Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Aunst in England

stämmigen Gäulen begegnete. Sie brachten Wohl auch ihre Sonntage in einem
der benachbarten Arbeiterdvrfer zu; wo sonst nur im Grünen liebende Pärchen
lustwandelten, da beobachteten sie das Wehen der Luft durch die Gipfel zier¬
licher Buchen und das Spiel des Lichts auf spärlichem Wiesenrain, malten
Apfelblüten, Kornfelder, das Einfachste und Anspruchsloseste, was sich malen
ließ. Einige verkauften ihre Arbeiten für 15 bis 30 Pfund an ihren Prinzipal,
und schließlich gelang es dem einen oder andern, einen Beschützer zu finden,
der ihn zur weitern Ausbildung nach Paris schickte. Auf diese Weise kam
Glasgow zu einer Mnlerschule. Heute, nach fünfzehn Jahren, giebt es dort
bereits dreihundert Maler, die sämtlich ihre Studien in Paris gemacht
haben. Im Slas^vo Instituts ol' tue das Mes veranstalten sie alljährlich
Ausstellungen ihrer Werke; in der LoottiLll ^.re lisvisv haben sie sich ein Organ
gegründet, in Professor Baldwin Brown und Patrick Geddes zwei Wortführer
gefunden, die ebenso geistreich wie begeistert über die Bestrebungen der jungen
Schule schreiben, und heute stehen wir auf dem Festlande vor diesen Werken
wie vor einer Offenbarung.

In einer Zeit, wo die englische Malerei mehr und mehr einer Schablonen¬
haften Sauberkeit verfällt, tauchen plötzlich diese weltentrückten Schotten auf,
die so merkwürdig frisch und gesund, durch kein Vorurteil gehemmt, mit naiv
kindlichem Selbstvertrauen auf ihr Ziel losgehen. Ihre Werke bezeichnen das
Aufkommen des Impressionismus innerhalb der britischen Kunst, wodurch sie
sich schon von vornherein in scharfen Gegensatz zu den Engländern stellen.
Während jene ohne Rücksicht auf die jeweiligen atmosphärischen Einflüsse die
Töne zu einer hellen Harmonie zusammenstimmen, die geschickt damit rechnet,
daß die Bilder in den dortigen Or^vinA roouis vorzugsweise abends bei Gas¬
licht betrachtet werden und wirken sollen, sehen die Schotten von allem Bild¬
mäßigen ab und wollen nichts als frische, ganz moderne Naturstudien geben.
Den allgemeinen Eindruck der Landschaft zu fassen, wie sie in der Licht- und
Lufthülle schlummert, bildet ihr erstes Streben, und anch die Behandlung hat
es nur darauf abgesehen, die erste Frische des Natureindruckes mit raschem
Griff abzupflücken. Wie sich in dem Festhalten einer wie ein Ncbelhanch
vorüberziehenden Luftstimmung das malerische Talent zeigt, so auch in dem
kecken, flotten Vortrag, der nur aus einer gewissen Entfernung wirkt, während
für das nahe Auge alle Töne unentwirrbar durch einander schwirren. Daher
findet sich in allen Bildern eine skizzenhafte Flüchtigkeit, aber die fest gewollte
und sicher erreichte Stimmung giebt ihnen doch stets einen Empsinduugsgehalt,
der sie in die Sphäre der wahren Kunst erhebt. Diese Guthrie, Laverh,
Walton, Roche, Henry, Hornet, Melville, Paterson, Morton, Grvsvenor,
Kennedy und wie sie alle heißen -- wer hat sie gelehrt, Primitiven gleich
das Feld und das Gras, die Halme und die Blumen des Feldes zu betrachten?
Man erblickt auf ihren herrlichen Bildern gewöhnlich weite Ausdehnungen von


Die Aunst in England

stämmigen Gäulen begegnete. Sie brachten Wohl auch ihre Sonntage in einem
der benachbarten Arbeiterdvrfer zu; wo sonst nur im Grünen liebende Pärchen
lustwandelten, da beobachteten sie das Wehen der Luft durch die Gipfel zier¬
licher Buchen und das Spiel des Lichts auf spärlichem Wiesenrain, malten
Apfelblüten, Kornfelder, das Einfachste und Anspruchsloseste, was sich malen
ließ. Einige verkauften ihre Arbeiten für 15 bis 30 Pfund an ihren Prinzipal,
und schließlich gelang es dem einen oder andern, einen Beschützer zu finden,
der ihn zur weitern Ausbildung nach Paris schickte. Auf diese Weise kam
Glasgow zu einer Mnlerschule. Heute, nach fünfzehn Jahren, giebt es dort
bereits dreihundert Maler, die sämtlich ihre Studien in Paris gemacht
haben. Im Slas^vo Instituts ol' tue das Mes veranstalten sie alljährlich
Ausstellungen ihrer Werke; in der LoottiLll ^.re lisvisv haben sie sich ein Organ
gegründet, in Professor Baldwin Brown und Patrick Geddes zwei Wortführer
gefunden, die ebenso geistreich wie begeistert über die Bestrebungen der jungen
Schule schreiben, und heute stehen wir auf dem Festlande vor diesen Werken
wie vor einer Offenbarung.

In einer Zeit, wo die englische Malerei mehr und mehr einer Schablonen¬
haften Sauberkeit verfällt, tauchen plötzlich diese weltentrückten Schotten auf,
die so merkwürdig frisch und gesund, durch kein Vorurteil gehemmt, mit naiv
kindlichem Selbstvertrauen auf ihr Ziel losgehen. Ihre Werke bezeichnen das
Aufkommen des Impressionismus innerhalb der britischen Kunst, wodurch sie
sich schon von vornherein in scharfen Gegensatz zu den Engländern stellen.
Während jene ohne Rücksicht auf die jeweiligen atmosphärischen Einflüsse die
Töne zu einer hellen Harmonie zusammenstimmen, die geschickt damit rechnet,
daß die Bilder in den dortigen Or^vinA roouis vorzugsweise abends bei Gas¬
licht betrachtet werden und wirken sollen, sehen die Schotten von allem Bild¬
mäßigen ab und wollen nichts als frische, ganz moderne Naturstudien geben.
Den allgemeinen Eindruck der Landschaft zu fassen, wie sie in der Licht- und
Lufthülle schlummert, bildet ihr erstes Streben, und anch die Behandlung hat
es nur darauf abgesehen, die erste Frische des Natureindruckes mit raschem
Griff abzupflücken. Wie sich in dem Festhalten einer wie ein Ncbelhanch
vorüberziehenden Luftstimmung das malerische Talent zeigt, so auch in dem
kecken, flotten Vortrag, der nur aus einer gewissen Entfernung wirkt, während
für das nahe Auge alle Töne unentwirrbar durch einander schwirren. Daher
findet sich in allen Bildern eine skizzenhafte Flüchtigkeit, aber die fest gewollte
und sicher erreichte Stimmung giebt ihnen doch stets einen Empsinduugsgehalt,
der sie in die Sphäre der wahren Kunst erhebt. Diese Guthrie, Laverh,
Walton, Roche, Henry, Hornet, Melville, Paterson, Morton, Grvsvenor,
Kennedy und wie sie alle heißen — wer hat sie gelehrt, Primitiven gleich
das Feld und das Gras, die Halme und die Blumen des Feldes zu betrachten?
Man erblickt auf ihren herrlichen Bildern gewöhnlich weite Ausdehnungen von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0567" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208504"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Aunst in England</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1773" prev="#ID_1772"> stämmigen Gäulen begegnete. Sie brachten Wohl auch ihre Sonntage in einem<lb/>
der benachbarten Arbeiterdvrfer zu; wo sonst nur im Grünen liebende Pärchen<lb/>
lustwandelten, da beobachteten sie das Wehen der Luft durch die Gipfel zier¬<lb/>
licher Buchen und das Spiel des Lichts auf spärlichem Wiesenrain, malten<lb/>
Apfelblüten, Kornfelder, das Einfachste und Anspruchsloseste, was sich malen<lb/>
ließ. Einige verkauften ihre Arbeiten für 15 bis 30 Pfund an ihren Prinzipal,<lb/>
und schließlich gelang es dem einen oder andern, einen Beschützer zu finden,<lb/>
der ihn zur weitern Ausbildung nach Paris schickte. Auf diese Weise kam<lb/>
Glasgow zu einer Mnlerschule. Heute, nach fünfzehn Jahren, giebt es dort<lb/>
bereits dreihundert Maler, die sämtlich ihre Studien in Paris gemacht<lb/>
haben. Im Slas^vo Instituts ol' tue das Mes veranstalten sie alljährlich<lb/>
Ausstellungen ihrer Werke; in der LoottiLll ^.re lisvisv haben sie sich ein Organ<lb/>
gegründet, in Professor Baldwin Brown und Patrick Geddes zwei Wortführer<lb/>
gefunden, die ebenso geistreich wie begeistert über die Bestrebungen der jungen<lb/>
Schule schreiben, und heute stehen wir auf dem Festlande vor diesen Werken<lb/>
wie vor einer Offenbarung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1774" next="#ID_1775"> In einer Zeit, wo die englische Malerei mehr und mehr einer Schablonen¬<lb/>
haften Sauberkeit verfällt, tauchen plötzlich diese weltentrückten Schotten auf,<lb/>
die so merkwürdig frisch und gesund, durch kein Vorurteil gehemmt, mit naiv<lb/>
kindlichem Selbstvertrauen auf ihr Ziel losgehen. Ihre Werke bezeichnen das<lb/>
Aufkommen des Impressionismus innerhalb der britischen Kunst, wodurch sie<lb/>
sich schon von vornherein in scharfen Gegensatz zu den Engländern stellen.<lb/>
Während jene ohne Rücksicht auf die jeweiligen atmosphärischen Einflüsse die<lb/>
Töne zu einer hellen Harmonie zusammenstimmen, die geschickt damit rechnet,<lb/>
daß die Bilder in den dortigen Or^vinA roouis vorzugsweise abends bei Gas¬<lb/>
licht betrachtet werden und wirken sollen, sehen die Schotten von allem Bild¬<lb/>
mäßigen ab und wollen nichts als frische, ganz moderne Naturstudien geben.<lb/>
Den allgemeinen Eindruck der Landschaft zu fassen, wie sie in der Licht- und<lb/>
Lufthülle schlummert, bildet ihr erstes Streben, und anch die Behandlung hat<lb/>
es nur darauf abgesehen, die erste Frische des Natureindruckes mit raschem<lb/>
Griff abzupflücken. Wie sich in dem Festhalten einer wie ein Ncbelhanch<lb/>
vorüberziehenden Luftstimmung das malerische Talent zeigt, so auch in dem<lb/>
kecken, flotten Vortrag, der nur aus einer gewissen Entfernung wirkt, während<lb/>
für das nahe Auge alle Töne unentwirrbar durch einander schwirren. Daher<lb/>
findet sich in allen Bildern eine skizzenhafte Flüchtigkeit, aber die fest gewollte<lb/>
und sicher erreichte Stimmung giebt ihnen doch stets einen Empsinduugsgehalt,<lb/>
der sie in die Sphäre der wahren Kunst erhebt. Diese Guthrie, Laverh,<lb/>
Walton, Roche, Henry, Hornet, Melville, Paterson, Morton, Grvsvenor,<lb/>
Kennedy und wie sie alle heißen &#x2014; wer hat sie gelehrt, Primitiven gleich<lb/>
das Feld und das Gras, die Halme und die Blumen des Feldes zu betrachten?<lb/>
Man erblickt auf ihren herrlichen Bildern gewöhnlich weite Ausdehnungen von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0567] Die Aunst in England stämmigen Gäulen begegnete. Sie brachten Wohl auch ihre Sonntage in einem der benachbarten Arbeiterdvrfer zu; wo sonst nur im Grünen liebende Pärchen lustwandelten, da beobachteten sie das Wehen der Luft durch die Gipfel zier¬ licher Buchen und das Spiel des Lichts auf spärlichem Wiesenrain, malten Apfelblüten, Kornfelder, das Einfachste und Anspruchsloseste, was sich malen ließ. Einige verkauften ihre Arbeiten für 15 bis 30 Pfund an ihren Prinzipal, und schließlich gelang es dem einen oder andern, einen Beschützer zu finden, der ihn zur weitern Ausbildung nach Paris schickte. Auf diese Weise kam Glasgow zu einer Mnlerschule. Heute, nach fünfzehn Jahren, giebt es dort bereits dreihundert Maler, die sämtlich ihre Studien in Paris gemacht haben. Im Slas^vo Instituts ol' tue das Mes veranstalten sie alljährlich Ausstellungen ihrer Werke; in der LoottiLll ^.re lisvisv haben sie sich ein Organ gegründet, in Professor Baldwin Brown und Patrick Geddes zwei Wortführer gefunden, die ebenso geistreich wie begeistert über die Bestrebungen der jungen Schule schreiben, und heute stehen wir auf dem Festlande vor diesen Werken wie vor einer Offenbarung. In einer Zeit, wo die englische Malerei mehr und mehr einer Schablonen¬ haften Sauberkeit verfällt, tauchen plötzlich diese weltentrückten Schotten auf, die so merkwürdig frisch und gesund, durch kein Vorurteil gehemmt, mit naiv kindlichem Selbstvertrauen auf ihr Ziel losgehen. Ihre Werke bezeichnen das Aufkommen des Impressionismus innerhalb der britischen Kunst, wodurch sie sich schon von vornherein in scharfen Gegensatz zu den Engländern stellen. Während jene ohne Rücksicht auf die jeweiligen atmosphärischen Einflüsse die Töne zu einer hellen Harmonie zusammenstimmen, die geschickt damit rechnet, daß die Bilder in den dortigen Or^vinA roouis vorzugsweise abends bei Gas¬ licht betrachtet werden und wirken sollen, sehen die Schotten von allem Bild¬ mäßigen ab und wollen nichts als frische, ganz moderne Naturstudien geben. Den allgemeinen Eindruck der Landschaft zu fassen, wie sie in der Licht- und Lufthülle schlummert, bildet ihr erstes Streben, und anch die Behandlung hat es nur darauf abgesehen, die erste Frische des Natureindruckes mit raschem Griff abzupflücken. Wie sich in dem Festhalten einer wie ein Ncbelhanch vorüberziehenden Luftstimmung das malerische Talent zeigt, so auch in dem kecken, flotten Vortrag, der nur aus einer gewissen Entfernung wirkt, während für das nahe Auge alle Töne unentwirrbar durch einander schwirren. Daher findet sich in allen Bildern eine skizzenhafte Flüchtigkeit, aber die fest gewollte und sicher erreichte Stimmung giebt ihnen doch stets einen Empsinduugsgehalt, der sie in die Sphäre der wahren Kunst erhebt. Diese Guthrie, Laverh, Walton, Roche, Henry, Hornet, Melville, Paterson, Morton, Grvsvenor, Kennedy und wie sie alle heißen — wer hat sie gelehrt, Primitiven gleich das Feld und das Gras, die Halme und die Blumen des Feldes zu betrachten? Man erblickt auf ihren herrlichen Bildern gewöhnlich weite Ausdehnungen von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/567
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/567>, abgerufen am 25.07.2024.