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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen

Bitten. Da ward der weise Lehrer zornig, daß ihm der Bart zitterte. Wohlan,
schrie er, du Lästigster unter allen Menschen, so schaffe mir denn sechshundert
Pferde, alle weiß am ganzen Leibe bis ans das rechte Ohr, das schwarz
sein muß.

Galava ging in seine Einsiedelei und betrachtete hundert Jahre lang seinen
Nabel und büßte, um sich auf seine Reise vorzubereiten. Dann begab er sich
mit Urvasi, die Indra ihm geschenkt hatte, auf den Weg. Er durchzog die
ganze Welt; zuerst aber tum er zu, dem Könige Purnravas, der zweihundert
von den Pferden besaß, die Jamadagni von ihm verlangt hatte. Diesem gab
er Urvasi zur Frau und erhielt, da die Nymphe dem König eine Tochter ge¬
boren hatte, die zweihundert Rosse von ihm zum Geschenk. Drauf entwich
er mit Urvasi, die die Gabe hatte, daß sie ewig Jungfrau blieb, uach Persien
zu dein Geisterfürsten Asumani und vermählte ihm die Nymphe. Da diese
dem Geisterfürsten eine Tochter geboren hatte, erhielt er auch von diesem die
zweihundert Rosse, die er von jener Art besaß, wie der weise Jamadagni sie
verlangte. Nun waren noch zweihundert solcher Tiere ans der Welt; sie besaß
an der westlichen Grenze der Welt ein Held und Fürst, der von seinen Landes¬
genossen Herr Dietrich von Berne genannt war. Von diesem erhielt er sie
auf gleiche Weise, wie er die andern von Purnravas und dem Geisterkönig
Asnmani erhalten hatte. Nun brachte er die Rosse nebst der schönen Urvasi
zu Jamadagni und schenkte ihm beides, die Rosse und das Mädchen. Urvasi
gebar aber von dem Weisen ihre vierte Tochter, dann gab sie Jamadagni dem
Galava und Galava dem Indra wieder zurück. --

Das war es, was auf dein zweiten Blatte gedruckt stand. Wie ich das
dritte beginnen wollte, hatte er sich wieder erholt und fuhr folgendermaßen in
seiner Erzählung fort:

Der Schützenhansgarten war angefüllt mit geputzten Figuren. Nur an
einem Tischchen war noch Platz für mich. Der mir zunächstsitzende Herr wandte
mir das Gesicht zu; es war Herr Flötenspiel. Er grüßte mich mit der sü߬
sauern Miene, die ihm eigen zu sein schien, griff sodann nach dem Glase, das
der Kellner mir ebeu gebracht hatte, trank und sagte ganz ruhig: Das ist Wohl
das Ihre? Mein Arzt hat mir das Bier verboten; nun passirt mir immer,
daß ich in der Vergessenheit ein Glas, das in meiner Nähe steht, für das
meine ansehe, indem ich denke, ich hätte mir welches geben lassen. Ich würde
Bier trinken dürfen, wie sonst, fuhr er fort, wenn ich nicht geheiratet hätte. Jeden
Christenmenschen sollte man vor dem Heiraten warnen. Aber sehen Sie, das kommt
davon: ich kanns meiner Frau nicht wehren, daß sie Geld von ihrem Vermögen
ausgiebt und mehr ausgiebt, als mir lieb ist, denn das hat sie sich, wie noch manches
andre, wie Nur uns heirateten, schriftlich ausbedungen. Sie ist täglich, wo
etwas las ist; es mag nun Wohlthätigkeit getanzt werden oder anch nnr ein
simples Gelärm von einem Gartenkonzert sein. Nun kann ich nicht zuhause


Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen

Bitten. Da ward der weise Lehrer zornig, daß ihm der Bart zitterte. Wohlan,
schrie er, du Lästigster unter allen Menschen, so schaffe mir denn sechshundert
Pferde, alle weiß am ganzen Leibe bis ans das rechte Ohr, das schwarz
sein muß.

Galava ging in seine Einsiedelei und betrachtete hundert Jahre lang seinen
Nabel und büßte, um sich auf seine Reise vorzubereiten. Dann begab er sich
mit Urvasi, die Indra ihm geschenkt hatte, auf den Weg. Er durchzog die
ganze Welt; zuerst aber tum er zu, dem Könige Purnravas, der zweihundert
von den Pferden besaß, die Jamadagni von ihm verlangt hatte. Diesem gab
er Urvasi zur Frau und erhielt, da die Nymphe dem König eine Tochter ge¬
boren hatte, die zweihundert Rosse von ihm zum Geschenk. Drauf entwich
er mit Urvasi, die die Gabe hatte, daß sie ewig Jungfrau blieb, uach Persien
zu dein Geisterfürsten Asumani und vermählte ihm die Nymphe. Da diese
dem Geisterfürsten eine Tochter geboren hatte, erhielt er auch von diesem die
zweihundert Rosse, die er von jener Art besaß, wie der weise Jamadagni sie
verlangte. Nun waren noch zweihundert solcher Tiere ans der Welt; sie besaß
an der westlichen Grenze der Welt ein Held und Fürst, der von seinen Landes¬
genossen Herr Dietrich von Berne genannt war. Von diesem erhielt er sie
auf gleiche Weise, wie er die andern von Purnravas und dem Geisterkönig
Asnmani erhalten hatte. Nun brachte er die Rosse nebst der schönen Urvasi
zu Jamadagni und schenkte ihm beides, die Rosse und das Mädchen. Urvasi
gebar aber von dem Weisen ihre vierte Tochter, dann gab sie Jamadagni dem
Galava und Galava dem Indra wieder zurück. —

Das war es, was auf dein zweiten Blatte gedruckt stand. Wie ich das
dritte beginnen wollte, hatte er sich wieder erholt und fuhr folgendermaßen in
seiner Erzählung fort:

Der Schützenhansgarten war angefüllt mit geputzten Figuren. Nur an
einem Tischchen war noch Platz für mich. Der mir zunächstsitzende Herr wandte
mir das Gesicht zu; es war Herr Flötenspiel. Er grüßte mich mit der sü߬
sauern Miene, die ihm eigen zu sein schien, griff sodann nach dem Glase, das
der Kellner mir ebeu gebracht hatte, trank und sagte ganz ruhig: Das ist Wohl
das Ihre? Mein Arzt hat mir das Bier verboten; nun passirt mir immer,
daß ich in der Vergessenheit ein Glas, das in meiner Nähe steht, für das
meine ansehe, indem ich denke, ich hätte mir welches geben lassen. Ich würde
Bier trinken dürfen, wie sonst, fuhr er fort, wenn ich nicht geheiratet hätte. Jeden
Christenmenschen sollte man vor dem Heiraten warnen. Aber sehen Sie, das kommt
davon: ich kanns meiner Frau nicht wehren, daß sie Geld von ihrem Vermögen
ausgiebt und mehr ausgiebt, als mir lieb ist, denn das hat sie sich, wie noch manches
andre, wie Nur uns heirateten, schriftlich ausbedungen. Sie ist täglich, wo
etwas las ist; es mag nun Wohlthätigkeit getanzt werden oder anch nnr ein
simples Gelärm von einem Gartenkonzert sein. Nun kann ich nicht zuhause


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[0394] Die wahrhaftige Geschichte von den drei Wünschen Bitten. Da ward der weise Lehrer zornig, daß ihm der Bart zitterte. Wohlan, schrie er, du Lästigster unter allen Menschen, so schaffe mir denn sechshundert Pferde, alle weiß am ganzen Leibe bis ans das rechte Ohr, das schwarz sein muß. Galava ging in seine Einsiedelei und betrachtete hundert Jahre lang seinen Nabel und büßte, um sich auf seine Reise vorzubereiten. Dann begab er sich mit Urvasi, die Indra ihm geschenkt hatte, auf den Weg. Er durchzog die ganze Welt; zuerst aber tum er zu, dem Könige Purnravas, der zweihundert von den Pferden besaß, die Jamadagni von ihm verlangt hatte. Diesem gab er Urvasi zur Frau und erhielt, da die Nymphe dem König eine Tochter ge¬ boren hatte, die zweihundert Rosse von ihm zum Geschenk. Drauf entwich er mit Urvasi, die die Gabe hatte, daß sie ewig Jungfrau blieb, uach Persien zu dein Geisterfürsten Asumani und vermählte ihm die Nymphe. Da diese dem Geisterfürsten eine Tochter geboren hatte, erhielt er auch von diesem die zweihundert Rosse, die er von jener Art besaß, wie der weise Jamadagni sie verlangte. Nun waren noch zweihundert solcher Tiere ans der Welt; sie besaß an der westlichen Grenze der Welt ein Held und Fürst, der von seinen Landes¬ genossen Herr Dietrich von Berne genannt war. Von diesem erhielt er sie auf gleiche Weise, wie er die andern von Purnravas und dem Geisterkönig Asnmani erhalten hatte. Nun brachte er die Rosse nebst der schönen Urvasi zu Jamadagni und schenkte ihm beides, die Rosse und das Mädchen. Urvasi gebar aber von dem Weisen ihre vierte Tochter, dann gab sie Jamadagni dem Galava und Galava dem Indra wieder zurück. — Das war es, was auf dein zweiten Blatte gedruckt stand. Wie ich das dritte beginnen wollte, hatte er sich wieder erholt und fuhr folgendermaßen in seiner Erzählung fort: Der Schützenhansgarten war angefüllt mit geputzten Figuren. Nur an einem Tischchen war noch Platz für mich. Der mir zunächstsitzende Herr wandte mir das Gesicht zu; es war Herr Flötenspiel. Er grüßte mich mit der sü߬ sauern Miene, die ihm eigen zu sein schien, griff sodann nach dem Glase, das der Kellner mir ebeu gebracht hatte, trank und sagte ganz ruhig: Das ist Wohl das Ihre? Mein Arzt hat mir das Bier verboten; nun passirt mir immer, daß ich in der Vergessenheit ein Glas, das in meiner Nähe steht, für das meine ansehe, indem ich denke, ich hätte mir welches geben lassen. Ich würde Bier trinken dürfen, wie sonst, fuhr er fort, wenn ich nicht geheiratet hätte. Jeden Christenmenschen sollte man vor dem Heiraten warnen. Aber sehen Sie, das kommt davon: ich kanns meiner Frau nicht wehren, daß sie Geld von ihrem Vermögen ausgiebt und mehr ausgiebt, als mir lieb ist, denn das hat sie sich, wie noch manches andre, wie Nur uns heirateten, schriftlich ausbedungen. Sie ist täglich, wo etwas las ist; es mag nun Wohlthätigkeit getanzt werden oder anch nnr ein simples Gelärm von einem Gartenkonzert sein. Nun kann ich nicht zuhause

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/394>, abgerufen am 23.07.2024.