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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Mac Ainley-Bill

Und nun zum Süden, Er ist einseitig bewirtschaftet worden von An¬
beginn; und so ist er denn auch einseitig entwickelt und einseitig ausgesogen.
Terpentin und Baumwolle -- damit ist seine Hauptprvduktiou umschlossen.
Aber wie hat mau Terpentin gewonnen? Man schlug die Nadelholzwälder,
die ihn lieferten, einfach nieder, kein Mensch dachte an systematische Forstwirt¬
schaft; und sei die Fruchtbarkeit des Landes im allgemeinen noch so groß: das
Nadelholz wächst ans trockenem Sande und ergänzt sich sicherlich nicht so schnell,
wie es abgeschlagen worden ist. Somit ist hier in nicht serner Zeit ein be¬
deutender Rückgang zu erwarten. Baumwolle ist im großartigsten Maßstabe
angebaut worden; der Anbau wurde so gewaltig ausgedehnt, daß auch er
schließlich nicht mehr sehr lohnend erscheint. Denn muß man auch zugeben,
daß der Bedarf an baumwollneu Zeugen in stetem Wachsen begriffen ist und
eS für absehbare Zeit auch noch bleiben wird, so zeigt doch ein Blick in die
Statistik der Weltwirtschaft, daß auf diesem Gebiete das Angebot die Nachfrage
weit überholt hat. Noch zu Anfang der sechziger Jahre lieferten die Ver¬
einigten Staaten etwa 3^-z Millionen Ballen Wolle, die übrigen Kolvuial-
ländcr" etwa 1 Million Ballen, insgesamt also 4^/.> Millionen Ballen. Dieser
Produktion standen gegenüber 38 Millionen Spindeln in Europa, 5 bis 6
Millionen in Amerika, insgesamt also 41 bis 42 Millionen Spindeln. Im
Jahre 1885 dagegen gab es in Europa 65 Millionen Spindel", in Amerika
etwa 11 Millionen Spindeln, insgesamt also 70 Millionen Spindeln; es belief
sich aber die Produktion in Amerika auf etwa/i Millionen Ballen, i" den übrigen
Ländern auf etwa4 Millionen, insgesamt ans etwa 10Millionen Ballen Wolle. Also
war die gesamte Baumwollmenge um 122Prozent, die für ihren Konsum bestimmte
Spindelzahl aber nur um 77 Prozent gestiegen! Kein Banmwollring, auch der
jüngste in Alabama vom Herbst dieses Jahres, wird sich hier aus die^Dauer halten
können. schädigend für die Entwicklung des Südens tritt hinzu die weit¬
ausgedehnte Verlumpung der Neger, die der niedern weißen Bevölkerung, den
moor >vliitoL, mit dein übelsten Beispiele vorangeht, und die anßer in den
wirtschaftlichen in den politischen Verhältnissen ihre Ursache findet, der ver¬
hältnismäßige Mangel an Einwanderung von Kapital, Kraft nud Unter-
nehmungsgeist, das ungünstige, raschen, Wechsel unterworfene Klima, wo
Temperaturstürze von 27 Grad Celsius anf -- 7 Grad nichts seltenes sind.
Einzelne Bezirke in Alabama, Tennessee, Georgia zeigen wohl eine aufblühende
Industrie. Aber das ganze große Gebiet des Südens ist nach Bevölkerung und
Wirtschaftsgepflogeuheiteu so konservativ und schwerfällig, daß auch hier an einen
reißend schnellen Aufschwung für die nächsten Jahrzehnte nicht zu denken ist.

So bleibt uns denn der reich entwickelte Nordosten des Landes, 25 Prozent
des Gesanttgebietes umfassend, von dem der angestaunte Reichtum Amerikas
meist seinen Ausgang genommen hat. Hier liegen die reichsten Ackerbauländer
der Erde, hier liegen unglaubliche Schätze von Kohle, Eisen, Kupfer, Blei


Die Mac Ainley-Bill

Und nun zum Süden, Er ist einseitig bewirtschaftet worden von An¬
beginn; und so ist er denn auch einseitig entwickelt und einseitig ausgesogen.
Terpentin und Baumwolle — damit ist seine Hauptprvduktiou umschlossen.
Aber wie hat mau Terpentin gewonnen? Man schlug die Nadelholzwälder,
die ihn lieferten, einfach nieder, kein Mensch dachte an systematische Forstwirt¬
schaft; und sei die Fruchtbarkeit des Landes im allgemeinen noch so groß: das
Nadelholz wächst ans trockenem Sande und ergänzt sich sicherlich nicht so schnell,
wie es abgeschlagen worden ist. Somit ist hier in nicht serner Zeit ein be¬
deutender Rückgang zu erwarten. Baumwolle ist im großartigsten Maßstabe
angebaut worden; der Anbau wurde so gewaltig ausgedehnt, daß auch er
schließlich nicht mehr sehr lohnend erscheint. Denn muß man auch zugeben,
daß der Bedarf an baumwollneu Zeugen in stetem Wachsen begriffen ist und
eS für absehbare Zeit auch noch bleiben wird, so zeigt doch ein Blick in die
Statistik der Weltwirtschaft, daß auf diesem Gebiete das Angebot die Nachfrage
weit überholt hat. Noch zu Anfang der sechziger Jahre lieferten die Ver¬
einigten Staaten etwa 3^-z Millionen Ballen Wolle, die übrigen Kolvuial-
ländcr" etwa 1 Million Ballen, insgesamt also 4^/.> Millionen Ballen. Dieser
Produktion standen gegenüber 38 Millionen Spindeln in Europa, 5 bis 6
Millionen in Amerika, insgesamt also 41 bis 42 Millionen Spindeln. Im
Jahre 1885 dagegen gab es in Europa 65 Millionen Spindel», in Amerika
etwa 11 Millionen Spindeln, insgesamt also 70 Millionen Spindeln; es belief
sich aber die Produktion in Amerika auf etwa/i Millionen Ballen, i» den übrigen
Ländern auf etwa4 Millionen, insgesamt ans etwa 10Millionen Ballen Wolle. Also
war die gesamte Baumwollmenge um 122Prozent, die für ihren Konsum bestimmte
Spindelzahl aber nur um 77 Prozent gestiegen! Kein Banmwollring, auch der
jüngste in Alabama vom Herbst dieses Jahres, wird sich hier aus die^Dauer halten
können. schädigend für die Entwicklung des Südens tritt hinzu die weit¬
ausgedehnte Verlumpung der Neger, die der niedern weißen Bevölkerung, den
moor >vliitoL, mit dein übelsten Beispiele vorangeht, und die anßer in den
wirtschaftlichen in den politischen Verhältnissen ihre Ursache findet, der ver¬
hältnismäßige Mangel an Einwanderung von Kapital, Kraft nud Unter-
nehmungsgeist, das ungünstige, raschen, Wechsel unterworfene Klima, wo
Temperaturstürze von 27 Grad Celsius anf — 7 Grad nichts seltenes sind.
Einzelne Bezirke in Alabama, Tennessee, Georgia zeigen wohl eine aufblühende
Industrie. Aber das ganze große Gebiet des Südens ist nach Bevölkerung und
Wirtschaftsgepflogeuheiteu so konservativ und schwerfällig, daß auch hier an einen
reißend schnellen Aufschwung für die nächsten Jahrzehnte nicht zu denken ist.

So bleibt uns denn der reich entwickelte Nordosten des Landes, 25 Prozent
des Gesanttgebietes umfassend, von dem der angestaunte Reichtum Amerikas
meist seinen Ausgang genommen hat. Hier liegen die reichsten Ackerbauländer
der Erde, hier liegen unglaubliche Schätze von Kohle, Eisen, Kupfer, Blei


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[0315] Die Mac Ainley-Bill Und nun zum Süden, Er ist einseitig bewirtschaftet worden von An¬ beginn; und so ist er denn auch einseitig entwickelt und einseitig ausgesogen. Terpentin und Baumwolle — damit ist seine Hauptprvduktiou umschlossen. Aber wie hat mau Terpentin gewonnen? Man schlug die Nadelholzwälder, die ihn lieferten, einfach nieder, kein Mensch dachte an systematische Forstwirt¬ schaft; und sei die Fruchtbarkeit des Landes im allgemeinen noch so groß: das Nadelholz wächst ans trockenem Sande und ergänzt sich sicherlich nicht so schnell, wie es abgeschlagen worden ist. Somit ist hier in nicht serner Zeit ein be¬ deutender Rückgang zu erwarten. Baumwolle ist im großartigsten Maßstabe angebaut worden; der Anbau wurde so gewaltig ausgedehnt, daß auch er schließlich nicht mehr sehr lohnend erscheint. Denn muß man auch zugeben, daß der Bedarf an baumwollneu Zeugen in stetem Wachsen begriffen ist und eS für absehbare Zeit auch noch bleiben wird, so zeigt doch ein Blick in die Statistik der Weltwirtschaft, daß auf diesem Gebiete das Angebot die Nachfrage weit überholt hat. Noch zu Anfang der sechziger Jahre lieferten die Ver¬ einigten Staaten etwa 3^-z Millionen Ballen Wolle, die übrigen Kolvuial- ländcr" etwa 1 Million Ballen, insgesamt also 4^/.> Millionen Ballen. Dieser Produktion standen gegenüber 38 Millionen Spindeln in Europa, 5 bis 6 Millionen in Amerika, insgesamt also 41 bis 42 Millionen Spindeln. Im Jahre 1885 dagegen gab es in Europa 65 Millionen Spindel», in Amerika etwa 11 Millionen Spindeln, insgesamt also 70 Millionen Spindeln; es belief sich aber die Produktion in Amerika auf etwa/i Millionen Ballen, i» den übrigen Ländern auf etwa4 Millionen, insgesamt ans etwa 10Millionen Ballen Wolle. Also war die gesamte Baumwollmenge um 122Prozent, die für ihren Konsum bestimmte Spindelzahl aber nur um 77 Prozent gestiegen! Kein Banmwollring, auch der jüngste in Alabama vom Herbst dieses Jahres, wird sich hier aus die^Dauer halten können. schädigend für die Entwicklung des Südens tritt hinzu die weit¬ ausgedehnte Verlumpung der Neger, die der niedern weißen Bevölkerung, den moor >vliitoL, mit dein übelsten Beispiele vorangeht, und die anßer in den wirtschaftlichen in den politischen Verhältnissen ihre Ursache findet, der ver¬ hältnismäßige Mangel an Einwanderung von Kapital, Kraft nud Unter- nehmungsgeist, das ungünstige, raschen, Wechsel unterworfene Klima, wo Temperaturstürze von 27 Grad Celsius anf — 7 Grad nichts seltenes sind. Einzelne Bezirke in Alabama, Tennessee, Georgia zeigen wohl eine aufblühende Industrie. Aber das ganze große Gebiet des Südens ist nach Bevölkerung und Wirtschaftsgepflogeuheiteu so konservativ und schwerfällig, daß auch hier an einen reißend schnellen Aufschwung für die nächsten Jahrzehnte nicht zu denken ist. So bleibt uns denn der reich entwickelte Nordosten des Landes, 25 Prozent des Gesanttgebietes umfassend, von dem der angestaunte Reichtum Amerikas meist seinen Ausgang genommen hat. Hier liegen die reichsten Ackerbauländer der Erde, hier liegen unglaubliche Schätze von Kohle, Eisen, Kupfer, Blei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/315>, abgerufen am 23.07.2024.