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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Eduard von Bauernfeld

dieser Gattung seines gleichen sucht. Zwar "Leichtsinn aus Liebe" (1831) und
das "Liebesprotokoll" (1831) ließen die spätere Vollendung nur ahnen, aber
schon das "Letzte Abenteuer" (1832) weiß die Handlung in kunstvoller Weise
zu verschlingen und bahnt dem Psychologen und Plauderkünstler Bnuernfeld
den Weg zu sichern Triumphen. An Erfolg wurden alle seine Stücke über¬
troffen von dem dreiaktigen "Die Bekenntnisse" (1834) und von dem Haupt¬
treffer des nächsten Jahres "Bürgerlich und Romantisch." Ist für das erstere
vielleicht nur die lustige Verkleidung Juliens der Grund seiner außerordent¬
lichen Beliebtheit, so beruht der Wert des letztern nur auf der wunderbar
scharfen Detailzeichnuug aller Charaktere und auf der ungezwungenen, von
überaus liebenswürdigem Humor belebten Führung von Handlung und Dialog.
Wer kennt uicht einen Sittig, einen Ningelstern? Wen hat nicht schon der
gelehrte Lohndiener Unruh ergötzt? Schon scheint uns ein Zöpfchen an dem
ehrwürdigen Lustspiele zu hängen, und doch erfreut es noch alljährlich und
überall das deutsche Publikum, und die berühmtesten Künstler haben sich aus
ihm ihre Glanzrollen geschaffen.

Der "Litterarische Salon" (1836), ein Tendenzstück, gegen Saphir und
Bäuerle gerichtet, erinnert lebhaft an Molivres "Gelehrte Frauen" und rief
gleich diesen eine Flut von bissigen Entgegnungen hervor. Obwohl die Satire
drastisch und erheiternd genug ist, läßt sich doch der dritte Akt vor der Kritik
nicht retten. Feiner ist das zweiaktige "Tagebuch" (1836), das ein Zerwürfnis
und die darauf folgende Versöhnung mit deu denkbar schlichtesten Mitteln
glaublich zustande bringt. Der "Vater," Lustspiel in drei Alten vom Jahre
1837, hat zwar ein wirksames Persönchen in der gewandten Putzmacherin
Agathe, gehört aber zu den schwächeren und für feinfühlige Gemüter auch zu
den sittlich bedenklichen Stücken.

Die nun folgenden Stücke lassen wir wohl am besten den Dichter selbst
erklären: "Das kleine Schallspiel "Das Versprechen", ferner das Nachspiel
"Ein neuer Mensch" ist hier weggelassen. Auch andre meiner Stücke, mit
mehr oder minder Erfolg auf die Bretter gebracht, wie "Franz Walter" (1834),
"Zwei Familien" (1838), "Ernst und Humor" (1840), "Industrie und Herz"
(1842), sind hier uicht aufgenommen worden. Diese und andre halb gelungene
Sachen, nichts andres als schwächere Reproduktionen in der bereits bekannten
Manier des Autors, hätten die Auflage nur unnötigerweise vergrößert und
verteuert."

Ein besondres Interesse erweckt das zweiaktige Stück "Großjährig" (1846),
nicht wegen seiner litterarischen Bedeutung, sondern weil es zum erstenmale die
Politik in Bciuerufclds Lustspielprvduktion einschmuggelt. Unter dem jungen
Baron Hermann, der sich aus der unwürdigen Bevormundung gewissenloser
Dummköpfe freimacht, war der Kronprinz selbst zu verstehen, Spitz und Blase
waren die grausam verhöhnten Masken für die Machthaber jener Zeit.


Eduard von Bauernfeld

dieser Gattung seines gleichen sucht. Zwar „Leichtsinn aus Liebe" (1831) und
das „Liebesprotokoll" (1831) ließen die spätere Vollendung nur ahnen, aber
schon das „Letzte Abenteuer" (1832) weiß die Handlung in kunstvoller Weise
zu verschlingen und bahnt dem Psychologen und Plauderkünstler Bnuernfeld
den Weg zu sichern Triumphen. An Erfolg wurden alle seine Stücke über¬
troffen von dem dreiaktigen „Die Bekenntnisse" (1834) und von dem Haupt¬
treffer des nächsten Jahres „Bürgerlich und Romantisch." Ist für das erstere
vielleicht nur die lustige Verkleidung Juliens der Grund seiner außerordent¬
lichen Beliebtheit, so beruht der Wert des letztern nur auf der wunderbar
scharfen Detailzeichnuug aller Charaktere und auf der ungezwungenen, von
überaus liebenswürdigem Humor belebten Führung von Handlung und Dialog.
Wer kennt uicht einen Sittig, einen Ningelstern? Wen hat nicht schon der
gelehrte Lohndiener Unruh ergötzt? Schon scheint uns ein Zöpfchen an dem
ehrwürdigen Lustspiele zu hängen, und doch erfreut es noch alljährlich und
überall das deutsche Publikum, und die berühmtesten Künstler haben sich aus
ihm ihre Glanzrollen geschaffen.

Der „Litterarische Salon" (1836), ein Tendenzstück, gegen Saphir und
Bäuerle gerichtet, erinnert lebhaft an Molivres „Gelehrte Frauen" und rief
gleich diesen eine Flut von bissigen Entgegnungen hervor. Obwohl die Satire
drastisch und erheiternd genug ist, läßt sich doch der dritte Akt vor der Kritik
nicht retten. Feiner ist das zweiaktige „Tagebuch" (1836), das ein Zerwürfnis
und die darauf folgende Versöhnung mit deu denkbar schlichtesten Mitteln
glaublich zustande bringt. Der „Vater," Lustspiel in drei Alten vom Jahre
1837, hat zwar ein wirksames Persönchen in der gewandten Putzmacherin
Agathe, gehört aber zu den schwächeren und für feinfühlige Gemüter auch zu
den sittlich bedenklichen Stücken.

Die nun folgenden Stücke lassen wir wohl am besten den Dichter selbst
erklären: „Das kleine Schallspiel »Das Versprechen«, ferner das Nachspiel
»Ein neuer Mensch« ist hier weggelassen. Auch andre meiner Stücke, mit
mehr oder minder Erfolg auf die Bretter gebracht, wie »Franz Walter« (1834),
»Zwei Familien« (1838), »Ernst und Humor« (1840), »Industrie und Herz«
(1842), sind hier uicht aufgenommen worden. Diese und andre halb gelungene
Sachen, nichts andres als schwächere Reproduktionen in der bereits bekannten
Manier des Autors, hätten die Auflage nur unnötigerweise vergrößert und
verteuert."

Ein besondres Interesse erweckt das zweiaktige Stück „Großjährig" (1846),
nicht wegen seiner litterarischen Bedeutung, sondern weil es zum erstenmale die
Politik in Bciuerufclds Lustspielprvduktion einschmuggelt. Unter dem jungen
Baron Hermann, der sich aus der unwürdigen Bevormundung gewissenloser
Dummköpfe freimacht, war der Kronprinz selbst zu verstehen, Spitz und Blase
waren die grausam verhöhnten Masken für die Machthaber jener Zeit.


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[0468] Eduard von Bauernfeld dieser Gattung seines gleichen sucht. Zwar „Leichtsinn aus Liebe" (1831) und das „Liebesprotokoll" (1831) ließen die spätere Vollendung nur ahnen, aber schon das „Letzte Abenteuer" (1832) weiß die Handlung in kunstvoller Weise zu verschlingen und bahnt dem Psychologen und Plauderkünstler Bnuernfeld den Weg zu sichern Triumphen. An Erfolg wurden alle seine Stücke über¬ troffen von dem dreiaktigen „Die Bekenntnisse" (1834) und von dem Haupt¬ treffer des nächsten Jahres „Bürgerlich und Romantisch." Ist für das erstere vielleicht nur die lustige Verkleidung Juliens der Grund seiner außerordent¬ lichen Beliebtheit, so beruht der Wert des letztern nur auf der wunderbar scharfen Detailzeichnuug aller Charaktere und auf der ungezwungenen, von überaus liebenswürdigem Humor belebten Führung von Handlung und Dialog. Wer kennt uicht einen Sittig, einen Ningelstern? Wen hat nicht schon der gelehrte Lohndiener Unruh ergötzt? Schon scheint uns ein Zöpfchen an dem ehrwürdigen Lustspiele zu hängen, und doch erfreut es noch alljährlich und überall das deutsche Publikum, und die berühmtesten Künstler haben sich aus ihm ihre Glanzrollen geschaffen. Der „Litterarische Salon" (1836), ein Tendenzstück, gegen Saphir und Bäuerle gerichtet, erinnert lebhaft an Molivres „Gelehrte Frauen" und rief gleich diesen eine Flut von bissigen Entgegnungen hervor. Obwohl die Satire drastisch und erheiternd genug ist, läßt sich doch der dritte Akt vor der Kritik nicht retten. Feiner ist das zweiaktige „Tagebuch" (1836), das ein Zerwürfnis und die darauf folgende Versöhnung mit deu denkbar schlichtesten Mitteln glaublich zustande bringt. Der „Vater," Lustspiel in drei Alten vom Jahre 1837, hat zwar ein wirksames Persönchen in der gewandten Putzmacherin Agathe, gehört aber zu den schwächeren und für feinfühlige Gemüter auch zu den sittlich bedenklichen Stücken. Die nun folgenden Stücke lassen wir wohl am besten den Dichter selbst erklären: „Das kleine Schallspiel »Das Versprechen«, ferner das Nachspiel »Ein neuer Mensch« ist hier weggelassen. Auch andre meiner Stücke, mit mehr oder minder Erfolg auf die Bretter gebracht, wie »Franz Walter« (1834), »Zwei Familien« (1838), »Ernst und Humor« (1840), »Industrie und Herz« (1842), sind hier uicht aufgenommen worden. Diese und andre halb gelungene Sachen, nichts andres als schwächere Reproduktionen in der bereits bekannten Manier des Autors, hätten die Auflage nur unnötigerweise vergrößert und verteuert." Ein besondres Interesse erweckt das zweiaktige Stück „Großjährig" (1846), nicht wegen seiner litterarischen Bedeutung, sondern weil es zum erstenmale die Politik in Bciuerufclds Lustspielprvduktion einschmuggelt. Unter dem jungen Baron Hermann, der sich aus der unwürdigen Bevormundung gewissenloser Dummköpfe freimacht, war der Kronprinz selbst zu verstehen, Spitz und Blase waren die grausam verhöhnten Masken für die Machthaber jener Zeit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/468>, abgerufen am 29.06.2024.