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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Mac Ninley-Bill

Plötzlich die hohen Schutzwände auf, so vermag ich darin nur den Wunsch z"
erblicken: Wir N'vilen stark werden, wir wolle" "us ehe"niäßig ausbauen,
damit wir einst erfolgreich ans den freien Markt hinaustreten können. Bleiben
wir in der alten Einseitigkeit, so wird ans uns nie etwas Rechtes. Also sehe
ich in der neuesten Zollnmwallung der "vrdnmerikanischen Union den ersten
energischen Schritt ans einer Bahn, die notwendig ganz wie bei England --
zum Freihandel führen muß. Jetzt, zur Zeit der ersten Erziehung, kann
Europa noch ruhig bleiben; aber wehe seiner Industrie, wenn der amerikanische
Reichtum und die amerikanische Kraft, weise verwendet nud harmonisch ent¬
wickelt, ihr Füllhorn von Gütern über die alte Welt ausschütten werden, aus¬
schütten unter dem Regiment schrankenloser Handelsfreiheit. Dann wird sich
zeigen, wer wirklich der wirtschaftlich Stärkere ist. Gladstone aber, der die
Mac Kinley-Bill etwas ""verständlich "Unterdrückung und betrügerische
Täuschung" genannt hat, mag, wenn er anders noch lebt, dann zusehen, ob
England in der That "von dieser Bill nichts zu fürchte" hat."

Nehmen Nur also das "me amerikanische Zollgesetz ruhig als etwas Ge¬
gebenes hin. Es hat in Amerika seinen gesunden Boden, und kein Unwille
Europas wird seinen Bestand erschüttern. (Einige unbedeutende Nachteile, z. N.
die Eroberung des amerikamschen Petrvlenmabsatzes i" Italien durch Rußland,
wird es zu verschmerzen wissen.) Was sollen wir thun? Erstens erkennen,
daß es auch so mit unsrer Industrie weitergeht; daß die Nachteile nicht so
schlimm sein werde", wie man sie sich im ersten Ärger und Schrecke" vor¬
gestellt hat; daß "och eine geraume Zeit vergehen wird, ehe die Industrie der
Union ihr einseitiges Gepräge verwischt haben wird, und daß bis dahin für
unsern Erpvrthandel immer "och eine ganze Reihe von Lücken offen und aus¬
zufüllen bleibe" werde"; daß diejenigen Kreise drüben, denen infolge des
Schutzzolles zunächst natürlich ein kurzer Goldregen in den Schoß falle" wird,
vielfach im Übermut des Verdienens ihre Preise so weit erhöhen werden, daß
mancher europäische wohlfeilere Artikel konkurrenzfähig werden wird, der es früher
nicht war. Dann aber werde" wir etwas lernen müssen; denn der Umschwung
in der wirtschaftlichen Lage Nordamerikas giebt eine eindringliche Lehre, hat
sie eigentlich schon in der Krise des Expvrthandels vom Jahre 188b gegeben,
nnr daß sie damals nicht so dentlich hervvrgetrete" ist: die Lehre "änlich,
daß es gefährlich für el" Land ist, seine Wirtschaft einseitig ans gewisse
Artikel der Produktion zurechtznschneiden. Es giebt heute "ur el" Volk i"
Europa, das nach dieser Richtung kein Lehrgeld "lehr zahlt, das ist England
mit seinem ausgedehnte" Kvlvnialreiche. Und doch wird seiner nicht ruhenden
Vielseitigkeit selbst dies schon zu eng. Ich führe hier einen Bericht an, den einer
der höchsten Finanzbeamten Indiens, Mr. Stuart Menteth, in den siebziger
Jahren seinem. Vorgesetzten erstattete, und welcher im Jahre 1887 veröffentlicht
worden ist; darin heißt es: "Es kann nicht überraschen, wen" England das


Die Mac Ninley-Bill

Plötzlich die hohen Schutzwände auf, so vermag ich darin nur den Wunsch z»
erblicken: Wir N'vilen stark werden, wir wolle» »us ehe»niäßig ausbauen,
damit wir einst erfolgreich ans den freien Markt hinaustreten können. Bleiben
wir in der alten Einseitigkeit, so wird ans uns nie etwas Rechtes. Also sehe
ich in der neuesten Zollnmwallung der »vrdnmerikanischen Union den ersten
energischen Schritt ans einer Bahn, die notwendig ganz wie bei England —
zum Freihandel führen muß. Jetzt, zur Zeit der ersten Erziehung, kann
Europa noch ruhig bleiben; aber wehe seiner Industrie, wenn der amerikanische
Reichtum und die amerikanische Kraft, weise verwendet nud harmonisch ent¬
wickelt, ihr Füllhorn von Gütern über die alte Welt ausschütten werden, aus¬
schütten unter dem Regiment schrankenloser Handelsfreiheit. Dann wird sich
zeigen, wer wirklich der wirtschaftlich Stärkere ist. Gladstone aber, der die
Mac Kinley-Bill etwas »»verständlich „Unterdrückung und betrügerische
Täuschung" genannt hat, mag, wenn er anders noch lebt, dann zusehen, ob
England in der That „von dieser Bill nichts zu fürchte» hat."

Nehmen Nur also das »me amerikanische Zollgesetz ruhig als etwas Ge¬
gebenes hin. Es hat in Amerika seinen gesunden Boden, und kein Unwille
Europas wird seinen Bestand erschüttern. (Einige unbedeutende Nachteile, z. N.
die Eroberung des amerikamschen Petrvlenmabsatzes i» Italien durch Rußland,
wird es zu verschmerzen wissen.) Was sollen wir thun? Erstens erkennen,
daß es auch so mit unsrer Industrie weitergeht; daß die Nachteile nicht so
schlimm sein werde», wie man sie sich im ersten Ärger und Schrecke» vor¬
gestellt hat; daß »och eine geraume Zeit vergehen wird, ehe die Industrie der
Union ihr einseitiges Gepräge verwischt haben wird, und daß bis dahin für
unsern Erpvrthandel immer »och eine ganze Reihe von Lücken offen und aus¬
zufüllen bleibe» werde»; daß diejenigen Kreise drüben, denen infolge des
Schutzzolles zunächst natürlich ein kurzer Goldregen in den Schoß falle» wird,
vielfach im Übermut des Verdienens ihre Preise so weit erhöhen werden, daß
mancher europäische wohlfeilere Artikel konkurrenzfähig werden wird, der es früher
nicht war. Dann aber werde» wir etwas lernen müssen; denn der Umschwung
in der wirtschaftlichen Lage Nordamerikas giebt eine eindringliche Lehre, hat
sie eigentlich schon in der Krise des Expvrthandels vom Jahre 188b gegeben,
nnr daß sie damals nicht so dentlich hervvrgetrete» ist: die Lehre »änlich,
daß es gefährlich für el» Land ist, seine Wirtschaft einseitig ans gewisse
Artikel der Produktion zurechtznschneiden. Es giebt heute »ur el» Volk i»
Europa, das nach dieser Richtung kein Lehrgeld »lehr zahlt, das ist England
mit seinem ausgedehnte» Kvlvnialreiche. Und doch wird seiner nicht ruhenden
Vielseitigkeit selbst dies schon zu eng. Ich führe hier einen Bericht an, den einer
der höchsten Finanzbeamten Indiens, Mr. Stuart Menteth, in den siebziger
Jahren seinem. Vorgesetzten erstattete, und welcher im Jahre 1887 veröffentlicht
worden ist; darin heißt es: „Es kann nicht überraschen, wen» England das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/323>, abgerufen am 23.07.2024.