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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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mit dein schwarzen Ätzgrund (einer Mischung aus Mastix, Wachs und Asphalt)
Überzügen und in diesen die Zeichnung mit der Nndirnadel, die völlig wie eine
Feder gehandhabt wird, eingeritzt; die so vorbereitete Platte wird nun ringsum
mit einem Wachsrande umgeben und dann mit aufgegossener Salpeter- oder
Salzsäure geätzt, derart, daß sich diese Säure an deu Stellen in das Kupfer
einfrißt, die dnrch die Nadirnadel vom Ätzgrunde befreit sind, und sie vertieft.
Nachdem dieses Verfahren in verschiednen Graden wiederholt ist, wobei man
sich zur Überarbeitung auch noch des Schabers und der kalten Nadel (Schreibe¬
radel, xointu 8Lebs) bedient, wird die Platte mit Terpentin abgewaschen und
dann durch Eiuschwärzen der vertieften Linien zum eigentlichen Abdruck vor¬
bereitet. Fast jeder Radirer nimmt aber von der Platte in ihren verschiednen
Zuständen vor der endgiltigen Vollendung einige Abdrucke, sogenannte Prvbe-
abdrücke, fügt auch oft während und uach den ersten Abzügen Arbeiten in der
Platte hinzu, und diese durch ihre Zuthaten oder Veränderungen unterschiednem
Abdrücke nennt man Plattenzustände oder Etats, ein Ausdruck, der uns gerade
bei den Radirungen Rembrandts oft begegnet, wo wir erste, zweite, dritte
Etats u. s. f. unterscheiden und den frühern, dn sie die Arbeiten in größter
Frische und Schärfe zeigen, meist eine höhere Wertschätzung angedeihen lassen.
Den Einwand, daß der Künstler selbst doch wohl mit dem ersten Zustande der
Platte nicht zufrieden gewesen sein könne, wenn er ihn veränderte und ver¬
besserte, läßt der Knpferstichkenner nicht gelten, auch darin spricht es sich aus,
daß man gerade in den Radirungen den unmittelbaren, von keiner Reflexion
getrübten Ausdruck der künstlerischen Empfindung schätzt. Fühlt man doch
bei Rembrandt fast das Zittern der Erregung, die Stimmung und die Plötz¬
lichkeit des künstlerischen Schaffensaktes aus diesen nervösen grMmnöinsnt8 der
Radirnadel heraus, und dieses nachempfinden schafft nicht zum wenigsten den
unbeschreiblichen Reiz, den seine Schöpfungen auf uns ausüben, die eine ganze
Welt reichsten und zartesten Innenlebens von dem rohen, gefühllosen Natura¬
lismus unsrer Tage trennt.

Schon seine frühesten Radirversuche bestätigen das eben gesagte. Rem¬
brandt war einundzwanzig Jahre alt, als er 1627 seine ersten bezeichneten
Bilder malte; aus dein folgenden Jahre, 1(i28, sind seine frühesten Radirungen
datirt. Wie wir erst durch die neuesten Urkundenfnnde des leider zu
früh verstorbenen Direktors des Amsterdamer Knpferstichknbinets de Vries
mit voller Sicherheit wissen, wurde Rembrandt Harmensz van Nijn am
15. Juli 1606 geboren. Mit vierzehn Jahren bezog er die Hochschule
seiner Vaterstadt Leyden, um sich den gelehrten Studien zu widmen; neben
diesen trieb er aber schon damals im Atelier des Jakob van Swanenburg auch
die Malerei, die ihn so fesselte, daß er die Hochschule verließ, um in Amsterdam
bei Peter Lastman, einem in Italien von Adam Elsheimer beeinflußten Meister,
seine künstlerische Ausbildung zu vollenden. Nach einem halbjährigen Unsere-


mit dein schwarzen Ätzgrund (einer Mischung aus Mastix, Wachs und Asphalt)
Überzügen und in diesen die Zeichnung mit der Nndirnadel, die völlig wie eine
Feder gehandhabt wird, eingeritzt; die so vorbereitete Platte wird nun ringsum
mit einem Wachsrande umgeben und dann mit aufgegossener Salpeter- oder
Salzsäure geätzt, derart, daß sich diese Säure an deu Stellen in das Kupfer
einfrißt, die dnrch die Nadirnadel vom Ätzgrunde befreit sind, und sie vertieft.
Nachdem dieses Verfahren in verschiednen Graden wiederholt ist, wobei man
sich zur Überarbeitung auch noch des Schabers und der kalten Nadel (Schreibe¬
radel, xointu 8Lebs) bedient, wird die Platte mit Terpentin abgewaschen und
dann durch Eiuschwärzen der vertieften Linien zum eigentlichen Abdruck vor¬
bereitet. Fast jeder Radirer nimmt aber von der Platte in ihren verschiednen
Zuständen vor der endgiltigen Vollendung einige Abdrucke, sogenannte Prvbe-
abdrücke, fügt auch oft während und uach den ersten Abzügen Arbeiten in der
Platte hinzu, und diese durch ihre Zuthaten oder Veränderungen unterschiednem
Abdrücke nennt man Plattenzustände oder Etats, ein Ausdruck, der uns gerade
bei den Radirungen Rembrandts oft begegnet, wo wir erste, zweite, dritte
Etats u. s. f. unterscheiden und den frühern, dn sie die Arbeiten in größter
Frische und Schärfe zeigen, meist eine höhere Wertschätzung angedeihen lassen.
Den Einwand, daß der Künstler selbst doch wohl mit dem ersten Zustande der
Platte nicht zufrieden gewesen sein könne, wenn er ihn veränderte und ver¬
besserte, läßt der Knpferstichkenner nicht gelten, auch darin spricht es sich aus,
daß man gerade in den Radirungen den unmittelbaren, von keiner Reflexion
getrübten Ausdruck der künstlerischen Empfindung schätzt. Fühlt man doch
bei Rembrandt fast das Zittern der Erregung, die Stimmung und die Plötz¬
lichkeit des künstlerischen Schaffensaktes aus diesen nervösen grMmnöinsnt8 der
Radirnadel heraus, und dieses nachempfinden schafft nicht zum wenigsten den
unbeschreiblichen Reiz, den seine Schöpfungen auf uns ausüben, die eine ganze
Welt reichsten und zartesten Innenlebens von dem rohen, gefühllosen Natura¬
lismus unsrer Tage trennt.

Schon seine frühesten Radirversuche bestätigen das eben gesagte. Rem¬
brandt war einundzwanzig Jahre alt, als er 1627 seine ersten bezeichneten
Bilder malte; aus dein folgenden Jahre, 1(i28, sind seine frühesten Radirungen
datirt. Wie wir erst durch die neuesten Urkundenfnnde des leider zu
früh verstorbenen Direktors des Amsterdamer Knpferstichknbinets de Vries
mit voller Sicherheit wissen, wurde Rembrandt Harmensz van Nijn am
15. Juli 1606 geboren. Mit vierzehn Jahren bezog er die Hochschule
seiner Vaterstadt Leyden, um sich den gelehrten Studien zu widmen; neben
diesen trieb er aber schon damals im Atelier des Jakob van Swanenburg auch
die Malerei, die ihn so fesselte, daß er die Hochschule verließ, um in Amsterdam
bei Peter Lastman, einem in Italien von Adam Elsheimer beeinflußten Meister,
seine künstlerische Ausbildung zu vollenden. Nach einem halbjährigen Unsere-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/242>, abgerufen am 23.07.2024.