Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Bnron Sina," zum König von Griechenland mache? Er habe gute Zeugnisse,
spreche griechisch und deutsch, sehe uicht auf hohen Gehalt u. s. w. Daß ihm
der Ausgang des Streites um Schleswig-Holstein ganz gleichgiltig sein darf,
"gereicht ihm zum großen Troste"; er sieht ein, daß die Briten auf der Halb¬
insel eine schwache Macht, die sie unter dem Daumen halten können, vorziehen.
Für den armen deutscheu Bund hat er vollends kein Mitgefühl. Daß er an
Altersschwäche stirbt, könnte ihn persönlich kränken, meint er, weil sie in
gleichem Alter standen. "Nun hat er sich noch für unauflösbar erklärt, und
das möchte ich ihm nachthun." Auch deu Notenkrieg zwischen Österreich und
Preußen behandelt er (23. April 16V6) humoristisch, indem er den Verlauf
der Dinge von dem Einmarsch in Holstein an nach den Hanptdaten zusammen¬
stellt bis zu dein beiderseitigen Verlangen der Abrüstung, nud stellt die Negel-
detriaufgabe: Da Österreich seiner Versicherung nach gar nicht gerüstet hat,
wieviel muß es nun abrüsten, damit Preußen das gleiche thun kann? Zwei
Monate später werden die Betrachtungen ernster. Er erwägt die Folgen des
Sieges der eiuen und der andern Macht und findet, daß Preußen, indem es
seine Wespengestalt abrunde, auch in politischer und militärischer Beziehung
die Leitung in Deutschland haben werde, die es in geistiger und gewerblicher
Beziehung habe; es könne "eines Tages ebenso liberal wie mächtig" werden
und im Herzen Europas ein Gegengewicht gegen Frankreich bilden, "so lauge
dies im Despotismus ist, nud mit ihm Hand in Hand gehen, sollte die fran¬
zösische Nation sich wieder befreien." Dagegen werde der Sieg Österreichs
"mit seinen nur acht Millionen gebildeten Deutschen und beinahe dreißig
Millionen Asiaten in Schafspelzen und engen Hosen in den Stiefeln alle die
kleinen Hoheiten und Serenissimi von Kroatien bis Frankfurt, von Trieft bis
Sizilien wieder zum Leben erwecken." Allerdings befürchtet er, das erste
Ergebnis der Erfolge Preußens werde "eine Großspurigkeit ohne gleichen sein."

Unmittelbar vor dein Eintreffen der Nachricht von Königgrätz rügt er
die Haltung der Bevölkerung von Wien: nicht einmal nach Bull Rum habe
er seiue Landsleute so allen Stolz und alle Selbstachtung verlieren sehen.
Nur die Gefangennahme des Kurfürsten von Hessen habe allgemeine Heiterkeit
erregt. Nach der Entscheidung tränkt ihn, daß "das arme liebe Österreich
der lauge" Liste seiner Mißgriffe noch die fruchtlose Erniedrigung von Louis
Napoleon hinzugefügt" habe. "Ich kann ihm alles eher verzeihen als das."
Sehr ergötzlich ist die Schilderung, in welcher Weise in den Tagen der Angst
vor den Preußen seine diplomatische Thätigkeit in Anspruch genommen wurde.
"Die ganze Judenschaft hat plötzlich entdeckt, daß sie Angehörige der Vereinigten
Staaten seien. Eine Menge solcher amerikanischen Bürger hebräischer Kon¬
fession, die in Österreich geboren und ansässig sind, wenden sich an mich mit
der Frage, was ich als ihr natürlicher und gesetzlicher Beschützer für sie zu
thun gedenke, wenn die Stadt geplündert wird." Sie gingen höchst aufgebracht


Bnron Sina," zum König von Griechenland mache? Er habe gute Zeugnisse,
spreche griechisch und deutsch, sehe uicht auf hohen Gehalt u. s. w. Daß ihm
der Ausgang des Streites um Schleswig-Holstein ganz gleichgiltig sein darf,
„gereicht ihm zum großen Troste"; er sieht ein, daß die Briten auf der Halb¬
insel eine schwache Macht, die sie unter dem Daumen halten können, vorziehen.
Für den armen deutscheu Bund hat er vollends kein Mitgefühl. Daß er an
Altersschwäche stirbt, könnte ihn persönlich kränken, meint er, weil sie in
gleichem Alter standen. „Nun hat er sich noch für unauflösbar erklärt, und
das möchte ich ihm nachthun." Auch deu Notenkrieg zwischen Österreich und
Preußen behandelt er (23. April 16V6) humoristisch, indem er den Verlauf
der Dinge von dem Einmarsch in Holstein an nach den Hanptdaten zusammen¬
stellt bis zu dein beiderseitigen Verlangen der Abrüstung, nud stellt die Negel-
detriaufgabe: Da Österreich seiner Versicherung nach gar nicht gerüstet hat,
wieviel muß es nun abrüsten, damit Preußen das gleiche thun kann? Zwei
Monate später werden die Betrachtungen ernster. Er erwägt die Folgen des
Sieges der eiuen und der andern Macht und findet, daß Preußen, indem es
seine Wespengestalt abrunde, auch in politischer und militärischer Beziehung
die Leitung in Deutschland haben werde, die es in geistiger und gewerblicher
Beziehung habe; es könne „eines Tages ebenso liberal wie mächtig" werden
und im Herzen Europas ein Gegengewicht gegen Frankreich bilden, „so lauge
dies im Despotismus ist, nud mit ihm Hand in Hand gehen, sollte die fran¬
zösische Nation sich wieder befreien." Dagegen werde der Sieg Österreichs
»mit seinen nur acht Millionen gebildeten Deutschen und beinahe dreißig
Millionen Asiaten in Schafspelzen und engen Hosen in den Stiefeln alle die
kleinen Hoheiten und Serenissimi von Kroatien bis Frankfurt, von Trieft bis
Sizilien wieder zum Leben erwecken." Allerdings befürchtet er, das erste
Ergebnis der Erfolge Preußens werde „eine Großspurigkeit ohne gleichen sein."

Unmittelbar vor dein Eintreffen der Nachricht von Königgrätz rügt er
die Haltung der Bevölkerung von Wien: nicht einmal nach Bull Rum habe
er seiue Landsleute so allen Stolz und alle Selbstachtung verlieren sehen.
Nur die Gefangennahme des Kurfürsten von Hessen habe allgemeine Heiterkeit
erregt. Nach der Entscheidung tränkt ihn, daß „das arme liebe Österreich
der lauge» Liste seiner Mißgriffe noch die fruchtlose Erniedrigung von Louis
Napoleon hinzugefügt" habe. „Ich kann ihm alles eher verzeihen als das."
Sehr ergötzlich ist die Schilderung, in welcher Weise in den Tagen der Angst
vor den Preußen seine diplomatische Thätigkeit in Anspruch genommen wurde.
"Die ganze Judenschaft hat plötzlich entdeckt, daß sie Angehörige der Vereinigten
Staaten seien. Eine Menge solcher amerikanischen Bürger hebräischer Kon¬
fession, die in Österreich geboren und ansässig sind, wenden sich an mich mit
der Frage, was ich als ihr natürlicher und gesetzlicher Beschützer für sie zu
thun gedenke, wenn die Stadt geplündert wird." Sie gingen höchst aufgebracht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209396"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_466" prev="#ID_465"> Bnron Sina," zum König von Griechenland mache? Er habe gute Zeugnisse,<lb/>
spreche griechisch und deutsch, sehe uicht auf hohen Gehalt u. s. w. Daß ihm<lb/>
der Ausgang des Streites um Schleswig-Holstein ganz gleichgiltig sein darf,<lb/>
&#x201E;gereicht ihm zum großen Troste"; er sieht ein, daß die Briten auf der Halb¬<lb/>
insel eine schwache Macht, die sie unter dem Daumen halten können, vorziehen.<lb/>
Für den armen deutscheu Bund hat er vollends kein Mitgefühl. Daß er an<lb/>
Altersschwäche stirbt, könnte ihn persönlich kränken, meint er, weil sie in<lb/>
gleichem Alter standen. &#x201E;Nun hat er sich noch für unauflösbar erklärt, und<lb/>
das möchte ich ihm nachthun." Auch deu Notenkrieg zwischen Österreich und<lb/>
Preußen behandelt er (23. April 16V6) humoristisch, indem er den Verlauf<lb/>
der Dinge von dem Einmarsch in Holstein an nach den Hanptdaten zusammen¬<lb/>
stellt bis zu dein beiderseitigen Verlangen der Abrüstung, nud stellt die Negel-<lb/>
detriaufgabe: Da Österreich seiner Versicherung nach gar nicht gerüstet hat,<lb/>
wieviel muß es nun abrüsten, damit Preußen das gleiche thun kann? Zwei<lb/>
Monate später werden die Betrachtungen ernster. Er erwägt die Folgen des<lb/>
Sieges der eiuen und der andern Macht und findet, daß Preußen, indem es<lb/>
seine Wespengestalt abrunde, auch in politischer und militärischer Beziehung<lb/>
die Leitung in Deutschland haben werde, die es in geistiger und gewerblicher<lb/>
Beziehung habe; es könne &#x201E;eines Tages ebenso liberal wie mächtig" werden<lb/>
und im Herzen Europas ein Gegengewicht gegen Frankreich bilden, &#x201E;so lauge<lb/>
dies im Despotismus ist, nud mit ihm Hand in Hand gehen, sollte die fran¬<lb/>
zösische Nation sich wieder befreien." Dagegen werde der Sieg Österreichs<lb/>
»mit seinen nur acht Millionen gebildeten Deutschen und beinahe dreißig<lb/>
Millionen Asiaten in Schafspelzen und engen Hosen in den Stiefeln alle die<lb/>
kleinen Hoheiten und Serenissimi von Kroatien bis Frankfurt, von Trieft bis<lb/>
Sizilien wieder zum Leben erwecken." Allerdings befürchtet er, das erste<lb/>
Ergebnis der Erfolge Preußens werde &#x201E;eine Großspurigkeit ohne gleichen sein."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_467" next="#ID_468"> Unmittelbar vor dein Eintreffen der Nachricht von Königgrätz rügt er<lb/>
die Haltung der Bevölkerung von Wien: nicht einmal nach Bull Rum habe<lb/>
er seiue Landsleute so allen Stolz und alle Selbstachtung verlieren sehen.<lb/>
Nur die Gefangennahme des Kurfürsten von Hessen habe allgemeine Heiterkeit<lb/>
erregt. Nach der Entscheidung tränkt ihn, daß &#x201E;das arme liebe Österreich<lb/>
der lauge» Liste seiner Mißgriffe noch die fruchtlose Erniedrigung von Louis<lb/>
Napoleon hinzugefügt" habe. &#x201E;Ich kann ihm alles eher verzeihen als das."<lb/>
Sehr ergötzlich ist die Schilderung, in welcher Weise in den Tagen der Angst<lb/>
vor den Preußen seine diplomatische Thätigkeit in Anspruch genommen wurde.<lb/>
"Die ganze Judenschaft hat plötzlich entdeckt, daß sie Angehörige der Vereinigten<lb/>
Staaten seien. Eine Menge solcher amerikanischen Bürger hebräischer Kon¬<lb/>
fession, die in Österreich geboren und ansässig sind, wenden sich an mich mit<lb/>
der Frage, was ich als ihr natürlicher und gesetzlicher Beschützer für sie zu<lb/>
thun gedenke, wenn die Stadt geplündert wird." Sie gingen höchst aufgebracht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0163] Bnron Sina," zum König von Griechenland mache? Er habe gute Zeugnisse, spreche griechisch und deutsch, sehe uicht auf hohen Gehalt u. s. w. Daß ihm der Ausgang des Streites um Schleswig-Holstein ganz gleichgiltig sein darf, „gereicht ihm zum großen Troste"; er sieht ein, daß die Briten auf der Halb¬ insel eine schwache Macht, die sie unter dem Daumen halten können, vorziehen. Für den armen deutscheu Bund hat er vollends kein Mitgefühl. Daß er an Altersschwäche stirbt, könnte ihn persönlich kränken, meint er, weil sie in gleichem Alter standen. „Nun hat er sich noch für unauflösbar erklärt, und das möchte ich ihm nachthun." Auch deu Notenkrieg zwischen Österreich und Preußen behandelt er (23. April 16V6) humoristisch, indem er den Verlauf der Dinge von dem Einmarsch in Holstein an nach den Hanptdaten zusammen¬ stellt bis zu dein beiderseitigen Verlangen der Abrüstung, nud stellt die Negel- detriaufgabe: Da Österreich seiner Versicherung nach gar nicht gerüstet hat, wieviel muß es nun abrüsten, damit Preußen das gleiche thun kann? Zwei Monate später werden die Betrachtungen ernster. Er erwägt die Folgen des Sieges der eiuen und der andern Macht und findet, daß Preußen, indem es seine Wespengestalt abrunde, auch in politischer und militärischer Beziehung die Leitung in Deutschland haben werde, die es in geistiger und gewerblicher Beziehung habe; es könne „eines Tages ebenso liberal wie mächtig" werden und im Herzen Europas ein Gegengewicht gegen Frankreich bilden, „so lauge dies im Despotismus ist, nud mit ihm Hand in Hand gehen, sollte die fran¬ zösische Nation sich wieder befreien." Dagegen werde der Sieg Österreichs »mit seinen nur acht Millionen gebildeten Deutschen und beinahe dreißig Millionen Asiaten in Schafspelzen und engen Hosen in den Stiefeln alle die kleinen Hoheiten und Serenissimi von Kroatien bis Frankfurt, von Trieft bis Sizilien wieder zum Leben erwecken." Allerdings befürchtet er, das erste Ergebnis der Erfolge Preußens werde „eine Großspurigkeit ohne gleichen sein." Unmittelbar vor dein Eintreffen der Nachricht von Königgrätz rügt er die Haltung der Bevölkerung von Wien: nicht einmal nach Bull Rum habe er seiue Landsleute so allen Stolz und alle Selbstachtung verlieren sehen. Nur die Gefangennahme des Kurfürsten von Hessen habe allgemeine Heiterkeit erregt. Nach der Entscheidung tränkt ihn, daß „das arme liebe Österreich der lauge» Liste seiner Mißgriffe noch die fruchtlose Erniedrigung von Louis Napoleon hinzugefügt" habe. „Ich kann ihm alles eher verzeihen als das." Sehr ergötzlich ist die Schilderung, in welcher Weise in den Tagen der Angst vor den Preußen seine diplomatische Thätigkeit in Anspruch genommen wurde. "Die ganze Judenschaft hat plötzlich entdeckt, daß sie Angehörige der Vereinigten Staaten seien. Eine Menge solcher amerikanischen Bürger hebräischer Kon¬ fession, die in Österreich geboren und ansässig sind, wenden sich an mich mit der Frage, was ich als ihr natürlicher und gesetzlicher Beschützer für sie zu thun gedenke, wenn die Stadt geplündert wird." Sie gingen höchst aufgebracht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/163
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/163>, abgerufen am 23.07.2024.