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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Die Banernbefreinng in Preußen

seite gesetzt werden konnte und mußte. In Riga arbeiteten Hardenberg und
Altenstein jene Denkschrift aus, die eine Neuschöpfung für notwendig erklärt,
eine durchgreifende Umbildung, "ausgehend von einer beherrschenden Idee."
Diese Idee müsse, mit Aufrechterhaltung von Moralität und Religion, sich
die Ziele der Revolution aneignen und so dem preußischen Staate wieder zur
Überlegenheit verhelfen; man fordert "demokratische Grundsätze in einer mon¬
archischen Regierung."

Die neue Idee fand unmittelbar darauf ihre erste Bethätigung in der
Verordnung aus Memel vom 28. Oktober 1807, durch die alle bei den Dv-
mänenbanern von Brandenburg, Pommern und Schlesien etwa noch vor¬
kommende Erbnnterthänigkeit aufgehoben wurde. Auf die Geschichte des nun
beginnenden großen Nefvrmwerkes, der Ablösung aller, auch der ritterschaft-
lichen Bauern, in der ganzen Monarchie näher einzugehen, würde keinen Zweck
habe"; wir müßten, um deu Gang der Dinge klar zu machen, Knapp einfach
abschreiben. Nur so viel mag bemerkt werden, daß die Ritterschaft, unterstützt
von dem größten Teile der Bureaukratie, redlich bemüht war, jeden Gesetz¬
entwurf, deu sie nicht zu hintertreiben vermochte, nach Möglichkeit zu ver¬
schlechten?. Sie fand bald heraus, daß die Bauernbefreiung doch auch ihre
Lichtseite habe, wenn nur nach der Regel verfahren werde: "Dem Bauer die
Freiheit, uns das Land," d. h. also, wenn die Dienste aufgehoben würden
auf Kosten des bisher geübten Vaueruschutzes. Diese Bestrebungen wurden
von Schön eifrig gefördert, während Hardenberg und Stein für die Bauern
Partei nahmen. Die Seele der bnuerufreuudlichen Richtung war der Kriegsrat
Scharnweber, der in einem entscheidenden Augenblicke den Staatskanzler "mit
schillerischer Beredsamkeit" beschwor, nicht wieder dem Adel nachzugeben. Die
Gesuche namentlich des ostpreußischen Adels um die Erlaubnis, die Höfe
der "befreiten" Bauern einzuziehen, wurden so häufig und dringend, daß
die Minister sich einmal veranlaßt fühlten, von Frechheit zu sprechen. Ein
Jahr nach dem Edikt von 1807 erschien die Schrift von Schmalz über Erb-
unterthänigleit, "worin mit sichtlichem Behagen die Aufhebung des Bauern-
schntzes gefeiert wird. Merkwürdig, sagt Knapp, wie bei Schmalz, ebenso wie
beim Herrn von Schön, die neue Lehre der wirtschaftlichen Freiheit, das
Waltenlassen der Erwerbsinteressen, von England her über Königsberg ein¬
dringend so schnell Wurzel schlägt; denn diese Lehre, wie sie Korn erzeugenden
Gutsbesitzern, die auf ausländischen Absatz rechnen, in der Gestalt der Handels¬
freiheit willkommen ist, schmeichelt sich auch in der Gestalt der Vertrags¬
freiheit gegenüber den Bauern ein, wenn es möglich erscheint, dadurch die'
freigewordenen Bauern außer Besitz zu bringen oder wenigstens sie in Zeit¬
pächter zu verwandeln."

Merkwürdig ist es auch, wie verschieden der Erfolg des Befreiungswerkes
in zwei von den drei polnischen Landesteilen war. In Posen wurde der


Die Banernbefreinng in Preußen

seite gesetzt werden konnte und mußte. In Riga arbeiteten Hardenberg und
Altenstein jene Denkschrift aus, die eine Neuschöpfung für notwendig erklärt,
eine durchgreifende Umbildung, „ausgehend von einer beherrschenden Idee."
Diese Idee müsse, mit Aufrechterhaltung von Moralität und Religion, sich
die Ziele der Revolution aneignen und so dem preußischen Staate wieder zur
Überlegenheit verhelfen; man fordert „demokratische Grundsätze in einer mon¬
archischen Regierung."

Die neue Idee fand unmittelbar darauf ihre erste Bethätigung in der
Verordnung aus Memel vom 28. Oktober 1807, durch die alle bei den Dv-
mänenbanern von Brandenburg, Pommern und Schlesien etwa noch vor¬
kommende Erbnnterthänigkeit aufgehoben wurde. Auf die Geschichte des nun
beginnenden großen Nefvrmwerkes, der Ablösung aller, auch der ritterschaft-
lichen Bauern, in der ganzen Monarchie näher einzugehen, würde keinen Zweck
habe»; wir müßten, um deu Gang der Dinge klar zu machen, Knapp einfach
abschreiben. Nur so viel mag bemerkt werden, daß die Ritterschaft, unterstützt
von dem größten Teile der Bureaukratie, redlich bemüht war, jeden Gesetz¬
entwurf, deu sie nicht zu hintertreiben vermochte, nach Möglichkeit zu ver¬
schlechten?. Sie fand bald heraus, daß die Bauernbefreiung doch auch ihre
Lichtseite habe, wenn nur nach der Regel verfahren werde: „Dem Bauer die
Freiheit, uns das Land," d. h. also, wenn die Dienste aufgehoben würden
auf Kosten des bisher geübten Vaueruschutzes. Diese Bestrebungen wurden
von Schön eifrig gefördert, während Hardenberg und Stein für die Bauern
Partei nahmen. Die Seele der bnuerufreuudlichen Richtung war der Kriegsrat
Scharnweber, der in einem entscheidenden Augenblicke den Staatskanzler „mit
schillerischer Beredsamkeit" beschwor, nicht wieder dem Adel nachzugeben. Die
Gesuche namentlich des ostpreußischen Adels um die Erlaubnis, die Höfe
der „befreiten" Bauern einzuziehen, wurden so häufig und dringend, daß
die Minister sich einmal veranlaßt fühlten, von Frechheit zu sprechen. Ein
Jahr nach dem Edikt von 1807 erschien die Schrift von Schmalz über Erb-
unterthänigleit, „worin mit sichtlichem Behagen die Aufhebung des Bauern-
schntzes gefeiert wird. Merkwürdig, sagt Knapp, wie bei Schmalz, ebenso wie
beim Herrn von Schön, die neue Lehre der wirtschaftlichen Freiheit, das
Waltenlassen der Erwerbsinteressen, von England her über Königsberg ein¬
dringend so schnell Wurzel schlägt; denn diese Lehre, wie sie Korn erzeugenden
Gutsbesitzern, die auf ausländischen Absatz rechnen, in der Gestalt der Handels¬
freiheit willkommen ist, schmeichelt sich auch in der Gestalt der Vertrags¬
freiheit gegenüber den Bauern ein, wenn es möglich erscheint, dadurch die'
freigewordenen Bauern außer Besitz zu bringen oder wenigstens sie in Zeit¬
pächter zu verwandeln."

Merkwürdig ist es auch, wie verschieden der Erfolg des Befreiungswerkes
in zwei von den drei polnischen Landesteilen war. In Posen wurde der


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[0124] Die Banernbefreinng in Preußen seite gesetzt werden konnte und mußte. In Riga arbeiteten Hardenberg und Altenstein jene Denkschrift aus, die eine Neuschöpfung für notwendig erklärt, eine durchgreifende Umbildung, „ausgehend von einer beherrschenden Idee." Diese Idee müsse, mit Aufrechterhaltung von Moralität und Religion, sich die Ziele der Revolution aneignen und so dem preußischen Staate wieder zur Überlegenheit verhelfen; man fordert „demokratische Grundsätze in einer mon¬ archischen Regierung." Die neue Idee fand unmittelbar darauf ihre erste Bethätigung in der Verordnung aus Memel vom 28. Oktober 1807, durch die alle bei den Dv- mänenbanern von Brandenburg, Pommern und Schlesien etwa noch vor¬ kommende Erbnnterthänigkeit aufgehoben wurde. Auf die Geschichte des nun beginnenden großen Nefvrmwerkes, der Ablösung aller, auch der ritterschaft- lichen Bauern, in der ganzen Monarchie näher einzugehen, würde keinen Zweck habe»; wir müßten, um deu Gang der Dinge klar zu machen, Knapp einfach abschreiben. Nur so viel mag bemerkt werden, daß die Ritterschaft, unterstützt von dem größten Teile der Bureaukratie, redlich bemüht war, jeden Gesetz¬ entwurf, deu sie nicht zu hintertreiben vermochte, nach Möglichkeit zu ver¬ schlechten?. Sie fand bald heraus, daß die Bauernbefreiung doch auch ihre Lichtseite habe, wenn nur nach der Regel verfahren werde: „Dem Bauer die Freiheit, uns das Land," d. h. also, wenn die Dienste aufgehoben würden auf Kosten des bisher geübten Vaueruschutzes. Diese Bestrebungen wurden von Schön eifrig gefördert, während Hardenberg und Stein für die Bauern Partei nahmen. Die Seele der bnuerufreuudlichen Richtung war der Kriegsrat Scharnweber, der in einem entscheidenden Augenblicke den Staatskanzler „mit schillerischer Beredsamkeit" beschwor, nicht wieder dem Adel nachzugeben. Die Gesuche namentlich des ostpreußischen Adels um die Erlaubnis, die Höfe der „befreiten" Bauern einzuziehen, wurden so häufig und dringend, daß die Minister sich einmal veranlaßt fühlten, von Frechheit zu sprechen. Ein Jahr nach dem Edikt von 1807 erschien die Schrift von Schmalz über Erb- unterthänigleit, „worin mit sichtlichem Behagen die Aufhebung des Bauern- schntzes gefeiert wird. Merkwürdig, sagt Knapp, wie bei Schmalz, ebenso wie beim Herrn von Schön, die neue Lehre der wirtschaftlichen Freiheit, das Waltenlassen der Erwerbsinteressen, von England her über Königsberg ein¬ dringend so schnell Wurzel schlägt; denn diese Lehre, wie sie Korn erzeugenden Gutsbesitzern, die auf ausländischen Absatz rechnen, in der Gestalt der Handels¬ freiheit willkommen ist, schmeichelt sich auch in der Gestalt der Vertrags¬ freiheit gegenüber den Bauern ein, wenn es möglich erscheint, dadurch die' freigewordenen Bauern außer Besitz zu bringen oder wenigstens sie in Zeit¬ pächter zu verwandeln." Merkwürdig ist es auch, wie verschieden der Erfolg des Befreiungswerkes in zwei von den drei polnischen Landesteilen war. In Posen wurde der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/124>, abgerufen am 23.07.2024.