Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Iesilitenpetitionen

kollegs in Rom, äußerte ohne Scheu: "Zwischen Protestanten und Katholiken
giebt es kein Gegenrccht der Toleranz. Zwar sind die Protestanten, weil sie
eine Irrlehre haben, zur Toleranz gegen die Katholiken verpflichtet, diese aber
nicht zu derselben Pflicht gegen die Protestanten verbunden." Das war die
jesuitische Auffassung der Freiheit.

Stellen wir dieser Auffassung die Bismcircks gegenüber! In seinem
schönen Briefe an das englische Parlamentsmitglied Kinnaird, der mitten
aus dem Kulturkampfe heraus geschrieben ist, sagte er: "Ich freue mich, mit
Ihnen in dem Grundsatz einverstanden zu sein, daß in einem geordneten Ge¬
meinwesen jede Person und jedes Bekenntnis das Maß von Freiheit genießen
soll, das mit der Freiheit der übrigen und mit der Sicherheit und Unab¬
hängigkeit des Landes vereinbar ist." Auch die Hohenzollern haben sich stets,
und es ist das ihr schönster Ruhm, zu diesem Freiheitsbegriff bekannt. Er
erlaubte ihnen, den hohen Beruf zu erfassen. der sie vor allen Dynastien
Europas auszeichnet, und der der Monarchie selbst eine höhere Bedeutung
giebt, nämlich die, beiden christlichen Kirchen gleiche Achtung, gleiches Ver¬
trauen, gleiches Recht zu gewähren. Diese Parität ist ebenso sehr ein aus¬
gesprochener Grundsatz der protestantischen Welt, wie sie den Jesuiten ein
Greuel ist. Sie ziehen lieber den Krieg bis aufs äußerste vor, als sie anzu¬
erkennen. "Die katholischen Dogmen, schrieb die Germania im Jahre 1872,
sind das Werk des heiligen Geistes, unbedingt verpflichtend für jeden Katho¬
liken, unabänderlich für alle Zeiten! Schließen diese Dogmen also Forderungen
in sich, die die weltliche Macht nicht zugestehen kann oder will, so ist damit
der Krieg zwischen Kirche und Staat proklamirt, und zwar der Krieg bis aufs
äußerste." Gewiß, die Freiheit, die die Jesuiten verlangen, ist nicht mehr
mit der Sicherheit und Unabhängigkeit unsers Landes vereinbar. Sie ist ein
Aushängeschild für die, die die vollste Religionsfreiheit für sich beanspruchen,
die aber immer bereit sind, jede andre Religion zu unterdrücken.

So viel steht fest: Gegenüber einer Gesellschaft, die bei dem Eintritt in
ihren Orden das Gelübde abnimmt: "Ich habe keine Eltern, ich habe keine
Familie, Vater und Mutter sind mir gestorben, ich habe keine Heimat, kein
Vaterland, keinen Gegenstand der Liebe und Verehrung, als allein den Orden,"
gegenüber einer solchen Gesellschaft werden wir gut thun, den Z 1 des Ge¬
setzes vom 4. Juli 1872 beizubehalten: "Der Orden der Gesellschaft Jesu und
die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom
Gebiete des deutschen Reiches ausgeschlossen."




Die Iesilitenpetitionen

kollegs in Rom, äußerte ohne Scheu: „Zwischen Protestanten und Katholiken
giebt es kein Gegenrccht der Toleranz. Zwar sind die Protestanten, weil sie
eine Irrlehre haben, zur Toleranz gegen die Katholiken verpflichtet, diese aber
nicht zu derselben Pflicht gegen die Protestanten verbunden." Das war die
jesuitische Auffassung der Freiheit.

Stellen wir dieser Auffassung die Bismcircks gegenüber! In seinem
schönen Briefe an das englische Parlamentsmitglied Kinnaird, der mitten
aus dem Kulturkampfe heraus geschrieben ist, sagte er: „Ich freue mich, mit
Ihnen in dem Grundsatz einverstanden zu sein, daß in einem geordneten Ge¬
meinwesen jede Person und jedes Bekenntnis das Maß von Freiheit genießen
soll, das mit der Freiheit der übrigen und mit der Sicherheit und Unab¬
hängigkeit des Landes vereinbar ist." Auch die Hohenzollern haben sich stets,
und es ist das ihr schönster Ruhm, zu diesem Freiheitsbegriff bekannt. Er
erlaubte ihnen, den hohen Beruf zu erfassen. der sie vor allen Dynastien
Europas auszeichnet, und der der Monarchie selbst eine höhere Bedeutung
giebt, nämlich die, beiden christlichen Kirchen gleiche Achtung, gleiches Ver¬
trauen, gleiches Recht zu gewähren. Diese Parität ist ebenso sehr ein aus¬
gesprochener Grundsatz der protestantischen Welt, wie sie den Jesuiten ein
Greuel ist. Sie ziehen lieber den Krieg bis aufs äußerste vor, als sie anzu¬
erkennen. „Die katholischen Dogmen, schrieb die Germania im Jahre 1872,
sind das Werk des heiligen Geistes, unbedingt verpflichtend für jeden Katho¬
liken, unabänderlich für alle Zeiten! Schließen diese Dogmen also Forderungen
in sich, die die weltliche Macht nicht zugestehen kann oder will, so ist damit
der Krieg zwischen Kirche und Staat proklamirt, und zwar der Krieg bis aufs
äußerste." Gewiß, die Freiheit, die die Jesuiten verlangen, ist nicht mehr
mit der Sicherheit und Unabhängigkeit unsers Landes vereinbar. Sie ist ein
Aushängeschild für die, die die vollste Religionsfreiheit für sich beanspruchen,
die aber immer bereit sind, jede andre Religion zu unterdrücken.

So viel steht fest: Gegenüber einer Gesellschaft, die bei dem Eintritt in
ihren Orden das Gelübde abnimmt: „Ich habe keine Eltern, ich habe keine
Familie, Vater und Mutter sind mir gestorben, ich habe keine Heimat, kein
Vaterland, keinen Gegenstand der Liebe und Verehrung, als allein den Orden,"
gegenüber einer solchen Gesellschaft werden wir gut thun, den Z 1 des Ge¬
setzes vom 4. Juli 1872 beizubehalten: „Der Orden der Gesellschaft Jesu und
die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom
Gebiete des deutschen Reiches ausgeschlossen."




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208991"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Iesilitenpetitionen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1193" prev="#ID_1192"> kollegs in Rom, äußerte ohne Scheu: &#x201E;Zwischen Protestanten und Katholiken<lb/>
giebt es kein Gegenrccht der Toleranz. Zwar sind die Protestanten, weil sie<lb/>
eine Irrlehre haben, zur Toleranz gegen die Katholiken verpflichtet, diese aber<lb/>
nicht zu derselben Pflicht gegen die Protestanten verbunden." Das war die<lb/>
jesuitische Auffassung der Freiheit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1194"> Stellen wir dieser Auffassung die Bismcircks gegenüber! In seinem<lb/>
schönen Briefe an das englische Parlamentsmitglied Kinnaird, der mitten<lb/>
aus dem Kulturkampfe heraus geschrieben ist, sagte er: &#x201E;Ich freue mich, mit<lb/>
Ihnen in dem Grundsatz einverstanden zu sein, daß in einem geordneten Ge¬<lb/>
meinwesen jede Person und jedes Bekenntnis das Maß von Freiheit genießen<lb/>
soll, das mit der Freiheit der übrigen und mit der Sicherheit und Unab¬<lb/>
hängigkeit des Landes vereinbar ist." Auch die Hohenzollern haben sich stets,<lb/>
und es ist das ihr schönster Ruhm, zu diesem Freiheitsbegriff bekannt. Er<lb/>
erlaubte ihnen, den hohen Beruf zu erfassen. der sie vor allen Dynastien<lb/>
Europas auszeichnet, und der der Monarchie selbst eine höhere Bedeutung<lb/>
giebt, nämlich die, beiden christlichen Kirchen gleiche Achtung, gleiches Ver¬<lb/>
trauen, gleiches Recht zu gewähren. Diese Parität ist ebenso sehr ein aus¬<lb/>
gesprochener Grundsatz der protestantischen Welt, wie sie den Jesuiten ein<lb/>
Greuel ist. Sie ziehen lieber den Krieg bis aufs äußerste vor, als sie anzu¬<lb/>
erkennen. &#x201E;Die katholischen Dogmen, schrieb die Germania im Jahre 1872,<lb/>
sind das Werk des heiligen Geistes, unbedingt verpflichtend für jeden Katho¬<lb/>
liken, unabänderlich für alle Zeiten! Schließen diese Dogmen also Forderungen<lb/>
in sich, die die weltliche Macht nicht zugestehen kann oder will, so ist damit<lb/>
der Krieg zwischen Kirche und Staat proklamirt, und zwar der Krieg bis aufs<lb/>
äußerste." Gewiß, die Freiheit, die die Jesuiten verlangen, ist nicht mehr<lb/>
mit der Sicherheit und Unabhängigkeit unsers Landes vereinbar. Sie ist ein<lb/>
Aushängeschild für die, die die vollste Religionsfreiheit für sich beanspruchen,<lb/>
die aber immer bereit sind, jede andre Religion zu unterdrücken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1195"> So viel steht fest: Gegenüber einer Gesellschaft, die bei dem Eintritt in<lb/>
ihren Orden das Gelübde abnimmt: &#x201E;Ich habe keine Eltern, ich habe keine<lb/>
Familie, Vater und Mutter sind mir gestorben, ich habe keine Heimat, kein<lb/>
Vaterland, keinen Gegenstand der Liebe und Verehrung, als allein den Orden,"<lb/>
gegenüber einer solchen Gesellschaft werden wir gut thun, den Z 1 des Ge¬<lb/>
setzes vom 4. Juli 1872 beizubehalten: &#x201E;Der Orden der Gesellschaft Jesu und<lb/>
die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom<lb/>
Gebiete des deutschen Reiches ausgeschlossen."</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0412] Die Iesilitenpetitionen kollegs in Rom, äußerte ohne Scheu: „Zwischen Protestanten und Katholiken giebt es kein Gegenrccht der Toleranz. Zwar sind die Protestanten, weil sie eine Irrlehre haben, zur Toleranz gegen die Katholiken verpflichtet, diese aber nicht zu derselben Pflicht gegen die Protestanten verbunden." Das war die jesuitische Auffassung der Freiheit. Stellen wir dieser Auffassung die Bismcircks gegenüber! In seinem schönen Briefe an das englische Parlamentsmitglied Kinnaird, der mitten aus dem Kulturkampfe heraus geschrieben ist, sagte er: „Ich freue mich, mit Ihnen in dem Grundsatz einverstanden zu sein, daß in einem geordneten Ge¬ meinwesen jede Person und jedes Bekenntnis das Maß von Freiheit genießen soll, das mit der Freiheit der übrigen und mit der Sicherheit und Unab¬ hängigkeit des Landes vereinbar ist." Auch die Hohenzollern haben sich stets, und es ist das ihr schönster Ruhm, zu diesem Freiheitsbegriff bekannt. Er erlaubte ihnen, den hohen Beruf zu erfassen. der sie vor allen Dynastien Europas auszeichnet, und der der Monarchie selbst eine höhere Bedeutung giebt, nämlich die, beiden christlichen Kirchen gleiche Achtung, gleiches Ver¬ trauen, gleiches Recht zu gewähren. Diese Parität ist ebenso sehr ein aus¬ gesprochener Grundsatz der protestantischen Welt, wie sie den Jesuiten ein Greuel ist. Sie ziehen lieber den Krieg bis aufs äußerste vor, als sie anzu¬ erkennen. „Die katholischen Dogmen, schrieb die Germania im Jahre 1872, sind das Werk des heiligen Geistes, unbedingt verpflichtend für jeden Katho¬ liken, unabänderlich für alle Zeiten! Schließen diese Dogmen also Forderungen in sich, die die weltliche Macht nicht zugestehen kann oder will, so ist damit der Krieg zwischen Kirche und Staat proklamirt, und zwar der Krieg bis aufs äußerste." Gewiß, die Freiheit, die die Jesuiten verlangen, ist nicht mehr mit der Sicherheit und Unabhängigkeit unsers Landes vereinbar. Sie ist ein Aushängeschild für die, die die vollste Religionsfreiheit für sich beanspruchen, die aber immer bereit sind, jede andre Religion zu unterdrücken. So viel steht fest: Gegenüber einer Gesellschaft, die bei dem Eintritt in ihren Orden das Gelübde abnimmt: „Ich habe keine Eltern, ich habe keine Familie, Vater und Mutter sind mir gestorben, ich habe keine Heimat, kein Vaterland, keinen Gegenstand der Liebe und Verehrung, als allein den Orden," gegenüber einer solchen Gesellschaft werden wir gut thun, den Z 1 des Ge¬ setzes vom 4. Juli 1872 beizubehalten: „Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom Gebiete des deutschen Reiches ausgeschlossen."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/412
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/412>, abgerufen am 23.07.2024.