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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Das Iesnitengesetz

dadurch keinerlei neues Recht geschaffen worden: Ausländer, die sich im Reichs¬
gebiet unbequem machen, können ausgewiesen werden, ein ausländischer Jesuit
ist ein Ausländer, er unterliegt also mit oder ohne Jesuitengesetz unter der
bezeichneten sehr dehnbaren Voraussetzung der Ausweisung. Ein Ausnahmerecht
bestünde hier nur,'wenn das Gesetz vorschriebe, ausländische Jesuiten müßten
ausgewiesen werden; das verlangt aber das Gesetz nicht, und anderseits werden
die eifrigsten Fürsprecher der Jesuiten dem deutschen Reiche wohl nicht ein
Gesetz des Inhalts zumuten wollein "Ausländische Jesuiten, mögen sie sich
durch Proselytenmacherei und Schüren des konfessionellen Unfriedens noch so
unbequem macheu und die innere oder äußere Sicherheit des Reiches gefährden,
dürfen niemals ausgewiesen werden." Aber mich der erste Satz entbehrt der
praktischen Bedeutung; eine solche hätte er, wenn er etwa lautete: "Im Ge¬
biete des deutschen Reiches wird kein Jesuit geduldet"; allein aus dem Gesetz
ergiebt sich das Gegenteil: ausländische Jesuiten können, inländische müssen
im Reichsgebiete geduldet werden. Wie wollte man auch den Ausschluß durch¬
führen? Was macht den Jesuiten? Etwa der lauge schwarze Rock und der
große runde Hut? Gewiß nicht, sondern das Bekenntnis zu den Grundsätzen
des Ordens, die Gesinnung. Man sagt vielleicht: das Ordensgelübde; allem
um dieses kümmert sich der Staat uicht, er erkennt es nicht als verbindlich
an, er überläßt es jedem, ob er arm und ehelos lebe" will, und wenn sich
ein Jesuit bei gesetzwidrigen Thun darauf berufen wollte, daß er dazu durch
die Pflicht des Gehorsams gegen einen "Obern" verbunden gewesen sei, so
läßt der Staat diese Entschuldigung nicht gelten. Also: die Gesinnung macht
den Jesuiten, und so sehr wir es bedauern mögen, daß es unter den deutschen
Katholiken außer deu "Prvfesfeu" uoch viele Jesuiten in diesem Sinne giebt,
ihren Ausschluß aus Deutschland, ihre Achtung wird darum doch kein Ver¬
ständiger verlangen. Der Jesuitismus läßt sich nicht durch Pvlizeimaßregelu
oder andre Gewalt, sondern nur dnrch den echten Protestantismus, d. h. durch
die freie Wissenschaft und durch das praktische Christentum bekämpfen.

So verbleiben uns an praktisch bedeutsamen Bestimmungen des Gesetzes
nur der zweite und der vierte Satz, d. i. das Verbot von Niederlassungen
des Ordens und das Nusweisnngs- und Eiusprechuugsrecht gegenüber deutschen
Ordensmitgliedern. Und hier stehe" wir nicht an zu sagen: So notwendig
jenes Verbot ist, so verwerflich sind diese Beschränkungen. Aber das ist
-- werden uns die Führer der Katholikentage einwerfen -- der helle Wider¬
spruch: jeder einzelne deutsche Jesuit soll leben dürfen, wo er will; wie kann
Ulan daneben verbieten, daß ihrer mehrere friedlich zusammenleben, so lange
sie kein Gesetz verletzen? Ein recht plausibler Einwand, >venu nur eine Ordens-
uiederlassuug nicht etwas andres wäre, als ein friedliches Zusammenleben an
einem Orte oder in einem Hause! Einem Orden der katholischen Kirche die
Niederlassung gestatten, das heißt nichts andres, als einer Vereinigung von


Das Iesnitengesetz

dadurch keinerlei neues Recht geschaffen worden: Ausländer, die sich im Reichs¬
gebiet unbequem machen, können ausgewiesen werden, ein ausländischer Jesuit
ist ein Ausländer, er unterliegt also mit oder ohne Jesuitengesetz unter der
bezeichneten sehr dehnbaren Voraussetzung der Ausweisung. Ein Ausnahmerecht
bestünde hier nur,'wenn das Gesetz vorschriebe, ausländische Jesuiten müßten
ausgewiesen werden; das verlangt aber das Gesetz nicht, und anderseits werden
die eifrigsten Fürsprecher der Jesuiten dem deutschen Reiche wohl nicht ein
Gesetz des Inhalts zumuten wollein „Ausländische Jesuiten, mögen sie sich
durch Proselytenmacherei und Schüren des konfessionellen Unfriedens noch so
unbequem macheu und die innere oder äußere Sicherheit des Reiches gefährden,
dürfen niemals ausgewiesen werden." Aber mich der erste Satz entbehrt der
praktischen Bedeutung; eine solche hätte er, wenn er etwa lautete: „Im Ge¬
biete des deutschen Reiches wird kein Jesuit geduldet"; allein aus dem Gesetz
ergiebt sich das Gegenteil: ausländische Jesuiten können, inländische müssen
im Reichsgebiete geduldet werden. Wie wollte man auch den Ausschluß durch¬
führen? Was macht den Jesuiten? Etwa der lauge schwarze Rock und der
große runde Hut? Gewiß nicht, sondern das Bekenntnis zu den Grundsätzen
des Ordens, die Gesinnung. Man sagt vielleicht: das Ordensgelübde; allem
um dieses kümmert sich der Staat uicht, er erkennt es nicht als verbindlich
an, er überläßt es jedem, ob er arm und ehelos lebe» will, und wenn sich
ein Jesuit bei gesetzwidrigen Thun darauf berufen wollte, daß er dazu durch
die Pflicht des Gehorsams gegen einen „Obern" verbunden gewesen sei, so
läßt der Staat diese Entschuldigung nicht gelten. Also: die Gesinnung macht
den Jesuiten, und so sehr wir es bedauern mögen, daß es unter den deutschen
Katholiken außer deu „Prvfesfeu" uoch viele Jesuiten in diesem Sinne giebt,
ihren Ausschluß aus Deutschland, ihre Achtung wird darum doch kein Ver¬
ständiger verlangen. Der Jesuitismus läßt sich nicht durch Pvlizeimaßregelu
oder andre Gewalt, sondern nur dnrch den echten Protestantismus, d. h. durch
die freie Wissenschaft und durch das praktische Christentum bekämpfen.

So verbleiben uns an praktisch bedeutsamen Bestimmungen des Gesetzes
nur der zweite und der vierte Satz, d. i. das Verbot von Niederlassungen
des Ordens und das Nusweisnngs- und Eiusprechuugsrecht gegenüber deutschen
Ordensmitgliedern. Und hier stehe» wir nicht an zu sagen: So notwendig
jenes Verbot ist, so verwerflich sind diese Beschränkungen. Aber das ist
— werden uns die Führer der Katholikentage einwerfen — der helle Wider¬
spruch: jeder einzelne deutsche Jesuit soll leben dürfen, wo er will; wie kann
Ulan daneben verbieten, daß ihrer mehrere friedlich zusammenleben, so lange
sie kein Gesetz verletzen? Ein recht plausibler Einwand, >venu nur eine Ordens-
uiederlassuug nicht etwas andres wäre, als ein friedliches Zusammenleben an
einem Orte oder in einem Hause! Einem Orden der katholischen Kirche die
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[0552] Das Iesnitengesetz dadurch keinerlei neues Recht geschaffen worden: Ausländer, die sich im Reichs¬ gebiet unbequem machen, können ausgewiesen werden, ein ausländischer Jesuit ist ein Ausländer, er unterliegt also mit oder ohne Jesuitengesetz unter der bezeichneten sehr dehnbaren Voraussetzung der Ausweisung. Ein Ausnahmerecht bestünde hier nur,'wenn das Gesetz vorschriebe, ausländische Jesuiten müßten ausgewiesen werden; das verlangt aber das Gesetz nicht, und anderseits werden die eifrigsten Fürsprecher der Jesuiten dem deutschen Reiche wohl nicht ein Gesetz des Inhalts zumuten wollein „Ausländische Jesuiten, mögen sie sich durch Proselytenmacherei und Schüren des konfessionellen Unfriedens noch so unbequem macheu und die innere oder äußere Sicherheit des Reiches gefährden, dürfen niemals ausgewiesen werden." Aber mich der erste Satz entbehrt der praktischen Bedeutung; eine solche hätte er, wenn er etwa lautete: „Im Ge¬ biete des deutschen Reiches wird kein Jesuit geduldet"; allein aus dem Gesetz ergiebt sich das Gegenteil: ausländische Jesuiten können, inländische müssen im Reichsgebiete geduldet werden. Wie wollte man auch den Ausschluß durch¬ führen? Was macht den Jesuiten? Etwa der lauge schwarze Rock und der große runde Hut? Gewiß nicht, sondern das Bekenntnis zu den Grundsätzen des Ordens, die Gesinnung. Man sagt vielleicht: das Ordensgelübde; allem um dieses kümmert sich der Staat uicht, er erkennt es nicht als verbindlich an, er überläßt es jedem, ob er arm und ehelos lebe» will, und wenn sich ein Jesuit bei gesetzwidrigen Thun darauf berufen wollte, daß er dazu durch die Pflicht des Gehorsams gegen einen „Obern" verbunden gewesen sei, so läßt der Staat diese Entschuldigung nicht gelten. Also: die Gesinnung macht den Jesuiten, und so sehr wir es bedauern mögen, daß es unter den deutschen Katholiken außer deu „Prvfesfeu" uoch viele Jesuiten in diesem Sinne giebt, ihren Ausschluß aus Deutschland, ihre Achtung wird darum doch kein Ver¬ ständiger verlangen. Der Jesuitismus läßt sich nicht durch Pvlizeimaßregelu oder andre Gewalt, sondern nur dnrch den echten Protestantismus, d. h. durch die freie Wissenschaft und durch das praktische Christentum bekämpfen. So verbleiben uns an praktisch bedeutsamen Bestimmungen des Gesetzes nur der zweite und der vierte Satz, d. i. das Verbot von Niederlassungen des Ordens und das Nusweisnngs- und Eiusprechuugsrecht gegenüber deutschen Ordensmitgliedern. Und hier stehe» wir nicht an zu sagen: So notwendig jenes Verbot ist, so verwerflich sind diese Beschränkungen. Aber das ist — werden uns die Führer der Katholikentage einwerfen — der helle Wider¬ spruch: jeder einzelne deutsche Jesuit soll leben dürfen, wo er will; wie kann Ulan daneben verbieten, daß ihrer mehrere friedlich zusammenleben, so lange sie kein Gesetz verletzen? Ein recht plausibler Einwand, >venu nur eine Ordens- uiederlassuug nicht etwas andres wäre, als ein friedliches Zusammenleben an einem Orte oder in einem Hause! Einem Orden der katholischen Kirche die Niederlassung gestatten, das heißt nichts andres, als einer Vereinigung von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/552>, abgerufen am 25.08.2024.