Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Unteroffizierprämien

Das sind ohne Zweifel alles Kleinigkeiten, aber Kleinigkeiten, die für den
Soldaten von dem allerhöchsten Werte sind. Werden sie nicht mit genauester
Sorgfalt beobachtet, so wird auch im großen bald die Pflicht verletzt. Deshalb
halten wir so fest daran. Unser Heer soll nicht eine Einrichtung sein, wo dem
Soldaten die Kunst, die Mitmenschen hinzuschlachten, in elegantester Form bei¬
gebracht wird, sondern eine Volksschule in der wahrsten Bedeutung des Worts.
Zur Volksschule gehören aber Volksschullehrer, und das sind bei uns die
Unteroffiziere. Haben wir sie uicht in ausreichender Zahl, so kann die Volks¬
schule ihre segensreiche Wirkung nicht entfalten.

Damit sind jedoch die bösen Folgen des Untervfsiziermangels noch keines¬
wegs erschöpft. Alle die aufgezählten Nachteile fallen bei einer Mobilmachung
doppelt schwer ins Gewicht. Die Neuformatioueu bedürfen dringend des festen
Nahmens, den das ihnen vom stehenden Heere zum Teil überlassene Berufs¬
unteroffizierkorps liefert, die Ersatztruppen sollen und können fast nur Berufs-
untervffiziere gebrauchen. Was bleibt da für die Feldtruppen übrig, wenn
das stehende Heer schon im Frieden ein Unteroffizieren Mangel leidet? Nichts,
und doch können gewisse Posten bei der Feldkompagnie eigentlich nur von
Berufsuntervffizieren ausgefüllt werdeu, und doch können unendlich viele bei der
Mobilmachung nötig werdende Kommandos, Transporte u. s. w. nur von Be-
rnfsunteroffizieren geführt werden. Daneben ist es gewiß wünschenswert, daß
den ins Feld rückender Truppen, auch abgesehen von den für die besondern
Aufgaben bestimmten Unteroffizieren, noch einige erfahrene Leute verbleiben, die
das feste Gerüst abgeben, in das die nen eingezogenen Reservisten eingefügt
werdeu. Mau unterschätze den Wert der praktisch durchgebildeten Vernfs-
untervffiziere im Felde ja uicht. Wie das Offizierkorps das Rückgrat, so bilden
sie den übrigen Knochenbau des gewaltigen Körpers, den wir das deutsche
Heer nennen. Die Gefahr liegt sehr nahe, daß ohne diesen Knochenbau der
Körper an Elastizität und Widerstandskraft einbüßt.

Der letzte und vielleicht schlimmste Nachteil des Untervfsiziermangels ist
endlich die dnrch ihn mit unausbleiblicher Sicherheit veranlaßte Ermattung und
Entmutigung des Offizierkorps. Die Offiziere sollen frisch in die höhern
Stellen einrücken, frisch aber können sie nur bleiben, wenn man ihnen nicht
den Dienst der Unteroffiziere aufbürdet. Das geschieht aber, sobald ein Mangel
an Unteroffizieren fühlbar wird, unter allen Umständen, mögen die Kompagnie¬
chefs und die höhern Vorgesetzten noch so gute Vorsätze haben. Wie soll
man sich dein: auch helfen? Gethan muß der Dienst werden, darüber ist nicht
zu streiten, und hat man keine Unteroffiziere, so hilft man sich eben durch
Mehrbelastung der jüngern Offiziere. Ein sophistischer Kompagniechef tröstet
sich wohl gar mit dem Gemeinplatz, es sei recht gut, wenn der junge Leut¬
nant in die Geheimnisse des Kompagnielebens eindringe, er gebe dann später
einen um so bessern Kompagnieführer ab. Nichts ist falscher als diese Schluß-


Die Unteroffizierprämien

Das sind ohne Zweifel alles Kleinigkeiten, aber Kleinigkeiten, die für den
Soldaten von dem allerhöchsten Werte sind. Werden sie nicht mit genauester
Sorgfalt beobachtet, so wird auch im großen bald die Pflicht verletzt. Deshalb
halten wir so fest daran. Unser Heer soll nicht eine Einrichtung sein, wo dem
Soldaten die Kunst, die Mitmenschen hinzuschlachten, in elegantester Form bei¬
gebracht wird, sondern eine Volksschule in der wahrsten Bedeutung des Worts.
Zur Volksschule gehören aber Volksschullehrer, und das sind bei uns die
Unteroffiziere. Haben wir sie uicht in ausreichender Zahl, so kann die Volks¬
schule ihre segensreiche Wirkung nicht entfalten.

Damit sind jedoch die bösen Folgen des Untervfsiziermangels noch keines¬
wegs erschöpft. Alle die aufgezählten Nachteile fallen bei einer Mobilmachung
doppelt schwer ins Gewicht. Die Neuformatioueu bedürfen dringend des festen
Nahmens, den das ihnen vom stehenden Heere zum Teil überlassene Berufs¬
unteroffizierkorps liefert, die Ersatztruppen sollen und können fast nur Berufs-
untervffiziere gebrauchen. Was bleibt da für die Feldtruppen übrig, wenn
das stehende Heer schon im Frieden ein Unteroffizieren Mangel leidet? Nichts,
und doch können gewisse Posten bei der Feldkompagnie eigentlich nur von
Berufsuntervffizieren ausgefüllt werdeu, und doch können unendlich viele bei der
Mobilmachung nötig werdende Kommandos, Transporte u. s. w. nur von Be-
rnfsunteroffizieren geführt werden. Daneben ist es gewiß wünschenswert, daß
den ins Feld rückender Truppen, auch abgesehen von den für die besondern
Aufgaben bestimmten Unteroffizieren, noch einige erfahrene Leute verbleiben, die
das feste Gerüst abgeben, in das die nen eingezogenen Reservisten eingefügt
werdeu. Mau unterschätze den Wert der praktisch durchgebildeten Vernfs-
untervffiziere im Felde ja uicht. Wie das Offizierkorps das Rückgrat, so bilden
sie den übrigen Knochenbau des gewaltigen Körpers, den wir das deutsche
Heer nennen. Die Gefahr liegt sehr nahe, daß ohne diesen Knochenbau der
Körper an Elastizität und Widerstandskraft einbüßt.

Der letzte und vielleicht schlimmste Nachteil des Untervfsiziermangels ist
endlich die dnrch ihn mit unausbleiblicher Sicherheit veranlaßte Ermattung und
Entmutigung des Offizierkorps. Die Offiziere sollen frisch in die höhern
Stellen einrücken, frisch aber können sie nur bleiben, wenn man ihnen nicht
den Dienst der Unteroffiziere aufbürdet. Das geschieht aber, sobald ein Mangel
an Unteroffizieren fühlbar wird, unter allen Umständen, mögen die Kompagnie¬
chefs und die höhern Vorgesetzten noch so gute Vorsätze haben. Wie soll
man sich dein: auch helfen? Gethan muß der Dienst werden, darüber ist nicht
zu streiten, und hat man keine Unteroffiziere, so hilft man sich eben durch
Mehrbelastung der jüngern Offiziere. Ein sophistischer Kompagniechef tröstet
sich wohl gar mit dem Gemeinplatz, es sei recht gut, wenn der junge Leut¬
nant in die Geheimnisse des Kompagnielebens eindringe, er gebe dann später
einen um so bessern Kompagnieführer ab. Nichts ist falscher als diese Schluß-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0238" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208817"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Unteroffizierprämien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_675" prev="#ID_674"> Das sind ohne Zweifel alles Kleinigkeiten, aber Kleinigkeiten, die für den<lb/>
Soldaten von dem allerhöchsten Werte sind. Werden sie nicht mit genauester<lb/>
Sorgfalt beobachtet, so wird auch im großen bald die Pflicht verletzt. Deshalb<lb/>
halten wir so fest daran. Unser Heer soll nicht eine Einrichtung sein, wo dem<lb/>
Soldaten die Kunst, die Mitmenschen hinzuschlachten, in elegantester Form bei¬<lb/>
gebracht wird, sondern eine Volksschule in der wahrsten Bedeutung des Worts.<lb/>
Zur Volksschule gehören aber Volksschullehrer, und das sind bei uns die<lb/>
Unteroffiziere. Haben wir sie uicht in ausreichender Zahl, so kann die Volks¬<lb/>
schule ihre segensreiche Wirkung nicht entfalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_676"> Damit sind jedoch die bösen Folgen des Untervfsiziermangels noch keines¬<lb/>
wegs erschöpft. Alle die aufgezählten Nachteile fallen bei einer Mobilmachung<lb/>
doppelt schwer ins Gewicht. Die Neuformatioueu bedürfen dringend des festen<lb/>
Nahmens, den das ihnen vom stehenden Heere zum Teil überlassene Berufs¬<lb/>
unteroffizierkorps liefert, die Ersatztruppen sollen und können fast nur Berufs-<lb/>
untervffiziere gebrauchen. Was bleibt da für die Feldtruppen übrig, wenn<lb/>
das stehende Heer schon im Frieden ein Unteroffizieren Mangel leidet? Nichts,<lb/>
und doch können gewisse Posten bei der Feldkompagnie eigentlich nur von<lb/>
Berufsuntervffizieren ausgefüllt werdeu, und doch können unendlich viele bei der<lb/>
Mobilmachung nötig werdende Kommandos, Transporte u. s. w. nur von Be-<lb/>
rnfsunteroffizieren geführt werden. Daneben ist es gewiß wünschenswert, daß<lb/>
den ins Feld rückender Truppen, auch abgesehen von den für die besondern<lb/>
Aufgaben bestimmten Unteroffizieren, noch einige erfahrene Leute verbleiben, die<lb/>
das feste Gerüst abgeben, in das die nen eingezogenen Reservisten eingefügt<lb/>
werdeu. Mau unterschätze den Wert der praktisch durchgebildeten Vernfs-<lb/>
untervffiziere im Felde ja uicht. Wie das Offizierkorps das Rückgrat, so bilden<lb/>
sie den übrigen Knochenbau des gewaltigen Körpers, den wir das deutsche<lb/>
Heer nennen. Die Gefahr liegt sehr nahe, daß ohne diesen Knochenbau der<lb/>
Körper an Elastizität und Widerstandskraft einbüßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_677" next="#ID_678"> Der letzte und vielleicht schlimmste Nachteil des Untervfsiziermangels ist<lb/>
endlich die dnrch ihn mit unausbleiblicher Sicherheit veranlaßte Ermattung und<lb/>
Entmutigung des Offizierkorps. Die Offiziere sollen frisch in die höhern<lb/>
Stellen einrücken, frisch aber können sie nur bleiben, wenn man ihnen nicht<lb/>
den Dienst der Unteroffiziere aufbürdet. Das geschieht aber, sobald ein Mangel<lb/>
an Unteroffizieren fühlbar wird, unter allen Umständen, mögen die Kompagnie¬<lb/>
chefs und die höhern Vorgesetzten noch so gute Vorsätze haben. Wie soll<lb/>
man sich dein: auch helfen? Gethan muß der Dienst werden, darüber ist nicht<lb/>
zu streiten, und hat man keine Unteroffiziere, so hilft man sich eben durch<lb/>
Mehrbelastung der jüngern Offiziere. Ein sophistischer Kompagniechef tröstet<lb/>
sich wohl gar mit dem Gemeinplatz, es sei recht gut, wenn der junge Leut¬<lb/>
nant in die Geheimnisse des Kompagnielebens eindringe, er gebe dann später<lb/>
einen um so bessern Kompagnieführer ab. Nichts ist falscher als diese Schluß-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0238] Die Unteroffizierprämien Das sind ohne Zweifel alles Kleinigkeiten, aber Kleinigkeiten, die für den Soldaten von dem allerhöchsten Werte sind. Werden sie nicht mit genauester Sorgfalt beobachtet, so wird auch im großen bald die Pflicht verletzt. Deshalb halten wir so fest daran. Unser Heer soll nicht eine Einrichtung sein, wo dem Soldaten die Kunst, die Mitmenschen hinzuschlachten, in elegantester Form bei¬ gebracht wird, sondern eine Volksschule in der wahrsten Bedeutung des Worts. Zur Volksschule gehören aber Volksschullehrer, und das sind bei uns die Unteroffiziere. Haben wir sie uicht in ausreichender Zahl, so kann die Volks¬ schule ihre segensreiche Wirkung nicht entfalten. Damit sind jedoch die bösen Folgen des Untervfsiziermangels noch keines¬ wegs erschöpft. Alle die aufgezählten Nachteile fallen bei einer Mobilmachung doppelt schwer ins Gewicht. Die Neuformatioueu bedürfen dringend des festen Nahmens, den das ihnen vom stehenden Heere zum Teil überlassene Berufs¬ unteroffizierkorps liefert, die Ersatztruppen sollen und können fast nur Berufs- untervffiziere gebrauchen. Was bleibt da für die Feldtruppen übrig, wenn das stehende Heer schon im Frieden ein Unteroffizieren Mangel leidet? Nichts, und doch können gewisse Posten bei der Feldkompagnie eigentlich nur von Berufsuntervffizieren ausgefüllt werdeu, und doch können unendlich viele bei der Mobilmachung nötig werdende Kommandos, Transporte u. s. w. nur von Be- rnfsunteroffizieren geführt werden. Daneben ist es gewiß wünschenswert, daß den ins Feld rückender Truppen, auch abgesehen von den für die besondern Aufgaben bestimmten Unteroffizieren, noch einige erfahrene Leute verbleiben, die das feste Gerüst abgeben, in das die nen eingezogenen Reservisten eingefügt werdeu. Mau unterschätze den Wert der praktisch durchgebildeten Vernfs- untervffiziere im Felde ja uicht. Wie das Offizierkorps das Rückgrat, so bilden sie den übrigen Knochenbau des gewaltigen Körpers, den wir das deutsche Heer nennen. Die Gefahr liegt sehr nahe, daß ohne diesen Knochenbau der Körper an Elastizität und Widerstandskraft einbüßt. Der letzte und vielleicht schlimmste Nachteil des Untervfsiziermangels ist endlich die dnrch ihn mit unausbleiblicher Sicherheit veranlaßte Ermattung und Entmutigung des Offizierkorps. Die Offiziere sollen frisch in die höhern Stellen einrücken, frisch aber können sie nur bleiben, wenn man ihnen nicht den Dienst der Unteroffiziere aufbürdet. Das geschieht aber, sobald ein Mangel an Unteroffizieren fühlbar wird, unter allen Umständen, mögen die Kompagnie¬ chefs und die höhern Vorgesetzten noch so gute Vorsätze haben. Wie soll man sich dein: auch helfen? Gethan muß der Dienst werden, darüber ist nicht zu streiten, und hat man keine Unteroffiziere, so hilft man sich eben durch Mehrbelastung der jüngern Offiziere. Ein sophistischer Kompagniechef tröstet sich wohl gar mit dem Gemeinplatz, es sei recht gut, wenn der junge Leut¬ nant in die Geheimnisse des Kompagnielebens eindringe, er gebe dann später einen um so bessern Kompagnieführer ab. Nichts ist falscher als diese Schluß-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/238
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/238>, abgerufen am 23.07.2024.