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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Zur Erhöhung der Offiziersgehalte

zu treffen. Der allmählich eintretende Zuwachs an wohlhabenderen Mit¬
gliedern wird nicht ohne Einfluß auf den durchschnittlichen Aufwand des be¬
treffenden Offizierkorps bleiben, der Eindruck davon wird sich weitern Kreisen
mitteilen, und mehr und mehr werden sich um den Eintritt in das Regiment
solche jungen Leute bemühen, denen es bei Ergreifung des Offiziersberufes in
erster Linie um die gesellschaftlichen Vorteile des Standes zu thun ist. In
dieser Klasse der Bewerber finden sich nun erfahrungsmäßig stets auch Leute,
die durch die Ernennung zum Offizier ihre gesellschaftliche Stellung verbessern
oder auch wohl eine solche Stellung überhaupt erst erwerben wollen. Ihnen
bietet nur allzuhäufig der Eintritt ins Heer ein unfehlbares Mittel, in Kreise
vorzudringen, zu denen sie nach ihrer gesellschaftlichen Bildung, nach den Über¬
lieferungen ihrer Familie und nach ihrer mit diesen Überlieferungen zusammen¬
hängenden Sinnesart auf anderm Wege keinen Zutritt haben würden. Es
liegt auf der Hand, daß solche Elemente aus demselben Grunde, ans dem der
Stand ihnen nützt, ihrerseits dein Stande schaden. Der vor der Frage ihrer
Annahme stehende Kommandeur -- dem seine etwaige Vorliebe sür ein flottes
Auftreten seiner Offiziere an sich gewiß nicht zu verdenken ist -- mag Wohl
versucht sein, im Hinblick auf die günstige Vermögenslage des Bewerbers sich
bei der Erwägung zu beruhigen, daß der Mann ja leidlich gewachsen sei und
anscheinend mit Messer und Gabel umzugehen wisse; giebt er der Versuchung
nach und entscheidet er sich für die Annahme, so wird er doch -- ob bewußt oder
unbewußt, thut nichts zur Sache -- ein Stück von der ihm anvertrauten
Würde des Standes dem Mammon geopfert und zu dem chnischen Refrain
des modernen Realismus, daß heutzutage alles käuflich sei, ein neues Beleg¬
stück geliefert haben.

Nichts kann mir ferner liegen, als eine Verkennung der großen Ver¬
änderung, die sich in den Bedürfnissen des Heeres im Vergleiche zu frühern
Zeiten auch auf diesem Gebiete vollzogen hat. Der Gedanke, den Ersatz des
deutschen Offizierstandes etwa auf die Adelsfamilien des Landes zurückschrauben
zu wollen, würde eine Absurdität sein, mit der ich nichts zu thun haben möchte.
Wenn jemals die oben entwickelte Notwendigkeit, den Offizier von seiner Familie
wirtschaftlich unabhängig zu stellen, auch nur zu annähernder Geltung gelangt,
so wird in viel eigentlicherem Sinne als hente der Offizierstand jedem offen stehen,
dessen gesamte Persönlichkeit die Eigenschaften verbürgt, kraft deren allein der
Führer seine Truppen in den mörderischen Vleihagel der Feldschlacht hinein¬
zuführen vermag. Fast in demselben Maße, wie die Zahl der deutschen
Männer, die diese Eigenschaften ausweisen, zunimmt, wird zwar nicht die Zahl,
aber der Prozentsatz der Adlichen unter ihnen niedriger werden. Umgekehrt
werden vermöge des Gesetzes der Vererbung innerhalb des deutschen Adels
diejenigen Männer, die das Zeug zum Truppenführer haben, in absehbarer
Zeit voraussichtlich nicht minder als bisher einen wesentlich stärkern Prozentsatz


Zur Erhöhung der Offiziersgehalte

zu treffen. Der allmählich eintretende Zuwachs an wohlhabenderen Mit¬
gliedern wird nicht ohne Einfluß auf den durchschnittlichen Aufwand des be¬
treffenden Offizierkorps bleiben, der Eindruck davon wird sich weitern Kreisen
mitteilen, und mehr und mehr werden sich um den Eintritt in das Regiment
solche jungen Leute bemühen, denen es bei Ergreifung des Offiziersberufes in
erster Linie um die gesellschaftlichen Vorteile des Standes zu thun ist. In
dieser Klasse der Bewerber finden sich nun erfahrungsmäßig stets auch Leute,
die durch die Ernennung zum Offizier ihre gesellschaftliche Stellung verbessern
oder auch wohl eine solche Stellung überhaupt erst erwerben wollen. Ihnen
bietet nur allzuhäufig der Eintritt ins Heer ein unfehlbares Mittel, in Kreise
vorzudringen, zu denen sie nach ihrer gesellschaftlichen Bildung, nach den Über¬
lieferungen ihrer Familie und nach ihrer mit diesen Überlieferungen zusammen¬
hängenden Sinnesart auf anderm Wege keinen Zutritt haben würden. Es
liegt auf der Hand, daß solche Elemente aus demselben Grunde, ans dem der
Stand ihnen nützt, ihrerseits dein Stande schaden. Der vor der Frage ihrer
Annahme stehende Kommandeur — dem seine etwaige Vorliebe sür ein flottes
Auftreten seiner Offiziere an sich gewiß nicht zu verdenken ist — mag Wohl
versucht sein, im Hinblick auf die günstige Vermögenslage des Bewerbers sich
bei der Erwägung zu beruhigen, daß der Mann ja leidlich gewachsen sei und
anscheinend mit Messer und Gabel umzugehen wisse; giebt er der Versuchung
nach und entscheidet er sich für die Annahme, so wird er doch — ob bewußt oder
unbewußt, thut nichts zur Sache — ein Stück von der ihm anvertrauten
Würde des Standes dem Mammon geopfert und zu dem chnischen Refrain
des modernen Realismus, daß heutzutage alles käuflich sei, ein neues Beleg¬
stück geliefert haben.

Nichts kann mir ferner liegen, als eine Verkennung der großen Ver¬
änderung, die sich in den Bedürfnissen des Heeres im Vergleiche zu frühern
Zeiten auch auf diesem Gebiete vollzogen hat. Der Gedanke, den Ersatz des
deutschen Offizierstandes etwa auf die Adelsfamilien des Landes zurückschrauben
zu wollen, würde eine Absurdität sein, mit der ich nichts zu thun haben möchte.
Wenn jemals die oben entwickelte Notwendigkeit, den Offizier von seiner Familie
wirtschaftlich unabhängig zu stellen, auch nur zu annähernder Geltung gelangt,
so wird in viel eigentlicherem Sinne als hente der Offizierstand jedem offen stehen,
dessen gesamte Persönlichkeit die Eigenschaften verbürgt, kraft deren allein der
Führer seine Truppen in den mörderischen Vleihagel der Feldschlacht hinein¬
zuführen vermag. Fast in demselben Maße, wie die Zahl der deutschen
Männer, die diese Eigenschaften ausweisen, zunimmt, wird zwar nicht die Zahl,
aber der Prozentsatz der Adlichen unter ihnen niedriger werden. Umgekehrt
werden vermöge des Gesetzes der Vererbung innerhalb des deutschen Adels
diejenigen Männer, die das Zeug zum Truppenführer haben, in absehbarer
Zeit voraussichtlich nicht minder als bisher einen wesentlich stärkern Prozentsatz


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[0024] Zur Erhöhung der Offiziersgehalte zu treffen. Der allmählich eintretende Zuwachs an wohlhabenderen Mit¬ gliedern wird nicht ohne Einfluß auf den durchschnittlichen Aufwand des be¬ treffenden Offizierkorps bleiben, der Eindruck davon wird sich weitern Kreisen mitteilen, und mehr und mehr werden sich um den Eintritt in das Regiment solche jungen Leute bemühen, denen es bei Ergreifung des Offiziersberufes in erster Linie um die gesellschaftlichen Vorteile des Standes zu thun ist. In dieser Klasse der Bewerber finden sich nun erfahrungsmäßig stets auch Leute, die durch die Ernennung zum Offizier ihre gesellschaftliche Stellung verbessern oder auch wohl eine solche Stellung überhaupt erst erwerben wollen. Ihnen bietet nur allzuhäufig der Eintritt ins Heer ein unfehlbares Mittel, in Kreise vorzudringen, zu denen sie nach ihrer gesellschaftlichen Bildung, nach den Über¬ lieferungen ihrer Familie und nach ihrer mit diesen Überlieferungen zusammen¬ hängenden Sinnesart auf anderm Wege keinen Zutritt haben würden. Es liegt auf der Hand, daß solche Elemente aus demselben Grunde, ans dem der Stand ihnen nützt, ihrerseits dein Stande schaden. Der vor der Frage ihrer Annahme stehende Kommandeur — dem seine etwaige Vorliebe sür ein flottes Auftreten seiner Offiziere an sich gewiß nicht zu verdenken ist — mag Wohl versucht sein, im Hinblick auf die günstige Vermögenslage des Bewerbers sich bei der Erwägung zu beruhigen, daß der Mann ja leidlich gewachsen sei und anscheinend mit Messer und Gabel umzugehen wisse; giebt er der Versuchung nach und entscheidet er sich für die Annahme, so wird er doch — ob bewußt oder unbewußt, thut nichts zur Sache — ein Stück von der ihm anvertrauten Würde des Standes dem Mammon geopfert und zu dem chnischen Refrain des modernen Realismus, daß heutzutage alles käuflich sei, ein neues Beleg¬ stück geliefert haben. Nichts kann mir ferner liegen, als eine Verkennung der großen Ver¬ änderung, die sich in den Bedürfnissen des Heeres im Vergleiche zu frühern Zeiten auch auf diesem Gebiete vollzogen hat. Der Gedanke, den Ersatz des deutschen Offizierstandes etwa auf die Adelsfamilien des Landes zurückschrauben zu wollen, würde eine Absurdität sein, mit der ich nichts zu thun haben möchte. Wenn jemals die oben entwickelte Notwendigkeit, den Offizier von seiner Familie wirtschaftlich unabhängig zu stellen, auch nur zu annähernder Geltung gelangt, so wird in viel eigentlicherem Sinne als hente der Offizierstand jedem offen stehen, dessen gesamte Persönlichkeit die Eigenschaften verbürgt, kraft deren allein der Führer seine Truppen in den mörderischen Vleihagel der Feldschlacht hinein¬ zuführen vermag. Fast in demselben Maße, wie die Zahl der deutschen Männer, die diese Eigenschaften ausweisen, zunimmt, wird zwar nicht die Zahl, aber der Prozentsatz der Adlichen unter ihnen niedriger werden. Umgekehrt werden vermöge des Gesetzes der Vererbung innerhalb des deutschen Adels diejenigen Männer, die das Zeug zum Truppenführer haben, in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht minder als bisher einen wesentlich stärkern Prozentsatz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/24>, abgerufen am 23.07.2024.