Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Banernbefrenmg in Preußen

nicht zugemutet wurde, ihre Freiheit zu opfern, Sie wurden dem Grundherrn,
der ihnen den Boden zur Anlegung von Dörfern abtrat, zinspflichtig, aber
diese Zinspslicht war nichts als die damalige Form der Bezahlung. Es ver¬
steht sich sür die damalige Zeit von selbst, daß ein Landgut nicht mit Geld¬
kapital, sondern nur mit einem entweder in Geld oder in Naturalien zu ent¬
richtenden Zinse gekauft werden konnte. Unterthänig war der Bauer niemandem
als dein Landesherrn; dem Gutsherrn nur dann, wenn dieser zugleich Landes¬
herr war. Die Gemeindeangelegenheiten wurde" von den mit dem Rechte der
Selbstverwaltung ausgestatteten Dorfgenossen erledigt. Infolge verschiedner
zusammenwirkenden Ursachen gingen jedoch allmählich viele obrigkeitliche Rechte
an die Gutsherren über, sodaß die Bauern deren Unterthanen wurden. Die
Leistungen für Staat und Landesherrn, zu denen diese verpflichtet waren, nahm
der Gutsherr für sich in Anspruch, und so entstanden von der Mitte des
fünfzehnten Jahrhunderts ab die Roboten und Frohndienste. Die Juristen,
deren Macht mit dem Eingehen der volkstümlichen Rechtspflege überhandnahm,
kamen dem Interesse der Ritter mit den Anschauungen des römischen Rechtes
entgegen, das weder geteiltes noch gebundenes Eigentum "kennt, indem sie, wie
sich Röscher ausdrückt, jede Neallast für einen Beweis persönlicher Unfreiheit
nahmen. So wurde der Bauer für unfrei, und sein Acker für Eigentum des
Gutsherrn erklärt. Daraus folgte dann weiter, daß er einerseits an die Scholle
gebunden war, anderseits aber auch, weil er keinen Rechtsanspruch mehr auf sie
hatte, von ihr vertrieben werden konnte. Je nachdem der Ritterschaft mehr an
den Diensten der Leibeignen oder an deren Ackern gelegen war, wurde die eine
oder die andre Seite des neuen Herrenrechtes hervorgekehrt. Die massenhafte
Einziehung von Bauerugütern zum Herrengute nannte man das Bauernlegen.
Zur Veranschaulichung des Gegensatzes zwischen dem frühern und dem spätern
Zustande mögen zwei Stellen aus der Geschichte des Bauernstandes in Pommern
und Rügen bis zum dreißigjährigen Kriege von Fuchs dienen. In der zwischen
1532 und 1541 verfaßten ?oiinnorg>iua des Thomas Kantzow wird n. a. von
Rügen gesagt: "Die pawren stehen in diesem lande wohl und seint reich, den
sie haben jre bescheidene ziuse und dienst, und darüber thun sie nichts; und
die meisten thun gar keine dienstc, sondern geben gelt dafür, daher es khumpt,
das die pawren sich als frey achten und dem gemeinen adel nicht nachgeben
wollen. Darin sie von deswegen so viel mehr gemutet werden, das offte ein
armer edelmau einem reichen pawren hielte tvchter gibt und die linder sich
danach halbcdel achten." Dagegen heißt es in der "erweiterten und erklärten
Bauern- und Schäferordnung," die am 16. Mai 1616 für das Stettinische
Pommern veröffentlicht wurde: "Die Bauern sind in unserm Herzogtum und
Land keine Knrxiiz^Lukas, Erbzins- oder Pachtleute ^die Erinnerung an den
ehemaligen freien Besitz ist hier, wie man sieht, schon gänzlich geschwunden >,
sondern Leibeigne, nominW proprii und coloni glolmo a<l8vririU, und geben


Grenzboten I 1891 16
Die Banernbefrenmg in Preußen

nicht zugemutet wurde, ihre Freiheit zu opfern, Sie wurden dem Grundherrn,
der ihnen den Boden zur Anlegung von Dörfern abtrat, zinspflichtig, aber
diese Zinspslicht war nichts als die damalige Form der Bezahlung. Es ver¬
steht sich sür die damalige Zeit von selbst, daß ein Landgut nicht mit Geld¬
kapital, sondern nur mit einem entweder in Geld oder in Naturalien zu ent¬
richtenden Zinse gekauft werden konnte. Unterthänig war der Bauer niemandem
als dein Landesherrn; dem Gutsherrn nur dann, wenn dieser zugleich Landes¬
herr war. Die Gemeindeangelegenheiten wurde» von den mit dem Rechte der
Selbstverwaltung ausgestatteten Dorfgenossen erledigt. Infolge verschiedner
zusammenwirkenden Ursachen gingen jedoch allmählich viele obrigkeitliche Rechte
an die Gutsherren über, sodaß die Bauern deren Unterthanen wurden. Die
Leistungen für Staat und Landesherrn, zu denen diese verpflichtet waren, nahm
der Gutsherr für sich in Anspruch, und so entstanden von der Mitte des
fünfzehnten Jahrhunderts ab die Roboten und Frohndienste. Die Juristen,
deren Macht mit dem Eingehen der volkstümlichen Rechtspflege überhandnahm,
kamen dem Interesse der Ritter mit den Anschauungen des römischen Rechtes
entgegen, das weder geteiltes noch gebundenes Eigentum "kennt, indem sie, wie
sich Röscher ausdrückt, jede Neallast für einen Beweis persönlicher Unfreiheit
nahmen. So wurde der Bauer für unfrei, und sein Acker für Eigentum des
Gutsherrn erklärt. Daraus folgte dann weiter, daß er einerseits an die Scholle
gebunden war, anderseits aber auch, weil er keinen Rechtsanspruch mehr auf sie
hatte, von ihr vertrieben werden konnte. Je nachdem der Ritterschaft mehr an
den Diensten der Leibeignen oder an deren Ackern gelegen war, wurde die eine
oder die andre Seite des neuen Herrenrechtes hervorgekehrt. Die massenhafte
Einziehung von Bauerugütern zum Herrengute nannte man das Bauernlegen.
Zur Veranschaulichung des Gegensatzes zwischen dem frühern und dem spätern
Zustande mögen zwei Stellen aus der Geschichte des Bauernstandes in Pommern
und Rügen bis zum dreißigjährigen Kriege von Fuchs dienen. In der zwischen
1532 und 1541 verfaßten ?oiinnorg>iua des Thomas Kantzow wird n. a. von
Rügen gesagt: „Die pawren stehen in diesem lande wohl und seint reich, den
sie haben jre bescheidene ziuse und dienst, und darüber thun sie nichts; und
die meisten thun gar keine dienstc, sondern geben gelt dafür, daher es khumpt,
das die pawren sich als frey achten und dem gemeinen adel nicht nachgeben
wollen. Darin sie von deswegen so viel mehr gemutet werden, das offte ein
armer edelmau einem reichen pawren hielte tvchter gibt und die linder sich
danach halbcdel achten." Dagegen heißt es in der „erweiterten und erklärten
Bauern- und Schäferordnung," die am 16. Mai 1616 für das Stettinische
Pommern veröffentlicht wurde: „Die Bauern sind in unserm Herzogtum und
Land keine Knrxiiz^Lukas, Erbzins- oder Pachtleute ^die Erinnerung an den
ehemaligen freien Besitz ist hier, wie man sieht, schon gänzlich geschwunden >,
sondern Leibeigne, nominW proprii und coloni glolmo a<l8vririU, und geben


Grenzboten I 1891 16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/209354"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Banernbefrenmg in Preußen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_338" prev="#ID_337" next="#ID_339"> nicht zugemutet wurde, ihre Freiheit zu opfern, Sie wurden dem Grundherrn,<lb/>
der ihnen den Boden zur Anlegung von Dörfern abtrat, zinspflichtig, aber<lb/>
diese Zinspslicht war nichts als die damalige Form der Bezahlung. Es ver¬<lb/>
steht sich sür die damalige Zeit von selbst, daß ein Landgut nicht mit Geld¬<lb/>
kapital, sondern nur mit einem entweder in Geld oder in Naturalien zu ent¬<lb/>
richtenden Zinse gekauft werden konnte. Unterthänig war der Bauer niemandem<lb/>
als dein Landesherrn; dem Gutsherrn nur dann, wenn dieser zugleich Landes¬<lb/>
herr war. Die Gemeindeangelegenheiten wurde» von den mit dem Rechte der<lb/>
Selbstverwaltung ausgestatteten Dorfgenossen erledigt. Infolge verschiedner<lb/>
zusammenwirkenden Ursachen gingen jedoch allmählich viele obrigkeitliche Rechte<lb/>
an die Gutsherren über, sodaß die Bauern deren Unterthanen wurden. Die<lb/>
Leistungen für Staat und Landesherrn, zu denen diese verpflichtet waren, nahm<lb/>
der Gutsherr für sich in Anspruch, und so entstanden von der Mitte des<lb/>
fünfzehnten Jahrhunderts ab die Roboten und Frohndienste. Die Juristen,<lb/>
deren Macht mit dem Eingehen der volkstümlichen Rechtspflege überhandnahm,<lb/>
kamen dem Interesse der Ritter mit den Anschauungen des römischen Rechtes<lb/>
entgegen, das weder geteiltes noch gebundenes Eigentum "kennt, indem sie, wie<lb/>
sich Röscher ausdrückt, jede Neallast für einen Beweis persönlicher Unfreiheit<lb/>
nahmen. So wurde der Bauer für unfrei, und sein Acker für Eigentum des<lb/>
Gutsherrn erklärt. Daraus folgte dann weiter, daß er einerseits an die Scholle<lb/>
gebunden war, anderseits aber auch, weil er keinen Rechtsanspruch mehr auf sie<lb/>
hatte, von ihr vertrieben werden konnte. Je nachdem der Ritterschaft mehr an<lb/>
den Diensten der Leibeignen oder an deren Ackern gelegen war, wurde die eine<lb/>
oder die andre Seite des neuen Herrenrechtes hervorgekehrt. Die massenhafte<lb/>
Einziehung von Bauerugütern zum Herrengute nannte man das Bauernlegen.<lb/>
Zur Veranschaulichung des Gegensatzes zwischen dem frühern und dem spätern<lb/>
Zustande mögen zwei Stellen aus der Geschichte des Bauernstandes in Pommern<lb/>
und Rügen bis zum dreißigjährigen Kriege von Fuchs dienen. In der zwischen<lb/>
1532 und 1541 verfaßten ?oiinnorg&gt;iua des Thomas Kantzow wird n. a. von<lb/>
Rügen gesagt: &#x201E;Die pawren stehen in diesem lande wohl und seint reich, den<lb/>
sie haben jre bescheidene ziuse und dienst, und darüber thun sie nichts; und<lb/>
die meisten thun gar keine dienstc, sondern geben gelt dafür, daher es khumpt,<lb/>
das die pawren sich als frey achten und dem gemeinen adel nicht nachgeben<lb/>
wollen. Darin sie von deswegen so viel mehr gemutet werden, das offte ein<lb/>
armer edelmau einem reichen pawren hielte tvchter gibt und die linder sich<lb/>
danach halbcdel achten." Dagegen heißt es in der &#x201E;erweiterten und erklärten<lb/>
Bauern- und Schäferordnung," die am 16. Mai 1616 für das Stettinische<lb/>
Pommern veröffentlicht wurde: &#x201E;Die Bauern sind in unserm Herzogtum und<lb/>
Land keine Knrxiiz^Lukas, Erbzins- oder Pachtleute ^die Erinnerung an den<lb/>
ehemaligen freien Besitz ist hier, wie man sieht, schon gänzlich geschwunden &gt;,<lb/>
sondern Leibeigne, nominW proprii und coloni glolmo a&lt;l8vririU, und geben</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1891 16</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] Die Banernbefrenmg in Preußen nicht zugemutet wurde, ihre Freiheit zu opfern, Sie wurden dem Grundherrn, der ihnen den Boden zur Anlegung von Dörfern abtrat, zinspflichtig, aber diese Zinspslicht war nichts als die damalige Form der Bezahlung. Es ver¬ steht sich sür die damalige Zeit von selbst, daß ein Landgut nicht mit Geld¬ kapital, sondern nur mit einem entweder in Geld oder in Naturalien zu ent¬ richtenden Zinse gekauft werden konnte. Unterthänig war der Bauer niemandem als dein Landesherrn; dem Gutsherrn nur dann, wenn dieser zugleich Landes¬ herr war. Die Gemeindeangelegenheiten wurde» von den mit dem Rechte der Selbstverwaltung ausgestatteten Dorfgenossen erledigt. Infolge verschiedner zusammenwirkenden Ursachen gingen jedoch allmählich viele obrigkeitliche Rechte an die Gutsherren über, sodaß die Bauern deren Unterthanen wurden. Die Leistungen für Staat und Landesherrn, zu denen diese verpflichtet waren, nahm der Gutsherr für sich in Anspruch, und so entstanden von der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts ab die Roboten und Frohndienste. Die Juristen, deren Macht mit dem Eingehen der volkstümlichen Rechtspflege überhandnahm, kamen dem Interesse der Ritter mit den Anschauungen des römischen Rechtes entgegen, das weder geteiltes noch gebundenes Eigentum "kennt, indem sie, wie sich Röscher ausdrückt, jede Neallast für einen Beweis persönlicher Unfreiheit nahmen. So wurde der Bauer für unfrei, und sein Acker für Eigentum des Gutsherrn erklärt. Daraus folgte dann weiter, daß er einerseits an die Scholle gebunden war, anderseits aber auch, weil er keinen Rechtsanspruch mehr auf sie hatte, von ihr vertrieben werden konnte. Je nachdem der Ritterschaft mehr an den Diensten der Leibeignen oder an deren Ackern gelegen war, wurde die eine oder die andre Seite des neuen Herrenrechtes hervorgekehrt. Die massenhafte Einziehung von Bauerugütern zum Herrengute nannte man das Bauernlegen. Zur Veranschaulichung des Gegensatzes zwischen dem frühern und dem spätern Zustande mögen zwei Stellen aus der Geschichte des Bauernstandes in Pommern und Rügen bis zum dreißigjährigen Kriege von Fuchs dienen. In der zwischen 1532 und 1541 verfaßten ?oiinnorg>iua des Thomas Kantzow wird n. a. von Rügen gesagt: „Die pawren stehen in diesem lande wohl und seint reich, den sie haben jre bescheidene ziuse und dienst, und darüber thun sie nichts; und die meisten thun gar keine dienstc, sondern geben gelt dafür, daher es khumpt, das die pawren sich als frey achten und dem gemeinen adel nicht nachgeben wollen. Darin sie von deswegen so viel mehr gemutet werden, das offte ein armer edelmau einem reichen pawren hielte tvchter gibt und die linder sich danach halbcdel achten." Dagegen heißt es in der „erweiterten und erklärten Bauern- und Schäferordnung," die am 16. Mai 1616 für das Stettinische Pommern veröffentlicht wurde: „Die Bauern sind in unserm Herzogtum und Land keine Knrxiiz^Lukas, Erbzins- oder Pachtleute ^die Erinnerung an den ehemaligen freien Besitz ist hier, wie man sieht, schon gänzlich geschwunden >, sondern Leibeigne, nominW proprii und coloni glolmo a<l8vririU, und geben Grenzboten I 1891 16

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/121
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/121>, abgerufen am 25.08.2024.