerbung des Bürgerrechts in ihrem Machtgebiete ver¬
kürzte und sie zur Auswanderung zwang, die es ruhig mit ansah, daß ein
Geistlicher seine Pfarrkinder durch Glockenschlag zusammenrief und an ihrer
Spitze die verjagte, die das Grab für einen Protestanten gruben, die es ge¬
schehen ließ, wenn Geistliche und bewaffneten Rotten evangelische Leichcnpredigtcn
störten oder die die Leiche eines protestantischen Kindes wieder ausgruben und


Die Airchenpolitik des Großen Kurfürsten

Hierarchie im bürgerlichen Gemeinwesen etwa aufgekommen ist. „Was wider
Gott ist und den Menschen schädlich an Leib und Seele, hat nicht allein eine
jegliche Gemeine, Rat oder Obrigkeit Gewalt abzuthun und zu wehren, ohne
Wissen und Willen des Papstes oder Bischofs, ja ist auch schuldig bei seiner
Seelen Seligkeit, dasselbe zu wehren, ob es gleich Papst und Bischof nicht
wollten/' Dieselbe Überzeugung von der Aufgabe der weltlichen Gewalt hatte
der Kurfürst. In seinein Testament von 1667 ermahnt er seine Nachfolger,
denjenigen römisch-katholischen Geistlichen, die „des Papstes und der Bischöfe
Bullen, Dekreten und Befehl nicht Pariren, sondern sich einzig und allein an
euch halten," allen Schutz zu gewähren. ,,Da sie aber dem Herkommen zu¬
wider handeln wollten und einen andern ^xiLooxurn oder Luxi-suum in diesen
Landen erkennen möchten, so sind selbige erstlich mit Geld zu bestrafen; wenn
aber solches nicht bei ihnen verfangen möchte, und sie in ihrer Bosheit und
Ungehorsam verharreten, so kann man selbige absetzen und andre römisch¬
katholische an ihre Stelle, die den Gehorsam leisten, wiederum setzen." In
solcher kräftigen Weise übte er in seinen klevisch-bergischen Landen, wo er übrigens
schon alte klevische Verordnungen der frühern Herzöge für sich hatte, das Auf¬
sichtsrecht über die römische Kirche, ließ die Verwaltung der geistlichen Güter
durch weltliche Beamte beaufsichtigen, strafte ungehorsame Geistliche mit Geld
(natürlich nicht, um solche Strafgelder zu kapitalisiren und dann den Bischöfen
zur Verfügung zu stellen), ließ sie vom Amte entfernen und verbot alle nicht
hergebrachten Prozessionen. Überhaupt hatte er, während er den einzelnen
Katholiken die freieste Religionsübung gestattete, ein scharfes Auge auf die
römisch-katholische Kirche als Korporation. Mußte er doch deren Einfluß auf
den Mitbesitzer der jülich-klevischen Erdtaube, den Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm,
übel genug empfinden. Denn trotz allem Vereinbarungen mit dem Kurfürsten
auf eine paritätische Behandlung der beiden Kirchen regierte dieser so, als ob
die römische Kirche die einzig zu Recht bestehende in seinem Gebiete gewesen
wäre. Der Pfalzgraf verfuhr dabei aber ganz nach Anweisung der Jesuiten,
die, wie der Unterhändler des Kurfürsten Conrad v. Burgsdorf diesem schrieb,
„diesen guten Fürsten dermaßen im Gedräng und in der Klemme haben, als
die Schulmeister ihre Schulknaben."

Gegenüber diesem jesuitischen Treiben der pfalzgräflichen Negierung, die
z. B. 1657 einer reformirten Predigerstochtcr ihre Einkünfte deshalb mit Be¬
schlag belegte, weil ihr Vater 1628 unbefugterweise getauft haben sollte, die
den Protestanten die Erwerbung des Bürgerrechts in ihrem Machtgebiete ver¬
kürzte und sie zur Auswanderung zwang, die es ruhig mit ansah, daß ein
Geistlicher seine Pfarrkinder durch Glockenschlag zusammenrief und an ihrer
Spitze die verjagte, die das Grab für einen Protestanten gruben, die es ge¬
schehen ließ, wenn Geistliche und bewaffneten Rotten evangelische Leichcnpredigtcn
störten oder die die Leiche eines protestantischen Kindes wieder ausgruben und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/218>, abgerufen am 23.07.2024.