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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Fünfzig Öre.

Sein Erstaunen war grenzenlos. Wnr das ein Preis?

Ich kann ihn ebenso gut zu diesem Preise verkaufen, als ihn wieder heim¬
schleppen, sagte der Verkäufer.

Aber das war ja nicht glaublich, einen solchen Baum für fünfzig Öre
zu verkaufen. Das war ja Barbarei, das war ja verrückt. Hielt man hier
oben so mit dem Walde Haus? Der Mann wartete ruhig und sah erwartungs¬
voll aus; er hielt die Mütze in der Hand, ob wohl aus dem Handel etwas
werden würde.

Heute war ein schlechtes Geschäft. So schlimm ist es uoch kein Jahr
gegangen, deshalb verkaufe ich zu jedem. Preise.

Der Mann hatte hier mit seinen Tannen vom frühen Morgen ab ge¬
standen, er war den langen Weg nach der Stadt gekommen, während es noch
finster war, lange bevor der Tag zu grauen begann. Und nun verkaufte er
einen solchen Baum für fünfzig Öre!

Herr Tvbiassen sah aus, als ob er sich besänne. Der Mann mit den
erwartungsvollen Augen stand da und betrachtete ihn, bemüht, seine Gedanken
zu erraten.

War es nun möglich, zu sagen, daß er nur aus Neugierde gefragt habe,
und dann seines Weges zu gehen? sehen zu müssen, wie diese höflich ab¬
wartende Miene in Betrübnis und Groll überging?

Es ist ein Spottpreis, sagte der Mann.

Tragen Sie ihn nach Hause, hier ist meine Karte.

Ich bekomme noch fünfundzwanzig Öre fürs Tragen. Herr Tobiassen
gab ihm seine fünfundsiebzig Öre und ging weiter.

Dort an der Ecke lag ein Blumenladen, klein und unansehnlich, aber mit
so schönen Blumen! Herr Tvbiassen konnte nie unterlassen hineinzusehen, er
war ein Blumenfreund. Da drinnen stand ein junger Mann und sah zu, wie
der Gärtner frische Blumen in einen Korb ordnete, Weiße, rote, vielfarbige, und
unter den Blumen lagen Früchte -- Äpfel, Birnen und große grüne Trauben.
Der junge Mann lachte, er lachte so glückselig, und sein Winterrock war doch
so abgetragen, seine Hände so rot von der Kälte. Aber was dachte er daran!
Es war Weihnachtsabend.

Herr Tvbiassen kehrte rechts um. Das war nicht zum Aushalten. Er
haßte den jungen Mann, der so froh war, er haßte den Gärtner, der so be¬
schäftigt aussah. Was ging es sie an, daß es heute heiliger Abend war? Hatten
sie nötig, sich deshalb zum Narren zu machen? Trauben und Blumen -- Aha, ja.

Es trieb ihn wieder heimwärts. Er wollte nach Hause gehen und Zei¬
tungen lesen und thun, als ob gar nichts loswäre. Nichts? Fehlgeschossen!
Man erwartete doch eine Weihnachtsgabe von ihm, jetzt wo er in der Stadt
gewesen war.


Grenzboten IV I89N 78

Fünfzig Öre.

Sein Erstaunen war grenzenlos. Wnr das ein Preis?

Ich kann ihn ebenso gut zu diesem Preise verkaufen, als ihn wieder heim¬
schleppen, sagte der Verkäufer.

Aber das war ja nicht glaublich, einen solchen Baum für fünfzig Öre
zu verkaufen. Das war ja Barbarei, das war ja verrückt. Hielt man hier
oben so mit dem Walde Haus? Der Mann wartete ruhig und sah erwartungs¬
voll aus; er hielt die Mütze in der Hand, ob wohl aus dem Handel etwas
werden würde.

Heute war ein schlechtes Geschäft. So schlimm ist es uoch kein Jahr
gegangen, deshalb verkaufe ich zu jedem. Preise.

Der Mann hatte hier mit seinen Tannen vom frühen Morgen ab ge¬
standen, er war den langen Weg nach der Stadt gekommen, während es noch
finster war, lange bevor der Tag zu grauen begann. Und nun verkaufte er
einen solchen Baum für fünfzig Öre!

Herr Tvbiassen sah aus, als ob er sich besänne. Der Mann mit den
erwartungsvollen Augen stand da und betrachtete ihn, bemüht, seine Gedanken
zu erraten.

War es nun möglich, zu sagen, daß er nur aus Neugierde gefragt habe,
und dann seines Weges zu gehen? sehen zu müssen, wie diese höflich ab¬
wartende Miene in Betrübnis und Groll überging?

Es ist ein Spottpreis, sagte der Mann.

Tragen Sie ihn nach Hause, hier ist meine Karte.

Ich bekomme noch fünfundzwanzig Öre fürs Tragen. Herr Tobiassen
gab ihm seine fünfundsiebzig Öre und ging weiter.

Dort an der Ecke lag ein Blumenladen, klein und unansehnlich, aber mit
so schönen Blumen! Herr Tvbiassen konnte nie unterlassen hineinzusehen, er
war ein Blumenfreund. Da drinnen stand ein junger Mann und sah zu, wie
der Gärtner frische Blumen in einen Korb ordnete, Weiße, rote, vielfarbige, und
unter den Blumen lagen Früchte — Äpfel, Birnen und große grüne Trauben.
Der junge Mann lachte, er lachte so glückselig, und sein Winterrock war doch
so abgetragen, seine Hände so rot von der Kälte. Aber was dachte er daran!
Es war Weihnachtsabend.

Herr Tvbiassen kehrte rechts um. Das war nicht zum Aushalten. Er
haßte den jungen Mann, der so froh war, er haßte den Gärtner, der so be¬
schäftigt aussah. Was ging es sie an, daß es heute heiliger Abend war? Hatten
sie nötig, sich deshalb zum Narren zu machen? Trauben und Blumen — Aha, ja.

Es trieb ihn wieder heimwärts. Er wollte nach Hause gehen und Zei¬
tungen lesen und thun, als ob gar nichts loswäre. Nichts? Fehlgeschossen!
Man erwartete doch eine Weihnachtsgabe von ihm, jetzt wo er in der Stadt
gewesen war.


Grenzboten IV I89N 78
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[0625] Fünfzig Öre. Sein Erstaunen war grenzenlos. Wnr das ein Preis? Ich kann ihn ebenso gut zu diesem Preise verkaufen, als ihn wieder heim¬ schleppen, sagte der Verkäufer. Aber das war ja nicht glaublich, einen solchen Baum für fünfzig Öre zu verkaufen. Das war ja Barbarei, das war ja verrückt. Hielt man hier oben so mit dem Walde Haus? Der Mann wartete ruhig und sah erwartungs¬ voll aus; er hielt die Mütze in der Hand, ob wohl aus dem Handel etwas werden würde. Heute war ein schlechtes Geschäft. So schlimm ist es uoch kein Jahr gegangen, deshalb verkaufe ich zu jedem. Preise. Der Mann hatte hier mit seinen Tannen vom frühen Morgen ab ge¬ standen, er war den langen Weg nach der Stadt gekommen, während es noch finster war, lange bevor der Tag zu grauen begann. Und nun verkaufte er einen solchen Baum für fünfzig Öre! Herr Tvbiassen sah aus, als ob er sich besänne. Der Mann mit den erwartungsvollen Augen stand da und betrachtete ihn, bemüht, seine Gedanken zu erraten. War es nun möglich, zu sagen, daß er nur aus Neugierde gefragt habe, und dann seines Weges zu gehen? sehen zu müssen, wie diese höflich ab¬ wartende Miene in Betrübnis und Groll überging? Es ist ein Spottpreis, sagte der Mann. Tragen Sie ihn nach Hause, hier ist meine Karte. Ich bekomme noch fünfundzwanzig Öre fürs Tragen. Herr Tobiassen gab ihm seine fünfundsiebzig Öre und ging weiter. Dort an der Ecke lag ein Blumenladen, klein und unansehnlich, aber mit so schönen Blumen! Herr Tvbiassen konnte nie unterlassen hineinzusehen, er war ein Blumenfreund. Da drinnen stand ein junger Mann und sah zu, wie der Gärtner frische Blumen in einen Korb ordnete, Weiße, rote, vielfarbige, und unter den Blumen lagen Früchte — Äpfel, Birnen und große grüne Trauben. Der junge Mann lachte, er lachte so glückselig, und sein Winterrock war doch so abgetragen, seine Hände so rot von der Kälte. Aber was dachte er daran! Es war Weihnachtsabend. Herr Tvbiassen kehrte rechts um. Das war nicht zum Aushalten. Er haßte den jungen Mann, der so froh war, er haßte den Gärtner, der so be¬ schäftigt aussah. Was ging es sie an, daß es heute heiliger Abend war? Hatten sie nötig, sich deshalb zum Narren zu machen? Trauben und Blumen — Aha, ja. Es trieb ihn wieder heimwärts. Er wollte nach Hause gehen und Zei¬ tungen lesen und thun, als ob gar nichts loswäre. Nichts? Fehlgeschossen! Man erwartete doch eine Weihnachtsgabe von ihm, jetzt wo er in der Stadt gewesen war. Grenzboten IV I89N 78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/625>, abgerufen am 23.07.2024.