Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Banenibefreinng in Preußen

von den Höfen, Ackern und Wiesen, welche ihnen einmal eingethan, nur ge¬
ringe jährliche Pacht, müssen dagegen aber allerhand ungemessne Frohndienste
ohne Limitation und Gewißheit leisten; auch sind sie und ihre Söhne nicht
mächtig, ohne Vorwissen der Obrigkeit und Erlassung der Leibeigenschaft von
den Höfen und Hufen sich wegzubegeben. Demgemäß gehören die Hufen, Äcker,
Wiesen u. s. w. einzig und allein der Herrschaft und Obrigkeit jedes Orts, wie
denn die Bauern und Cvlvnen gar kein Dominium uso eure-odnen uno ullis
nov Mellario irsv vcmsiucki sjureis daran haben, und daher auch nicht ex-
vkxtionvul xsrxötuiuz (üoloni^v und, daß sie und ihre Vorfahren die Höfe
fünfzig, sechzig, auch wohl hundert Jahre bewohnt haben, vorwenden können."
Unter preußischer Herrschaft ward, wie Knapp beweist, Sklaverei im Sinne
des römischen Rechtes gesetzlich nicht mehr geduldet; die Bauernvrduung von
1704 sagt ausdrücklich, daß die pommerschen Bauer" nicht verschenkt, verkauft,
oder als roh in ooiruriöroio behandelt werden können. Doch macht, wie Knapp
anführt, ein Kenner der pommerschen Zustände zum Jahre 1764 die Bemer¬
kung: "Es waren damals noch nicht fünfzig Jahre verflossen, seit ein pom-
merischer Edelmann eine ganze Bauernfamilie gegen eine Koppel Jagdhunde
vertauscht hatte."

Die Folge dieser Umwandlung war zunächst eine gewaltige Vergrößerung
der Adelsgüter und eine entsprechende Verminderung des Vauerulaudes. "Es
ist kein Zweifel -- sagt Knapp, an den wir uns fortan ausschließlich halten
(und zwar an deu ersten Teil seines Werkes, der zweite enthält die urkund¬
lichen Belege) --> daß der Vestaud an Vanern noch bedeutend verringert worden
wäre, wenn sich nicht von Anfang des achtzehnten Jahrhunderts an die
preußischen Könige ein Ziel gesetzt hätten, das den Kurfürsten aus demselben
Hause noch ganz fern geblieben war: das Ziel, womöglich wieder die Zahl
der Bauern zu vermehren, jedenfalls aber die Zahl der Stellen und den Um¬
fang des dazu gehörigen Landes von nun an durch Maßregeln der Gesetz¬
gebung festzuhalten. Der Inhalt dieser Gesetzgebung läßt sich kurz als Schutz
des Vauerulaudes und des Bauernstandes bezeichnen: des Banernlandes, damit
es nicht weiter den herrschaftlichen Güter", seien es nun Privatgüter oder
Doinänengüter, einverleibt werde; des Vanernstandes, damit für ihn stets die
Zahl der Stellen mindestens ebenso groß bleibe, weshalb es auch verboten
war, Bauerngüter zusammenzuschlagen, das heißt ans mehreren eins zu machen.
Man beachte, daß dies, wenn wir es auch kurz als Bauernschutz bezeichnen,
doch keineswegs ein Schutz des einzelnen Vanern in seinem Besitz war. Ob
dieser oder jener Bauer auf der Stelle saß, war für die hier zu be¬
trachtenden Maßregeln gleichgiltig. Die Maßregel war polizeilich, nicht
privatrechtlich."

Doch geht aus Knapps Darstellung hervor, daß die Könige, menschen¬
freundlichen Sinns, auch das Privatrecht der Bauern zu verbessern bemüht


Die Banenibefreinng in Preußen

von den Höfen, Ackern und Wiesen, welche ihnen einmal eingethan, nur ge¬
ringe jährliche Pacht, müssen dagegen aber allerhand ungemessne Frohndienste
ohne Limitation und Gewißheit leisten; auch sind sie und ihre Söhne nicht
mächtig, ohne Vorwissen der Obrigkeit und Erlassung der Leibeigenschaft von
den Höfen und Hufen sich wegzubegeben. Demgemäß gehören die Hufen, Äcker,
Wiesen u. s. w. einzig und allein der Herrschaft und Obrigkeit jedes Orts, wie
denn die Bauern und Cvlvnen gar kein Dominium uso eure-odnen uno ullis
nov Mellario irsv vcmsiucki sjureis daran haben, und daher auch nicht ex-
vkxtionvul xsrxötuiuz (üoloni^v und, daß sie und ihre Vorfahren die Höfe
fünfzig, sechzig, auch wohl hundert Jahre bewohnt haben, vorwenden können."
Unter preußischer Herrschaft ward, wie Knapp beweist, Sklaverei im Sinne
des römischen Rechtes gesetzlich nicht mehr geduldet; die Bauernvrduung von
1704 sagt ausdrücklich, daß die pommerschen Bauer» nicht verschenkt, verkauft,
oder als roh in ooiruriöroio behandelt werden können. Doch macht, wie Knapp
anführt, ein Kenner der pommerschen Zustände zum Jahre 1764 die Bemer¬
kung: „Es waren damals noch nicht fünfzig Jahre verflossen, seit ein pom-
merischer Edelmann eine ganze Bauernfamilie gegen eine Koppel Jagdhunde
vertauscht hatte."

Die Folge dieser Umwandlung war zunächst eine gewaltige Vergrößerung
der Adelsgüter und eine entsprechende Verminderung des Vauerulaudes. „Es
ist kein Zweifel — sagt Knapp, an den wir uns fortan ausschließlich halten
(und zwar an deu ersten Teil seines Werkes, der zweite enthält die urkund¬
lichen Belege) —> daß der Vestaud an Vanern noch bedeutend verringert worden
wäre, wenn sich nicht von Anfang des achtzehnten Jahrhunderts an die
preußischen Könige ein Ziel gesetzt hätten, das den Kurfürsten aus demselben
Hause noch ganz fern geblieben war: das Ziel, womöglich wieder die Zahl
der Bauern zu vermehren, jedenfalls aber die Zahl der Stellen und den Um¬
fang des dazu gehörigen Landes von nun an durch Maßregeln der Gesetz¬
gebung festzuhalten. Der Inhalt dieser Gesetzgebung läßt sich kurz als Schutz
des Vauerulaudes und des Bauernstandes bezeichnen: des Banernlandes, damit
es nicht weiter den herrschaftlichen Güter», seien es nun Privatgüter oder
Doinänengüter, einverleibt werde; des Vanernstandes, damit für ihn stets die
Zahl der Stellen mindestens ebenso groß bleibe, weshalb es auch verboten
war, Bauerngüter zusammenzuschlagen, das heißt ans mehreren eins zu machen.
Man beachte, daß dies, wenn wir es auch kurz als Bauernschutz bezeichnen,
doch keineswegs ein Schutz des einzelnen Vanern in seinem Besitz war. Ob
dieser oder jener Bauer auf der Stelle saß, war für die hier zu be¬
trachtenden Maßregeln gleichgiltig. Die Maßregel war polizeilich, nicht
privatrechtlich."

Doch geht aus Knapps Darstellung hervor, daß die Könige, menschen¬
freundlichen Sinns, auch das Privatrecht der Bauern zu verbessern bemüht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209355"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Banenibefreinng in Preußen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_339" prev="#ID_338"> von den Höfen, Ackern und Wiesen, welche ihnen einmal eingethan, nur ge¬<lb/>
ringe jährliche Pacht, müssen dagegen aber allerhand ungemessne Frohndienste<lb/>
ohne Limitation und Gewißheit leisten; auch sind sie und ihre Söhne nicht<lb/>
mächtig, ohne Vorwissen der Obrigkeit und Erlassung der Leibeigenschaft von<lb/>
den Höfen und Hufen sich wegzubegeben. Demgemäß gehören die Hufen, Äcker,<lb/>
Wiesen u. s. w. einzig und allein der Herrschaft und Obrigkeit jedes Orts, wie<lb/>
denn die Bauern und Cvlvnen gar kein Dominium uso eure-odnen uno ullis<lb/>
nov Mellario irsv vcmsiucki sjureis daran haben, und daher auch nicht ex-<lb/>
vkxtionvul xsrxötuiuz (üoloni^v und, daß sie und ihre Vorfahren die Höfe<lb/>
fünfzig, sechzig, auch wohl hundert Jahre bewohnt haben, vorwenden können."<lb/>
Unter preußischer Herrschaft ward, wie Knapp beweist, Sklaverei im Sinne<lb/>
des römischen Rechtes gesetzlich nicht mehr geduldet; die Bauernvrduung von<lb/>
1704 sagt ausdrücklich, daß die pommerschen Bauer» nicht verschenkt, verkauft,<lb/>
oder als roh in ooiruriöroio behandelt werden können. Doch macht, wie Knapp<lb/>
anführt, ein Kenner der pommerschen Zustände zum Jahre 1764 die Bemer¬<lb/>
kung: &#x201E;Es waren damals noch nicht fünfzig Jahre verflossen, seit ein pom-<lb/>
merischer Edelmann eine ganze Bauernfamilie gegen eine Koppel Jagdhunde<lb/>
vertauscht hatte."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_340"> Die Folge dieser Umwandlung war zunächst eine gewaltige Vergrößerung<lb/>
der Adelsgüter und eine entsprechende Verminderung des Vauerulaudes. &#x201E;Es<lb/>
ist kein Zweifel &#x2014; sagt Knapp, an den wir uns fortan ausschließlich halten<lb/>
(und zwar an deu ersten Teil seines Werkes, der zweite enthält die urkund¬<lb/>
lichen Belege) &#x2014;&gt; daß der Vestaud an Vanern noch bedeutend verringert worden<lb/>
wäre, wenn sich nicht von Anfang des achtzehnten Jahrhunderts an die<lb/>
preußischen Könige ein Ziel gesetzt hätten, das den Kurfürsten aus demselben<lb/>
Hause noch ganz fern geblieben war: das Ziel, womöglich wieder die Zahl<lb/>
der Bauern zu vermehren, jedenfalls aber die Zahl der Stellen und den Um¬<lb/>
fang des dazu gehörigen Landes von nun an durch Maßregeln der Gesetz¬<lb/>
gebung festzuhalten. Der Inhalt dieser Gesetzgebung läßt sich kurz als Schutz<lb/>
des Vauerulaudes und des Bauernstandes bezeichnen: des Banernlandes, damit<lb/>
es nicht weiter den herrschaftlichen Güter», seien es nun Privatgüter oder<lb/>
Doinänengüter, einverleibt werde; des Vanernstandes, damit für ihn stets die<lb/>
Zahl der Stellen mindestens ebenso groß bleibe, weshalb es auch verboten<lb/>
war, Bauerngüter zusammenzuschlagen, das heißt ans mehreren eins zu machen.<lb/>
Man beachte, daß dies, wenn wir es auch kurz als Bauernschutz bezeichnen,<lb/>
doch keineswegs ein Schutz des einzelnen Vanern in seinem Besitz war. Ob<lb/>
dieser oder jener Bauer auf der Stelle saß, war für die hier zu be¬<lb/>
trachtenden Maßregeln gleichgiltig. Die Maßregel war polizeilich, nicht<lb/>
privatrechtlich."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_341" next="#ID_342"> Doch geht aus Knapps Darstellung hervor, daß die Könige, menschen¬<lb/>
freundlichen Sinns, auch das Privatrecht der Bauern zu verbessern bemüht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0122] Die Banenibefreinng in Preußen von den Höfen, Ackern und Wiesen, welche ihnen einmal eingethan, nur ge¬ ringe jährliche Pacht, müssen dagegen aber allerhand ungemessne Frohndienste ohne Limitation und Gewißheit leisten; auch sind sie und ihre Söhne nicht mächtig, ohne Vorwissen der Obrigkeit und Erlassung der Leibeigenschaft von den Höfen und Hufen sich wegzubegeben. Demgemäß gehören die Hufen, Äcker, Wiesen u. s. w. einzig und allein der Herrschaft und Obrigkeit jedes Orts, wie denn die Bauern und Cvlvnen gar kein Dominium uso eure-odnen uno ullis nov Mellario irsv vcmsiucki sjureis daran haben, und daher auch nicht ex- vkxtionvul xsrxötuiuz (üoloni^v und, daß sie und ihre Vorfahren die Höfe fünfzig, sechzig, auch wohl hundert Jahre bewohnt haben, vorwenden können." Unter preußischer Herrschaft ward, wie Knapp beweist, Sklaverei im Sinne des römischen Rechtes gesetzlich nicht mehr geduldet; die Bauernvrduung von 1704 sagt ausdrücklich, daß die pommerschen Bauer» nicht verschenkt, verkauft, oder als roh in ooiruriöroio behandelt werden können. Doch macht, wie Knapp anführt, ein Kenner der pommerschen Zustände zum Jahre 1764 die Bemer¬ kung: „Es waren damals noch nicht fünfzig Jahre verflossen, seit ein pom- merischer Edelmann eine ganze Bauernfamilie gegen eine Koppel Jagdhunde vertauscht hatte." Die Folge dieser Umwandlung war zunächst eine gewaltige Vergrößerung der Adelsgüter und eine entsprechende Verminderung des Vauerulaudes. „Es ist kein Zweifel — sagt Knapp, an den wir uns fortan ausschließlich halten (und zwar an deu ersten Teil seines Werkes, der zweite enthält die urkund¬ lichen Belege) —> daß der Vestaud an Vanern noch bedeutend verringert worden wäre, wenn sich nicht von Anfang des achtzehnten Jahrhunderts an die preußischen Könige ein Ziel gesetzt hätten, das den Kurfürsten aus demselben Hause noch ganz fern geblieben war: das Ziel, womöglich wieder die Zahl der Bauern zu vermehren, jedenfalls aber die Zahl der Stellen und den Um¬ fang des dazu gehörigen Landes von nun an durch Maßregeln der Gesetz¬ gebung festzuhalten. Der Inhalt dieser Gesetzgebung läßt sich kurz als Schutz des Vauerulaudes und des Bauernstandes bezeichnen: des Banernlandes, damit es nicht weiter den herrschaftlichen Güter», seien es nun Privatgüter oder Doinänengüter, einverleibt werde; des Vanernstandes, damit für ihn stets die Zahl der Stellen mindestens ebenso groß bleibe, weshalb es auch verboten war, Bauerngüter zusammenzuschlagen, das heißt ans mehreren eins zu machen. Man beachte, daß dies, wenn wir es auch kurz als Bauernschutz bezeichnen, doch keineswegs ein Schutz des einzelnen Vanern in seinem Besitz war. Ob dieser oder jener Bauer auf der Stelle saß, war für die hier zu be¬ trachtenden Maßregeln gleichgiltig. Die Maßregel war polizeilich, nicht privatrechtlich." Doch geht aus Knapps Darstellung hervor, daß die Könige, menschen¬ freundlichen Sinns, auch das Privatrecht der Bauern zu verbessern bemüht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/122
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/122>, abgerufen am 23.07.2024.