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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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sind. Ich erinnere aber daran, daß Ins 1885 kaum 2 Prozent der amerikanischen
Jndustrieprvdnkte ins Allsland gegangen sind. Dagegen droht die Massen¬
erzeugung in maßvolle Bahnen zurückzufinden, und heute schon, ehe sie noch
eine normale Hohe erreicht hat, zeigt sich, daß sie uicht mehr lohnend ist. Der
Export des Getreides hat zurückgehen müssen, Ullverkällflichleit der landwirt¬
schaftlichen Produkte trat ein, Verringerung des Frachtverkehrs war die Folge;
die Eisenbahnen erlitten mithin Einbuße an ihren Einnahmen, und zahlreiche
Gesellschaften machten bankerott. Der Rückschlag auf die Industrie blieb nicht
aus; Hochöfen wurden ausgeblasen, und die wichtigste, die Eisenindustrie, arbei¬
tete mit kaum nennenswertem Nutzen. Natürlich stockte bald auch die Nach¬
frage nach den Mannsalter Europas, und die allgemeine Krise des Export¬
handels war da. Schon von 1883 zu 1884 sank der Import der Bereinigten
Staaten von 409,7 Millionen ans 370,7 Millionen, der Export von ti48,2
Millionen auf 5,75,8 Millionen Dollars.

Es scheint, als habe die Krise von t885 deu Amerikanern die Gefahren
einer einseitige" wirtschaftlichen Entwicklung so recht zu Herzen geführt. Waren
alle Landesteile der Union von Hans aus gleich begabt oder wäre" sie doch
wenigstens nicht so verschieden, wie sie es thatsächlich sind, oder wäre das
Gebiet nicht so ungeheuer groß, daß eine Ausgleichung der wirtschaftlichen
Kräfte oft schon nnter den räumlichen Entfernungen zu leiden hätte, dann
stünde es mit der Lage der Vereinigten Staaten nicht übel. Sie würde sich
anch erträglich gestalten, wenn z. B. die Ackerbanprovinzen, die Industrie-
staaten, die reinen Bergwerksdistrikte je wirtschaftlich selbständige Bildungen
wären; dann würden eben je nachdem die einen blühen, die andern zu leide"
haben. Aber die Zusammeuschwcißuug so großer gruudverschieduer Gebiete
zur Einheit bewirkt, daß bei einseitiger Ausbildung das Ganze ein schiefes
Aussehe" erhält und schließlich alle Glieder von der Krankheit des einen oder
des andern in Mitleidenschaft gezogen werden.

Da der Weizen-Export der Vereinigten Staaten nicht mehr durchgängig
lohnend erscheint, ist es offenbar geboten, ihn einzuschränken, und zwar rascher
einzuschränken, als dies die natürlichen Bedingungen deS Anbaues augenblicklich
gebieten. Wie soll das geschehen? Allerdings wächst die Bevölkerung rasch.
In es wächst sogar mit dem Nativnalwvhlstaude auch der Anteil am Verbrauch
für den Kopf der Bevölkerung. Dennoch ergiebt eine genanere Beobachtung,
daß der Verbrauch des Einzelnen vielfach vom Ausfall der Ernte abhängt,
daß er in schlechten Erntejahreu geringer ist, als in guten, und daß demnach in
schlechten Erntejahren relativ größere Mengen für die Ausfuhr bereit stehen, als
in guten. In den Jahren t880--18!>0 ist durchschnittlich nahezu ein Drittel
der gesamten Weizenproduktivn ausgeführt worden; die jährliche Ernte beläuft
sich aber auf etwa 350 Millionen Bushels. Sollen neue Krisen vermieden
werden, so muß dieser Prvduktivnsüberschuß entweder günstig verkauft werde",


sind. Ich erinnere aber daran, daß Ins 1885 kaum 2 Prozent der amerikanischen
Jndustrieprvdnkte ins Allsland gegangen sind. Dagegen droht die Massen¬
erzeugung in maßvolle Bahnen zurückzufinden, und heute schon, ehe sie noch
eine normale Hohe erreicht hat, zeigt sich, daß sie uicht mehr lohnend ist. Der
Export des Getreides hat zurückgehen müssen, Ullverkällflichleit der landwirt¬
schaftlichen Produkte trat ein, Verringerung des Frachtverkehrs war die Folge;
die Eisenbahnen erlitten mithin Einbuße an ihren Einnahmen, und zahlreiche
Gesellschaften machten bankerott. Der Rückschlag auf die Industrie blieb nicht
aus; Hochöfen wurden ausgeblasen, und die wichtigste, die Eisenindustrie, arbei¬
tete mit kaum nennenswertem Nutzen. Natürlich stockte bald auch die Nach¬
frage nach den Mannsalter Europas, und die allgemeine Krise des Export¬
handels war da. Schon von 1883 zu 1884 sank der Import der Bereinigten
Staaten von 409,7 Millionen ans 370,7 Millionen, der Export von ti48,2
Millionen auf 5,75,8 Millionen Dollars.

Es scheint, als habe die Krise von t885 deu Amerikanern die Gefahren
einer einseitige» wirtschaftlichen Entwicklung so recht zu Herzen geführt. Waren
alle Landesteile der Union von Hans aus gleich begabt oder wäre» sie doch
wenigstens nicht so verschieden, wie sie es thatsächlich sind, oder wäre das
Gebiet nicht so ungeheuer groß, daß eine Ausgleichung der wirtschaftlichen
Kräfte oft schon nnter den räumlichen Entfernungen zu leiden hätte, dann
stünde es mit der Lage der Vereinigten Staaten nicht übel. Sie würde sich
anch erträglich gestalten, wenn z. B. die Ackerbanprovinzen, die Industrie-
staaten, die reinen Bergwerksdistrikte je wirtschaftlich selbständige Bildungen
wären; dann würden eben je nachdem die einen blühen, die andern zu leide»
haben. Aber die Zusammeuschwcißuug so großer gruudverschieduer Gebiete
zur Einheit bewirkt, daß bei einseitiger Ausbildung das Ganze ein schiefes
Aussehe» erhält und schließlich alle Glieder von der Krankheit des einen oder
des andern in Mitleidenschaft gezogen werden.

Da der Weizen-Export der Vereinigten Staaten nicht mehr durchgängig
lohnend erscheint, ist es offenbar geboten, ihn einzuschränken, und zwar rascher
einzuschränken, als dies die natürlichen Bedingungen deS Anbaues augenblicklich
gebieten. Wie soll das geschehen? Allerdings wächst die Bevölkerung rasch.
In es wächst sogar mit dem Nativnalwvhlstaude auch der Anteil am Verbrauch
für den Kopf der Bevölkerung. Dennoch ergiebt eine genanere Beobachtung,
daß der Verbrauch des Einzelnen vielfach vom Ausfall der Ernte abhängt,
daß er in schlechten Erntejahreu geringer ist, als in guten, und daß demnach in
schlechten Erntejahren relativ größere Mengen für die Ausfuhr bereit stehen, als
in guten. In den Jahren t880—18!>0 ist durchschnittlich nahezu ein Drittel
der gesamten Weizenproduktivn ausgeführt worden; die jährliche Ernte beläuft
sich aber auf etwa 350 Millionen Bushels. Sollen neue Krisen vermieden
werden, so muß dieser Prvduktivnsüberschuß entweder günstig verkauft werde»,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/319>, abgerufen am 23.07.2024.