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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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von dannen, da er erklärte, weder ein Petroleumlager, noch Pferde, noch
Mobiliar u. s. w. in seinem Hause unterbringen zu können, und ein Handels¬
mann aus Pest drohte ihm mit einer Beschwerde in Washington. Er selbst
hat allerdings keine hohe Meinung von seiner Hauptbeschäftigung, in Depeschen
Meinungen und Vorhersagungen zu außer", die in dem Augenblicke des
Empfanges solcher Briefe oft schon widerlegt sein und daher lächerlich er¬
scheinen können. Deshalb verarge er es dein Staatssekretär Seward sehr, die
abscheuliche englische Mode der Blaubücher nachgemacht zu bilden. Mit dem
großen Publikum Korrespondenz zu führen, sei der augenfälligste Unsinn der
modernen Zeit, und er stellt sich vor, wie erstaunt die scharfsinnigen und ein¬
flußreichen Ambaseiatvri aus den glorreichen Zeiten der Republik Venedig
gewesen sein würden, und nicht minder die Fürsten, Minister u. s. w., wenn
die genauen, nichts übertreibender und nichts mildernden Schilderungen von
Personen und Ereignissen in den Gesandtschaftsberichten wenige Monate nach
ihrer Abfassung durch alle Zeitungen Europas zur Kenntnis der Nüchst-
beteiligteu gebracht worden wären.

Indessen enthalten Mvtleys Briefe doch manche "Meinungen und Vorher¬
sagungen," die nicht Lügen gestraft worden sind. Als alle Welt den Sieg der
Preußen dem Zündnadelgewehr zugute rechnete, machte er dagegen geltend
"den energischen Willen, den lebendigen Geist und die weitreichenden, unablässig
verfolgten Entwürfe des Mannes, der Preußen regiert." Er sieht voraus,
daß Süddeutschland sich anschließen und daß Italien genötigt sein werde, sich
mit Österreich zu versöhnen.

Schließlich mag zur Freude deutscher Schriftsteller erwähnt werden, daß
Motleh Ende 1864 vom 5sort1r ^.ruoriokn eingeladen wurde, vier Artikel zu
liefern, deren Stoff er ans dem Material für sein Geschichtswerk (Oldcn-
barneveldt) nehmen könne, und für die er die Kleinigkeit von 1000 Dollars,
4150 Mark, erhalten solle. Ob er den Antrag angenommen hat, erfahren
wir nicht.

Im Jahre 1873 hatte er einen Schlaganfall, erholte sich wieder, konnte
auch 1875 noch einen letzten Besuch in seiner Heimat machen; 1877 starb er
plötzlich in England, wo zwei seiner Töchter verheiratet sind.




von dannen, da er erklärte, weder ein Petroleumlager, noch Pferde, noch
Mobiliar u. s. w. in seinem Hause unterbringen zu können, und ein Handels¬
mann aus Pest drohte ihm mit einer Beschwerde in Washington. Er selbst
hat allerdings keine hohe Meinung von seiner Hauptbeschäftigung, in Depeschen
Meinungen und Vorhersagungen zu außer», die in dem Augenblicke des
Empfanges solcher Briefe oft schon widerlegt sein und daher lächerlich er¬
scheinen können. Deshalb verarge er es dein Staatssekretär Seward sehr, die
abscheuliche englische Mode der Blaubücher nachgemacht zu bilden. Mit dem
großen Publikum Korrespondenz zu führen, sei der augenfälligste Unsinn der
modernen Zeit, und er stellt sich vor, wie erstaunt die scharfsinnigen und ein¬
flußreichen Ambaseiatvri aus den glorreichen Zeiten der Republik Venedig
gewesen sein würden, und nicht minder die Fürsten, Minister u. s. w., wenn
die genauen, nichts übertreibender und nichts mildernden Schilderungen von
Personen und Ereignissen in den Gesandtschaftsberichten wenige Monate nach
ihrer Abfassung durch alle Zeitungen Europas zur Kenntnis der Nüchst-
beteiligteu gebracht worden wären.

Indessen enthalten Mvtleys Briefe doch manche „Meinungen und Vorher¬
sagungen," die nicht Lügen gestraft worden sind. Als alle Welt den Sieg der
Preußen dem Zündnadelgewehr zugute rechnete, machte er dagegen geltend
„den energischen Willen, den lebendigen Geist und die weitreichenden, unablässig
verfolgten Entwürfe des Mannes, der Preußen regiert." Er sieht voraus,
daß Süddeutschland sich anschließen und daß Italien genötigt sein werde, sich
mit Österreich zu versöhnen.

Schließlich mag zur Freude deutscher Schriftsteller erwähnt werden, daß
Motleh Ende 1864 vom 5sort1r ^.ruoriokn eingeladen wurde, vier Artikel zu
liefern, deren Stoff er ans dem Material für sein Geschichtswerk (Oldcn-
barneveldt) nehmen könne, und für die er die Kleinigkeit von 1000 Dollars,
4150 Mark, erhalten solle. Ob er den Antrag angenommen hat, erfahren
wir nicht.

Im Jahre 1873 hatte er einen Schlaganfall, erholte sich wieder, konnte
auch 1875 noch einen letzten Besuch in seiner Heimat machen; 1877 starb er
plötzlich in England, wo zwei seiner Töchter verheiratet sind.




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[0164] von dannen, da er erklärte, weder ein Petroleumlager, noch Pferde, noch Mobiliar u. s. w. in seinem Hause unterbringen zu können, und ein Handels¬ mann aus Pest drohte ihm mit einer Beschwerde in Washington. Er selbst hat allerdings keine hohe Meinung von seiner Hauptbeschäftigung, in Depeschen Meinungen und Vorhersagungen zu außer», die in dem Augenblicke des Empfanges solcher Briefe oft schon widerlegt sein und daher lächerlich er¬ scheinen können. Deshalb verarge er es dein Staatssekretär Seward sehr, die abscheuliche englische Mode der Blaubücher nachgemacht zu bilden. Mit dem großen Publikum Korrespondenz zu führen, sei der augenfälligste Unsinn der modernen Zeit, und er stellt sich vor, wie erstaunt die scharfsinnigen und ein¬ flußreichen Ambaseiatvri aus den glorreichen Zeiten der Republik Venedig gewesen sein würden, und nicht minder die Fürsten, Minister u. s. w., wenn die genauen, nichts übertreibender und nichts mildernden Schilderungen von Personen und Ereignissen in den Gesandtschaftsberichten wenige Monate nach ihrer Abfassung durch alle Zeitungen Europas zur Kenntnis der Nüchst- beteiligteu gebracht worden wären. Indessen enthalten Mvtleys Briefe doch manche „Meinungen und Vorher¬ sagungen," die nicht Lügen gestraft worden sind. Als alle Welt den Sieg der Preußen dem Zündnadelgewehr zugute rechnete, machte er dagegen geltend „den energischen Willen, den lebendigen Geist und die weitreichenden, unablässig verfolgten Entwürfe des Mannes, der Preußen regiert." Er sieht voraus, daß Süddeutschland sich anschließen und daß Italien genötigt sein werde, sich mit Österreich zu versöhnen. Schließlich mag zur Freude deutscher Schriftsteller erwähnt werden, daß Motleh Ende 1864 vom 5sort1r ^.ruoriokn eingeladen wurde, vier Artikel zu liefern, deren Stoff er ans dem Material für sein Geschichtswerk (Oldcn- barneveldt) nehmen könne, und für die er die Kleinigkeit von 1000 Dollars, 4150 Mark, erhalten solle. Ob er den Antrag angenommen hat, erfahren wir nicht. Im Jahre 1873 hatte er einen Schlaganfall, erholte sich wieder, konnte auch 1875 noch einen letzten Besuch in seiner Heimat machen; 1877 starb er plötzlich in England, wo zwei seiner Töchter verheiratet sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/164>, abgerufen am 23.07.2024.