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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Ordensmitgliedern das Recht der juristischen Persönlichkeit, die Rechte einer
Körperschaft einräumen, und wer den Unterschied zwischen einer solchen Ein¬
räumung und der Gestaltung friedlichen Zusammenlebens nicht einsieht, der
will ihn entweder nicht begreifen, oder er hat ein dickes Brett vor dein
Kopfe,

Eine Ordensniederlasfung ist nach der Lehre der katholische" Kirche, nach
katholischem "Kirchenrecht,"") eine Anstalt für die Vereinigung einer Mehrzahl
von Personen, die sich durch Gelübde zu gleicher Lebenssührung verpflichtet haben;
die Gelübde haben bei verschiednen Orden verschiednen Inhalt, allen Orden ge¬
meinschaftlich ist aber das Gelübde der Armut -- der Armut in dein Sinne, daß kein
einzelnes Ordensmitglied eignes Vermögen haben darf. Dein Orden als solchem
oder der einzelnen Anstalt ist Vermögensbcsitz keineswegs verboten: die Anstalt
selbst, das Haus, das Kloster, in dem sich die Ordensgenossen zusammenfinden,
stellt ja schon einen Vermögensbesitz vor, ein Vermögen ohne Herren ist der
bare Unsinn (wenn auch katholische Juristen mit Aufwand von viel Gelehrsam¬
keit das Vernnnftmäßige eines solchen Vermögens verteidigt haben, und der
Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich den Unsinn durch
seine Bestimmungen über die juristische Persönlichkeit der Stiftungen sanktioniren
null), und wem soll das Vermögen, das die Anstalt, das Haus u. s. w, dar¬
stellt, gehören als dem Orden? Die Ordensgenossen müssen Wohnung, müssen
Kleidung, müssen Nahrung haben; das alles läßt sich, wenn auch noch so
bescheiden gehalten, ohne Geld oder Geldcswert nicht beschaffen, das einzelne
Mitglied darf solches nicht sein Eigentum nennen, also muß es dem Orden,
der Anstalt gehören, muß der Orden Vermögen haben, muß der Orden ver¬
mögensfähig sein; das ist die vollkommen folgerichtige Kirchenlehre. Und
daß die Orden ihren Vermvgensbesitz keineswegs auf das zum Lebensunter¬
halte der Genossen Unentbehrliche beschränken, ist bekannt genug. Es ist klar:
läßt der Staat eine Ordensniederlassnng im Sinne der katholischen Kirche zu,
so erkennt er eben damit die Vermögensfähigkeit, die juristische Persönlichkeit
des Ordens an; er mag allenfalls durch Gesetz sein Recht Grundeigentum zu
besitzen beschränken: umso eifriger wird der Orden auf den Erwerb von beweg¬
lichem Vermögen bedacht sein.



Im Staate soll es -- so habe ich um anderen Ort ausgeführt -- zwar ein Kirchen^
recht im Sinn eines vom Staate gesetzten, für die Kirche geltenden, den Kreis ihrer
Autonomie regelnden Rechtes, nicht aber ein Kirchenrecht im Sinn eines von der Kirche ge¬
setzten, neben oder gar über dem Staatsgesetze stehenden Rechtes geben. Das verlangt die
Würde und Ehre des Staates; in Deutschland sind wir aber leider noch nicht dazu gelaugt,
dieses Verlangen in die That umzusetzen, noch heute hat in vielen Gebieten Deutschlands das
kanonische, d. i. das päpstliche Recht, formelle Geltung; das gilt namentlich auch für die
Orden: wo solche anerkannt oder zugelassen sind, da gilt ihre juristische Persönlichkeit für
selbstverständlich. Warum? weil sie sich aus der Konsequenz des katholischen "KircheurechteS"
ergiebt.
Grenzboten IV 1890 69

Ordensmitgliedern das Recht der juristischen Persönlichkeit, die Rechte einer
Körperschaft einräumen, und wer den Unterschied zwischen einer solchen Ein¬
räumung und der Gestaltung friedlichen Zusammenlebens nicht einsieht, der
will ihn entweder nicht begreifen, oder er hat ein dickes Brett vor dein
Kopfe,

Eine Ordensniederlasfung ist nach der Lehre der katholische» Kirche, nach
katholischem „Kirchenrecht,"") eine Anstalt für die Vereinigung einer Mehrzahl
von Personen, die sich durch Gelübde zu gleicher Lebenssührung verpflichtet haben;
die Gelübde haben bei verschiednen Orden verschiednen Inhalt, allen Orden ge¬
meinschaftlich ist aber das Gelübde der Armut — der Armut in dein Sinne, daß kein
einzelnes Ordensmitglied eignes Vermögen haben darf. Dein Orden als solchem
oder der einzelnen Anstalt ist Vermögensbcsitz keineswegs verboten: die Anstalt
selbst, das Haus, das Kloster, in dem sich die Ordensgenossen zusammenfinden,
stellt ja schon einen Vermögensbesitz vor, ein Vermögen ohne Herren ist der
bare Unsinn (wenn auch katholische Juristen mit Aufwand von viel Gelehrsam¬
keit das Vernnnftmäßige eines solchen Vermögens verteidigt haben, und der
Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich den Unsinn durch
seine Bestimmungen über die juristische Persönlichkeit der Stiftungen sanktioniren
null), und wem soll das Vermögen, das die Anstalt, das Haus u. s. w, dar¬
stellt, gehören als dem Orden? Die Ordensgenossen müssen Wohnung, müssen
Kleidung, müssen Nahrung haben; das alles läßt sich, wenn auch noch so
bescheiden gehalten, ohne Geld oder Geldcswert nicht beschaffen, das einzelne
Mitglied darf solches nicht sein Eigentum nennen, also muß es dem Orden,
der Anstalt gehören, muß der Orden Vermögen haben, muß der Orden ver¬
mögensfähig sein; das ist die vollkommen folgerichtige Kirchenlehre. Und
daß die Orden ihren Vermvgensbesitz keineswegs auf das zum Lebensunter¬
halte der Genossen Unentbehrliche beschränken, ist bekannt genug. Es ist klar:
läßt der Staat eine Ordensniederlassnng im Sinne der katholischen Kirche zu,
so erkennt er eben damit die Vermögensfähigkeit, die juristische Persönlichkeit
des Ordens an; er mag allenfalls durch Gesetz sein Recht Grundeigentum zu
besitzen beschränken: umso eifriger wird der Orden auf den Erwerb von beweg¬
lichem Vermögen bedacht sein.



Im Staate soll es — so habe ich um anderen Ort ausgeführt — zwar ein Kirchen^
recht im Sinn eines vom Staate gesetzten, für die Kirche geltenden, den Kreis ihrer
Autonomie regelnden Rechtes, nicht aber ein Kirchenrecht im Sinn eines von der Kirche ge¬
setzten, neben oder gar über dem Staatsgesetze stehenden Rechtes geben. Das verlangt die
Würde und Ehre des Staates; in Deutschland sind wir aber leider noch nicht dazu gelaugt,
dieses Verlangen in die That umzusetzen, noch heute hat in vielen Gebieten Deutschlands das
kanonische, d. i. das päpstliche Recht, formelle Geltung; das gilt namentlich auch für die
Orden: wo solche anerkannt oder zugelassen sind, da gilt ihre juristische Persönlichkeit für
selbstverständlich. Warum? weil sie sich aus der Konsequenz des katholischen „KircheurechteS"
ergiebt.
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[0553] Ordensmitgliedern das Recht der juristischen Persönlichkeit, die Rechte einer Körperschaft einräumen, und wer den Unterschied zwischen einer solchen Ein¬ räumung und der Gestaltung friedlichen Zusammenlebens nicht einsieht, der will ihn entweder nicht begreifen, oder er hat ein dickes Brett vor dein Kopfe, Eine Ordensniederlasfung ist nach der Lehre der katholische» Kirche, nach katholischem „Kirchenrecht,"") eine Anstalt für die Vereinigung einer Mehrzahl von Personen, die sich durch Gelübde zu gleicher Lebenssührung verpflichtet haben; die Gelübde haben bei verschiednen Orden verschiednen Inhalt, allen Orden ge¬ meinschaftlich ist aber das Gelübde der Armut — der Armut in dein Sinne, daß kein einzelnes Ordensmitglied eignes Vermögen haben darf. Dein Orden als solchem oder der einzelnen Anstalt ist Vermögensbcsitz keineswegs verboten: die Anstalt selbst, das Haus, das Kloster, in dem sich die Ordensgenossen zusammenfinden, stellt ja schon einen Vermögensbesitz vor, ein Vermögen ohne Herren ist der bare Unsinn (wenn auch katholische Juristen mit Aufwand von viel Gelehrsam¬ keit das Vernnnftmäßige eines solchen Vermögens verteidigt haben, und der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich den Unsinn durch seine Bestimmungen über die juristische Persönlichkeit der Stiftungen sanktioniren null), und wem soll das Vermögen, das die Anstalt, das Haus u. s. w, dar¬ stellt, gehören als dem Orden? Die Ordensgenossen müssen Wohnung, müssen Kleidung, müssen Nahrung haben; das alles läßt sich, wenn auch noch so bescheiden gehalten, ohne Geld oder Geldcswert nicht beschaffen, das einzelne Mitglied darf solches nicht sein Eigentum nennen, also muß es dem Orden, der Anstalt gehören, muß der Orden Vermögen haben, muß der Orden ver¬ mögensfähig sein; das ist die vollkommen folgerichtige Kirchenlehre. Und daß die Orden ihren Vermvgensbesitz keineswegs auf das zum Lebensunter¬ halte der Genossen Unentbehrliche beschränken, ist bekannt genug. Es ist klar: läßt der Staat eine Ordensniederlassnng im Sinne der katholischen Kirche zu, so erkennt er eben damit die Vermögensfähigkeit, die juristische Persönlichkeit des Ordens an; er mag allenfalls durch Gesetz sein Recht Grundeigentum zu besitzen beschränken: umso eifriger wird der Orden auf den Erwerb von beweg¬ lichem Vermögen bedacht sein. Im Staate soll es — so habe ich um anderen Ort ausgeführt — zwar ein Kirchen^ recht im Sinn eines vom Staate gesetzten, für die Kirche geltenden, den Kreis ihrer Autonomie regelnden Rechtes, nicht aber ein Kirchenrecht im Sinn eines von der Kirche ge¬ setzten, neben oder gar über dem Staatsgesetze stehenden Rechtes geben. Das verlangt die Würde und Ehre des Staates; in Deutschland sind wir aber leider noch nicht dazu gelaugt, dieses Verlangen in die That umzusetzen, noch heute hat in vielen Gebieten Deutschlands das kanonische, d. i. das päpstliche Recht, formelle Geltung; das gilt namentlich auch für die Orden: wo solche anerkannt oder zugelassen sind, da gilt ihre juristische Persönlichkeit für selbstverständlich. Warum? weil sie sich aus der Konsequenz des katholischen „KircheurechteS" ergiebt. Grenzboten IV 1890 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/553>, abgerufen am 25.08.2024.