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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Der deutsche Klassiker des Socialismus

tum ist Amt," wird dieser Auffassung am wenigsten entgegentreten wollen.
Sehen wir jetzt die Art und Weise an, in der diese erblichen Beamten ihre
staatswirtschaftlichen Funktionen üben, so springt vor allem ein Charakterzug,
der erblichen Beamten überhaupt angehört, in die Augen: sie üben ihre Funk¬
tionen zunächst nur zu ihrem eignen Vorteil ans. Die Behörde des vorigen
Zustandes ^des gedachten sozialistische" Staates! richtete ihre entsprechenden
Thätigkeiten unmittelbar auf die Erreichung der staatswirtschnftlicheu Zwecke.
Die Grund- und Kapitalbesitzer hingegen haben zunächst nur ihr Privatinteresse
im Auge, und die Erreichung jener Zwecke ist. schlecht oder recht, nur ein
mittelbarer und beiläufiger Erfolg. Selbst der Finanzminister ist meistens von
dem Parteiinteresse seines Amtes voll und hat mehr die Wohlfahrt der öffent¬
lichen Finanzen als die der Gesellschaft im Ange. Die Nationalökonomen
haben dies auch nicht besser anerkennen können, als wenn sie über diese (sie!)
egoistische Ausübung jeuer Funktionen deren rein gesellschaftliche und amtliche
Natur so gut wie ganz aus den Augen verloren und den Eigennutz zu einer
Tugend erhoben. Nur die Blindheit ihrer Moralität ist zu bewundern."

Nachdem er dann auseinandergesetzt hat, wie die Boden- und Kapital¬
besitzer, von allerlei Zufällen abhängig, gar nicht in der Lage sind, die Pro¬
duktion dem Bedürfnis anzupassen, fährt er fort: "Zugleich ist aber auch
Gefahr vorhanden, die Stelle samt dem Gehalt zu verlieren, bei der Umwand¬
lung und dem Tausch der Produkte mehr Wert fortzugehen, als wiederzube¬
kommen, das Vermögen und damit auch die Rente einzubüßen. Deshalb
können sie auch nur diejenigen Produktionen vornehmen lassen, die Rente ab¬
werfen. Sie veranlassen irgend welche Produktion überhaupt uicht mehr
zum Zwecke der Deckung des Nationalbedürfuisses, sondern weil sie ihnen
Gewinn verheißt. Diesen Gewinn können sie aber nicht im voraus, erkennen.
Sie können nur aus der Vergangenheit auf die Zukunft schließen. Diese
Schlüsse ziehen sie ein jeder für sich, ein jeder ohne Kenntnis der Schlüsse
des andern. Denn als Privateigentümer verschiedner Parzellen des nationalen
Bodens und Kapitals sind sie in deren Verwaltung nicht bloß unverantwortlich,
sondern auch unter sich völlig unabhängig. In das Privatinteresse hält sie
zurück, sich einander zu entdecken. Wo es sie aber treibt, dies zu thun, schlüge
die Verständigung gegen die Gesellschaft aus: sie verabreden den Monopol¬
preis." Und, würde Rodbertus fortfahren, wenn er heute schriebe, da die
mittlern und kleinern Besitzer wegen unvollkommener Kenntnis des Marktes
sich am öftesten verrechnen, hierdurch und aus andern Gründen ihr Vermögen
an die großen verlieren, so wird der Großbetrieb, die Ningbildnng und der
Monopolpreis die Regel, und die Inhaber der großen Vermögen hören auf,
Privatpersonen zu sein; sie nehmen die Staatsgewalt in die Hand und ver¬
walten den Staat in ihrem Privatinteresse, wie es in Nordamerika schon lange
geschieht und jetzt durch die Silberbill und die Mac Kinleh-Bill aller Welt


Der deutsche Klassiker des Socialismus

tum ist Amt,« wird dieser Auffassung am wenigsten entgegentreten wollen.
Sehen wir jetzt die Art und Weise an, in der diese erblichen Beamten ihre
staatswirtschaftlichen Funktionen üben, so springt vor allem ein Charakterzug,
der erblichen Beamten überhaupt angehört, in die Augen: sie üben ihre Funk¬
tionen zunächst nur zu ihrem eignen Vorteil ans. Die Behörde des vorigen
Zustandes ^des gedachten sozialistische» Staates! richtete ihre entsprechenden
Thätigkeiten unmittelbar auf die Erreichung der staatswirtschnftlicheu Zwecke.
Die Grund- und Kapitalbesitzer hingegen haben zunächst nur ihr Privatinteresse
im Auge, und die Erreichung jener Zwecke ist. schlecht oder recht, nur ein
mittelbarer und beiläufiger Erfolg. Selbst der Finanzminister ist meistens von
dem Parteiinteresse seines Amtes voll und hat mehr die Wohlfahrt der öffent¬
lichen Finanzen als die der Gesellschaft im Ange. Die Nationalökonomen
haben dies auch nicht besser anerkennen können, als wenn sie über diese (sie!)
egoistische Ausübung jeuer Funktionen deren rein gesellschaftliche und amtliche
Natur so gut wie ganz aus den Augen verloren und den Eigennutz zu einer
Tugend erhoben. Nur die Blindheit ihrer Moralität ist zu bewundern."

Nachdem er dann auseinandergesetzt hat, wie die Boden- und Kapital¬
besitzer, von allerlei Zufällen abhängig, gar nicht in der Lage sind, die Pro¬
duktion dem Bedürfnis anzupassen, fährt er fort: „Zugleich ist aber auch
Gefahr vorhanden, die Stelle samt dem Gehalt zu verlieren, bei der Umwand¬
lung und dem Tausch der Produkte mehr Wert fortzugehen, als wiederzube¬
kommen, das Vermögen und damit auch die Rente einzubüßen. Deshalb
können sie auch nur diejenigen Produktionen vornehmen lassen, die Rente ab¬
werfen. Sie veranlassen irgend welche Produktion überhaupt uicht mehr
zum Zwecke der Deckung des Nationalbedürfuisses, sondern weil sie ihnen
Gewinn verheißt. Diesen Gewinn können sie aber nicht im voraus, erkennen.
Sie können nur aus der Vergangenheit auf die Zukunft schließen. Diese
Schlüsse ziehen sie ein jeder für sich, ein jeder ohne Kenntnis der Schlüsse
des andern. Denn als Privateigentümer verschiedner Parzellen des nationalen
Bodens und Kapitals sind sie in deren Verwaltung nicht bloß unverantwortlich,
sondern auch unter sich völlig unabhängig. In das Privatinteresse hält sie
zurück, sich einander zu entdecken. Wo es sie aber treibt, dies zu thun, schlüge
die Verständigung gegen die Gesellschaft aus: sie verabreden den Monopol¬
preis." Und, würde Rodbertus fortfahren, wenn er heute schriebe, da die
mittlern und kleinern Besitzer wegen unvollkommener Kenntnis des Marktes
sich am öftesten verrechnen, hierdurch und aus andern Gründen ihr Vermögen
an die großen verlieren, so wird der Großbetrieb, die Ningbildnng und der
Monopolpreis die Regel, und die Inhaber der großen Vermögen hören auf,
Privatpersonen zu sein; sie nehmen die Staatsgewalt in die Hand und ver¬
walten den Staat in ihrem Privatinteresse, wie es in Nordamerika schon lange
geschieht und jetzt durch die Silberbill und die Mac Kinleh-Bill aller Welt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/282>, abgerufen am 23.07.2024.