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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Eduard von Bauernfeld

spiele die Wiener Lvlalfarbe mehr oder weniger zur Schau trügen -- ich leugne
das nicht! Diese meine Art und Weise hat aber ihre Entschuldigung, vielmehr
ihre Berechtigung. Die Lustspieldichter aller Zeiten, von Aristophanes, Terenz
und Plautus bis auf den französischen Mvliure, den Dänen Holberg und den
kleindeutschen Kotzebue, haben dasselbe gethan: sie haben ihre nächste Umge¬
bung und darin ihre Zeit abgeschildert. Ich bin und bleibe Wiener mit Hallt
uiid Haar und kaun und will in meinen Lustspielen schlechterdings nichts
bringen, als die Auschauungen eines Deutschösterreichers, der unsre Zustande,
wie sie ihm erscheinen, in Ernst und Scherz, "imo ir-i et Ltuclio, wahrheits¬
getreu darzustellen sich zur Aufgabe gemacht hat. Daß ich dabei das deutsche
Gesamtvaterland, das gemeinsame Bildungselement immer und ewig im Auge
behalte, versteht sich von selbst. Ich empfinde mich nnn einmal weit mehr als
Landsmann Lessings oder Goethes, als irgend eines "Jnnos" oder "Wenzel"
oder sonst eines Menschen auf ,,inski," "ick'i" und ,,vies," mit denen mich ein
politisches Schicksal zusammengeschweißt hat, und die im Grunde so wenig mit
nur zu schaffen haben wollen, als ich mit ihnen."

Darf es bei einem. Manne, der solche Gesinnungen hegte, verwundern,
daß ganz Deutschland seine Werke mit Freuden empfing und aufführte? Ge¬
wisse Dinge waren ja hüben und drüben immer gleich, sie zeigten nur Grad¬
unterschiede: Polizeiherrschaft, Bevormundung, Abtötung des deutschen Ge¬
dankens, litterarische Diktatur und Freibeuterei, Blasirtheit, Weltschmerz , und
wie die schönen Dinge alle heißen.

Aber versuchen wir es, dem. Geheimnis der Erfolge Bauernfelds und
damit seiner innern Bedeutung noch etwas näher zu treten. Lebendig heitere
Gesinnung, gesunde Beobachtung und einen reich strömenden Quell bunter,
lustiger Einfülle -- dies alles gezügelt durch einen vornehmen litterarischen
Ton -- wird mau dem Dichter schon nach flüchtiger Bekanntschaft zuerkennen
müssen. Sie sind das Rüstzeug, mit dem er von einem gütigen Geschick an
seine Lebensaufgabe gestellt wurde. Aber auch er fiel nicht als Meister vom
Himmel. Er setzte nicht an, ohne zuvor bei diesem und jenem seiner Kunst-
genossen prüfend und lernend angefragt zu huben. Er besaß die Gabe aller
wahrhaften Dichter, in die verschiedenstell Schulen zu gehen und doch immer
sei" eignes Wesen zu behalten. So ist er bei Shakespeare, von dein er mehrere
Stücke selbst übersetzt hat, bei Kotzebue, dessen Kunstfertigkeit er gern uner¬
kannte, bei den Romantikern und dem jungen Deutschland, bei den alten und
neuen Franzosen zu Gaste gewesen und hat sich mit hellen Augen angesehen,
was und wie sie arbeiten. Wenn er aber dann in der eignen Werkstatt saß,
wurde doch wieder nur ein rechtes Kind der eignen Muse daraus.

So leicht nun aber eines Bauernfelds Phantasie befruchtet wurde, selbst
schaffend ist sie eigentlich nie aufgetreten. Fast sämtliche Gewebe der Hand¬
lung, mindestens die Anregungen und oft auch einzelne Stücke der Ausführung


Eduard von Bauernfeld

spiele die Wiener Lvlalfarbe mehr oder weniger zur Schau trügen — ich leugne
das nicht! Diese meine Art und Weise hat aber ihre Entschuldigung, vielmehr
ihre Berechtigung. Die Lustspieldichter aller Zeiten, von Aristophanes, Terenz
und Plautus bis auf den französischen Mvliure, den Dänen Holberg und den
kleindeutschen Kotzebue, haben dasselbe gethan: sie haben ihre nächste Umge¬
bung und darin ihre Zeit abgeschildert. Ich bin und bleibe Wiener mit Hallt
uiid Haar und kaun und will in meinen Lustspielen schlechterdings nichts
bringen, als die Auschauungen eines Deutschösterreichers, der unsre Zustande,
wie sie ihm erscheinen, in Ernst und Scherz, »imo ir-i et Ltuclio, wahrheits¬
getreu darzustellen sich zur Aufgabe gemacht hat. Daß ich dabei das deutsche
Gesamtvaterland, das gemeinsame Bildungselement immer und ewig im Auge
behalte, versteht sich von selbst. Ich empfinde mich nnn einmal weit mehr als
Landsmann Lessings oder Goethes, als irgend eines „Jnnos" oder „Wenzel"
oder sonst eines Menschen auf ,,inski," „ick'i" und ,,vies," mit denen mich ein
politisches Schicksal zusammengeschweißt hat, und die im Grunde so wenig mit
nur zu schaffen haben wollen, als ich mit ihnen."

Darf es bei einem. Manne, der solche Gesinnungen hegte, verwundern,
daß ganz Deutschland seine Werke mit Freuden empfing und aufführte? Ge¬
wisse Dinge waren ja hüben und drüben immer gleich, sie zeigten nur Grad¬
unterschiede: Polizeiherrschaft, Bevormundung, Abtötung des deutschen Ge¬
dankens, litterarische Diktatur und Freibeuterei, Blasirtheit, Weltschmerz , und
wie die schönen Dinge alle heißen.

Aber versuchen wir es, dem. Geheimnis der Erfolge Bauernfelds und
damit seiner innern Bedeutung noch etwas näher zu treten. Lebendig heitere
Gesinnung, gesunde Beobachtung und einen reich strömenden Quell bunter,
lustiger Einfülle — dies alles gezügelt durch einen vornehmen litterarischen
Ton — wird mau dem Dichter schon nach flüchtiger Bekanntschaft zuerkennen
müssen. Sie sind das Rüstzeug, mit dem er von einem gütigen Geschick an
seine Lebensaufgabe gestellt wurde. Aber auch er fiel nicht als Meister vom
Himmel. Er setzte nicht an, ohne zuvor bei diesem und jenem seiner Kunst-
genossen prüfend und lernend angefragt zu huben. Er besaß die Gabe aller
wahrhaften Dichter, in die verschiedenstell Schulen zu gehen und doch immer
sei» eignes Wesen zu behalten. So ist er bei Shakespeare, von dein er mehrere
Stücke selbst übersetzt hat, bei Kotzebue, dessen Kunstfertigkeit er gern uner¬
kannte, bei den Romantikern und dem jungen Deutschland, bei den alten und
neuen Franzosen zu Gaste gewesen und hat sich mit hellen Augen angesehen,
was und wie sie arbeiten. Wenn er aber dann in der eignen Werkstatt saß,
wurde doch wieder nur ein rechtes Kind der eignen Muse daraus.

So leicht nun aber eines Bauernfelds Phantasie befruchtet wurde, selbst
schaffend ist sie eigentlich nie aufgetreten. Fast sämtliche Gewebe der Hand¬
lung, mindestens die Anregungen und oft auch einzelne Stücke der Ausführung


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[0464] Eduard von Bauernfeld spiele die Wiener Lvlalfarbe mehr oder weniger zur Schau trügen — ich leugne das nicht! Diese meine Art und Weise hat aber ihre Entschuldigung, vielmehr ihre Berechtigung. Die Lustspieldichter aller Zeiten, von Aristophanes, Terenz und Plautus bis auf den französischen Mvliure, den Dänen Holberg und den kleindeutschen Kotzebue, haben dasselbe gethan: sie haben ihre nächste Umge¬ bung und darin ihre Zeit abgeschildert. Ich bin und bleibe Wiener mit Hallt uiid Haar und kaun und will in meinen Lustspielen schlechterdings nichts bringen, als die Auschauungen eines Deutschösterreichers, der unsre Zustande, wie sie ihm erscheinen, in Ernst und Scherz, »imo ir-i et Ltuclio, wahrheits¬ getreu darzustellen sich zur Aufgabe gemacht hat. Daß ich dabei das deutsche Gesamtvaterland, das gemeinsame Bildungselement immer und ewig im Auge behalte, versteht sich von selbst. Ich empfinde mich nnn einmal weit mehr als Landsmann Lessings oder Goethes, als irgend eines „Jnnos" oder „Wenzel" oder sonst eines Menschen auf ,,inski," „ick'i" und ,,vies," mit denen mich ein politisches Schicksal zusammengeschweißt hat, und die im Grunde so wenig mit nur zu schaffen haben wollen, als ich mit ihnen." Darf es bei einem. Manne, der solche Gesinnungen hegte, verwundern, daß ganz Deutschland seine Werke mit Freuden empfing und aufführte? Ge¬ wisse Dinge waren ja hüben und drüben immer gleich, sie zeigten nur Grad¬ unterschiede: Polizeiherrschaft, Bevormundung, Abtötung des deutschen Ge¬ dankens, litterarische Diktatur und Freibeuterei, Blasirtheit, Weltschmerz , und wie die schönen Dinge alle heißen. Aber versuchen wir es, dem. Geheimnis der Erfolge Bauernfelds und damit seiner innern Bedeutung noch etwas näher zu treten. Lebendig heitere Gesinnung, gesunde Beobachtung und einen reich strömenden Quell bunter, lustiger Einfülle — dies alles gezügelt durch einen vornehmen litterarischen Ton — wird mau dem Dichter schon nach flüchtiger Bekanntschaft zuerkennen müssen. Sie sind das Rüstzeug, mit dem er von einem gütigen Geschick an seine Lebensaufgabe gestellt wurde. Aber auch er fiel nicht als Meister vom Himmel. Er setzte nicht an, ohne zuvor bei diesem und jenem seiner Kunst- genossen prüfend und lernend angefragt zu huben. Er besaß die Gabe aller wahrhaften Dichter, in die verschiedenstell Schulen zu gehen und doch immer sei» eignes Wesen zu behalten. So ist er bei Shakespeare, von dein er mehrere Stücke selbst übersetzt hat, bei Kotzebue, dessen Kunstfertigkeit er gern uner¬ kannte, bei den Romantikern und dem jungen Deutschland, bei den alten und neuen Franzosen zu Gaste gewesen und hat sich mit hellen Augen angesehen, was und wie sie arbeiten. Wenn er aber dann in der eignen Werkstatt saß, wurde doch wieder nur ein rechtes Kind der eignen Muse daraus. So leicht nun aber eines Bauernfelds Phantasie befruchtet wurde, selbst schaffend ist sie eigentlich nie aufgetreten. Fast sämtliche Gewebe der Hand¬ lung, mindestens die Anregungen und oft auch einzelne Stücke der Ausführung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/464>, abgerufen am 28.09.2024.