Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Erhöhung der Vffiziersgehcilte

Preußens Größe, die der Neubegründung des deutscheu Reiches voraus¬
gehen mußte, beruht in erster Linie auf der völligen Hingebung an den Beruf,
die feine Fürsten ihrem Herrscherbcrufe gegenüber bethätigt und sei es durch
die mittelbare Wirkung ihres Vorbildes, sei es durch die virtuose Jmpfmethode
ihrer unmittelbaren Erziehung, auf die übrigen "Diener des Staates" zu über¬
trage" verstanden haben. Diese Wahrheit ist nachgerade zu einem Gemein¬
plätze geworden, dessen Richtigkeit kein Gebildeter mehr bestreitet. Dieser
völligen Hingebung des preußischen Offiziers an seinen Beruf verdankt auch
Preußens Heer seine großen Überlieferungen. Wir sahen bereits, daß
vereinzelte Erscheinungen eines materiellen und unsolider Sinnes uns nicht
zu entmutigen brauchen, so lange sie ausschließlich oder doch fast aus¬
schließlich außerhalb des dienstlichen Gebietes auftreten. Bis zu der nie ver¬
sagenden Zuverlässigkeit des Instinkts entwickelt, bildet die Unterscheidung
zwischen diesem dienstlichen und dein außerdienstlichen Gebiete das gleichmäßige
Erbteil der mit irdischen Gütern nur selten noch ausgestatteten Abkömmlinge
jener Geschlechter, die seit einer Reihe von Menschenaltern dein preußischen
Staate seine Trnppenführer gestellt haben. Und damit bin ich bei dem Angel¬
punkt unsrer Betrachtung augelangt.

Bekanntlich hat der nüchtern rechnende Sinn der Franzosen für eine
Thätigkeit, die viel hervorbringt, aber wenig einbringt, den ironischen Ausdruck
trÄVAllör xour 1c> rot ä"z x^s" erfunden. Es wird nicht leicht ein ehren¬
volleres Kompliment für uns geben, als dieses spöttische Sprichwort. Als
Friedrich der Große während der letzten Hülste seiner Regierungszeit durch
Hinterpommern reiste und ihm auf seine Fragen nach den Besitzern verschiedner
Ortschaften verschiedne ihm nicht bekannte Namen genannt wurden, sagte er
verwundert: "Sonst pflegte hier doch hinter jedem Busch ein Kleist zu sitzen."
"Ja wohl, Majestät," war die Antwort, "das war vor dem Kriege." Än¬
liches hätte damals und hätte nach den napoleonischen Kriegen noch von
manchen andern, Hütte mit Bezug auf anderweitige Besitzverhültniffe auch von
vielen bürgerlichen Familien gesagt werden können. Aber nicht bloß die
außerordentlichen Anstrengungen, die in jenen schweren Zeiten sür König und
Vaterland gemacht wurden, auch die unscheinbaren Opfer der einfachen Pflicht¬
erfüllung im militärischen und Verwaltungsdienst im Frieden haben in der
Folge der Geschlechter den Wohlstand der in diesem Dienste vorzugsweise
thätigen Familien in weitesten Umfange untergraben. Das konnte und kann
nicht anders sein; denn wie auf jedem Gebiete, giebt es auch auf dem der
Vermögeusbildung keinen Stillstand: überall und immer wird diese entweder
fortschreiten oder zurückgehe". Der erstere Fall ist aber im Staatsdienste
^ der im weitem Sinne ja auch den militärischen Dienst umfaßt -- fast
notwendig ausgeschlossen. Die Verussthütigkeit des Offiziers wie des Staats¬
beamten ist im Gegensatze zu der aller übrigen "Erwerbszweige" nicht auf


Zur Erhöhung der Vffiziersgehcilte

Preußens Größe, die der Neubegründung des deutscheu Reiches voraus¬
gehen mußte, beruht in erster Linie auf der völligen Hingebung an den Beruf,
die feine Fürsten ihrem Herrscherbcrufe gegenüber bethätigt und sei es durch
die mittelbare Wirkung ihres Vorbildes, sei es durch die virtuose Jmpfmethode
ihrer unmittelbaren Erziehung, auf die übrigen „Diener des Staates" zu über¬
trage» verstanden haben. Diese Wahrheit ist nachgerade zu einem Gemein¬
plätze geworden, dessen Richtigkeit kein Gebildeter mehr bestreitet. Dieser
völligen Hingebung des preußischen Offiziers an seinen Beruf verdankt auch
Preußens Heer seine großen Überlieferungen. Wir sahen bereits, daß
vereinzelte Erscheinungen eines materiellen und unsolider Sinnes uns nicht
zu entmutigen brauchen, so lange sie ausschließlich oder doch fast aus¬
schließlich außerhalb des dienstlichen Gebietes auftreten. Bis zu der nie ver¬
sagenden Zuverlässigkeit des Instinkts entwickelt, bildet die Unterscheidung
zwischen diesem dienstlichen und dein außerdienstlichen Gebiete das gleichmäßige
Erbteil der mit irdischen Gütern nur selten noch ausgestatteten Abkömmlinge
jener Geschlechter, die seit einer Reihe von Menschenaltern dein preußischen
Staate seine Trnppenführer gestellt haben. Und damit bin ich bei dem Angel¬
punkt unsrer Betrachtung augelangt.

Bekanntlich hat der nüchtern rechnende Sinn der Franzosen für eine
Thätigkeit, die viel hervorbringt, aber wenig einbringt, den ironischen Ausdruck
trÄVAllör xour 1c> rot ä«z x^s« erfunden. Es wird nicht leicht ein ehren¬
volleres Kompliment für uns geben, als dieses spöttische Sprichwort. Als
Friedrich der Große während der letzten Hülste seiner Regierungszeit durch
Hinterpommern reiste und ihm auf seine Fragen nach den Besitzern verschiedner
Ortschaften verschiedne ihm nicht bekannte Namen genannt wurden, sagte er
verwundert: „Sonst pflegte hier doch hinter jedem Busch ein Kleist zu sitzen."
„Ja wohl, Majestät," war die Antwort, „das war vor dem Kriege." Än¬
liches hätte damals und hätte nach den napoleonischen Kriegen noch von
manchen andern, Hütte mit Bezug auf anderweitige Besitzverhültniffe auch von
vielen bürgerlichen Familien gesagt werden können. Aber nicht bloß die
außerordentlichen Anstrengungen, die in jenen schweren Zeiten sür König und
Vaterland gemacht wurden, auch die unscheinbaren Opfer der einfachen Pflicht¬
erfüllung im militärischen und Verwaltungsdienst im Frieden haben in der
Folge der Geschlechter den Wohlstand der in diesem Dienste vorzugsweise
thätigen Familien in weitesten Umfange untergraben. Das konnte und kann
nicht anders sein; denn wie auf jedem Gebiete, giebt es auch auf dem der
Vermögeusbildung keinen Stillstand: überall und immer wird diese entweder
fortschreiten oder zurückgehe». Der erstere Fall ist aber im Staatsdienste
^ der im weitem Sinne ja auch den militärischen Dienst umfaßt — fast
notwendig ausgeschlossen. Die Verussthütigkeit des Offiziers wie des Staats¬
beamten ist im Gegensatze zu der aller übrigen „Erwerbszweige" nicht auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208600"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Erhöhung der Vffiziersgehcilte</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_37"> Preußens Größe, die der Neubegründung des deutscheu Reiches voraus¬<lb/>
gehen mußte, beruht in erster Linie auf der völligen Hingebung an den Beruf,<lb/>
die feine Fürsten ihrem Herrscherbcrufe gegenüber bethätigt und sei es durch<lb/>
die mittelbare Wirkung ihres Vorbildes, sei es durch die virtuose Jmpfmethode<lb/>
ihrer unmittelbaren Erziehung, auf die übrigen &#x201E;Diener des Staates" zu über¬<lb/>
trage» verstanden haben. Diese Wahrheit ist nachgerade zu einem Gemein¬<lb/>
plätze geworden, dessen Richtigkeit kein Gebildeter mehr bestreitet. Dieser<lb/>
völligen Hingebung des preußischen Offiziers an seinen Beruf verdankt auch<lb/>
Preußens Heer seine großen Überlieferungen. Wir sahen bereits, daß<lb/>
vereinzelte Erscheinungen eines materiellen und unsolider Sinnes uns nicht<lb/>
zu entmutigen brauchen, so lange sie ausschließlich oder doch fast aus¬<lb/>
schließlich außerhalb des dienstlichen Gebietes auftreten. Bis zu der nie ver¬<lb/>
sagenden Zuverlässigkeit des Instinkts entwickelt, bildet die Unterscheidung<lb/>
zwischen diesem dienstlichen und dein außerdienstlichen Gebiete das gleichmäßige<lb/>
Erbteil der mit irdischen Gütern nur selten noch ausgestatteten Abkömmlinge<lb/>
jener Geschlechter, die seit einer Reihe von Menschenaltern dein preußischen<lb/>
Staate seine Trnppenführer gestellt haben. Und damit bin ich bei dem Angel¬<lb/>
punkt unsrer Betrachtung augelangt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_38" next="#ID_39"> Bekanntlich hat der nüchtern rechnende Sinn der Franzosen für eine<lb/>
Thätigkeit, die viel hervorbringt, aber wenig einbringt, den ironischen Ausdruck<lb/>
trÄVAllör xour 1c&gt; rot ä«z x^s« erfunden. Es wird nicht leicht ein ehren¬<lb/>
volleres Kompliment für uns geben, als dieses spöttische Sprichwort. Als<lb/>
Friedrich der Große während der letzten Hülste seiner Regierungszeit durch<lb/>
Hinterpommern reiste und ihm auf seine Fragen nach den Besitzern verschiedner<lb/>
Ortschaften verschiedne ihm nicht bekannte Namen genannt wurden, sagte er<lb/>
verwundert: &#x201E;Sonst pflegte hier doch hinter jedem Busch ein Kleist zu sitzen."<lb/>
&#x201E;Ja wohl, Majestät," war die Antwort, &#x201E;das war vor dem Kriege." Än¬<lb/>
liches hätte damals und hätte nach den napoleonischen Kriegen noch von<lb/>
manchen andern, Hütte mit Bezug auf anderweitige Besitzverhültniffe auch von<lb/>
vielen bürgerlichen Familien gesagt werden können. Aber nicht bloß die<lb/>
außerordentlichen Anstrengungen, die in jenen schweren Zeiten sür König und<lb/>
Vaterland gemacht wurden, auch die unscheinbaren Opfer der einfachen Pflicht¬<lb/>
erfüllung im militärischen und Verwaltungsdienst im Frieden haben in der<lb/>
Folge der Geschlechter den Wohlstand der in diesem Dienste vorzugsweise<lb/>
thätigen Familien in weitesten Umfange untergraben. Das konnte und kann<lb/>
nicht anders sein; denn wie auf jedem Gebiete, giebt es auch auf dem der<lb/>
Vermögeusbildung keinen Stillstand: überall und immer wird diese entweder<lb/>
fortschreiten oder zurückgehe». Der erstere Fall ist aber im Staatsdienste<lb/>
^ der im weitem Sinne ja auch den militärischen Dienst umfaßt &#x2014; fast<lb/>
notwendig ausgeschlossen. Die Verussthütigkeit des Offiziers wie des Staats¬<lb/>
beamten ist im Gegensatze zu der aller übrigen &#x201E;Erwerbszweige" nicht auf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] Zur Erhöhung der Vffiziersgehcilte Preußens Größe, die der Neubegründung des deutscheu Reiches voraus¬ gehen mußte, beruht in erster Linie auf der völligen Hingebung an den Beruf, die feine Fürsten ihrem Herrscherbcrufe gegenüber bethätigt und sei es durch die mittelbare Wirkung ihres Vorbildes, sei es durch die virtuose Jmpfmethode ihrer unmittelbaren Erziehung, auf die übrigen „Diener des Staates" zu über¬ trage» verstanden haben. Diese Wahrheit ist nachgerade zu einem Gemein¬ plätze geworden, dessen Richtigkeit kein Gebildeter mehr bestreitet. Dieser völligen Hingebung des preußischen Offiziers an seinen Beruf verdankt auch Preußens Heer seine großen Überlieferungen. Wir sahen bereits, daß vereinzelte Erscheinungen eines materiellen und unsolider Sinnes uns nicht zu entmutigen brauchen, so lange sie ausschließlich oder doch fast aus¬ schließlich außerhalb des dienstlichen Gebietes auftreten. Bis zu der nie ver¬ sagenden Zuverlässigkeit des Instinkts entwickelt, bildet die Unterscheidung zwischen diesem dienstlichen und dein außerdienstlichen Gebiete das gleichmäßige Erbteil der mit irdischen Gütern nur selten noch ausgestatteten Abkömmlinge jener Geschlechter, die seit einer Reihe von Menschenaltern dein preußischen Staate seine Trnppenführer gestellt haben. Und damit bin ich bei dem Angel¬ punkt unsrer Betrachtung augelangt. Bekanntlich hat der nüchtern rechnende Sinn der Franzosen für eine Thätigkeit, die viel hervorbringt, aber wenig einbringt, den ironischen Ausdruck trÄVAllör xour 1c> rot ä«z x^s« erfunden. Es wird nicht leicht ein ehren¬ volleres Kompliment für uns geben, als dieses spöttische Sprichwort. Als Friedrich der Große während der letzten Hülste seiner Regierungszeit durch Hinterpommern reiste und ihm auf seine Fragen nach den Besitzern verschiedner Ortschaften verschiedne ihm nicht bekannte Namen genannt wurden, sagte er verwundert: „Sonst pflegte hier doch hinter jedem Busch ein Kleist zu sitzen." „Ja wohl, Majestät," war die Antwort, „das war vor dem Kriege." Än¬ liches hätte damals und hätte nach den napoleonischen Kriegen noch von manchen andern, Hütte mit Bezug auf anderweitige Besitzverhültniffe auch von vielen bürgerlichen Familien gesagt werden können. Aber nicht bloß die außerordentlichen Anstrengungen, die in jenen schweren Zeiten sür König und Vaterland gemacht wurden, auch die unscheinbaren Opfer der einfachen Pflicht¬ erfüllung im militärischen und Verwaltungsdienst im Frieden haben in der Folge der Geschlechter den Wohlstand der in diesem Dienste vorzugsweise thätigen Familien in weitesten Umfange untergraben. Das konnte und kann nicht anders sein; denn wie auf jedem Gebiete, giebt es auch auf dem der Vermögeusbildung keinen Stillstand: überall und immer wird diese entweder fortschreiten oder zurückgehe». Der erstere Fall ist aber im Staatsdienste ^ der im weitem Sinne ja auch den militärischen Dienst umfaßt — fast notwendig ausgeschlossen. Die Verussthütigkeit des Offiziers wie des Staats¬ beamten ist im Gegensatze zu der aller übrigen „Erwerbszweige" nicht auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/21
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/21>, abgerufen am 23.07.2024.