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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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(öffentliche Unsicherheit

ein Geschwür bösartig wird, so ist man schließlich auch genötigt, es aufzu¬
schneiden, also äußere Mittel anzuwenden, die ja innere Mittel nicht aus¬
schließen. Inwiefern in Oberhansen nach dieser Richtung Wandel zu schaffen
ist, kann hier nicht beurteilt werden; außer Zweifel steht es aber, daß der er¬
wähnte Überfall und die Verwundung nicht stattgefunden hätten, wenn hin¬
reichende Polizeiposten auf der Straße gewesen wären. Die Stadt Oberhausen
zählt gegen 20400 Seelen, die Polizeiverwaltung müßte daher außer dem
Polizeichef mit seinen Sekretären aus einem Polizeiinspektor, zwei Polizei-
kvmmissaren und fünfzehn Polizeisergeanten oder Schutzleuten neben dem Nacht-
wächterkvrps bestehen. Dieser Berechnung ist die Forderung zu Grunde gelegt,
daß auf je 10000 Seelen der Bevölkerung ein Polizeikommissar und bei zwei
Polizeikommissaren ein Polizeiinspektor, ferner auf je 1500 Seelen ein Polizei¬
sergeant oder Schutzmann anzustellen sind. Die Forderung rührt aus früherer
Zeit her und ist eigentlich schon veraltet und nicht mehr ausreichend, aber
jetzt noch bei den königlichen Pvlizeiverwnltnngen maßgebend. Viele höhern
Polizeibeamten (es möge hier der umsichtige und thätige Herausgeber des
Internationalen Zentralpolizeiblattes, der Leiter der Polizei in Mainz hervor¬
gehoben werden) verlangen in größern Städten auf je 1000 Seelen einen
Schutzmann. Wer die erforderliche Thätigkeit der Polizei zu beurteilen ver¬
steht, wird 1500 Seelen für einen Schutzmann als das Höchste ansehen.
Der Schutzmann hat, um nur einige seiner Dienstgeschäfte anzuführen, in seinem
Bezirk mit 1500 Seelen die Handbücher zu führen. Diese Bücher enthalten
die Bewohner jedes Hauses und müssen durch Eintragungen der Zu- und
Abgänge stets "auf dem Laufenden" erhalten werden. Zur Kontrolle müssen
die Bewohner einzelner Häuser vou Zeit zu Zeit mit den Hausbüchern ver¬
glichen werden. Diese Geschäfte müssen unbedingt von dem Schutzmann besorgt
werden, weil die Kenntnis der in seinem Bezirk wohnenden Personen die Be¬
dingung seiner Wirksamkeit ist. Die Führung dieser Bücher durch Schreiber
ist unbedingt zu vermeiden. Der Bezirksschutzmann hat ferner täglich wenigstens
zweimal seinen Bezirk zu durchgehen; er muß die Steckbriefe lesen und seinen
Anteil an der Steckbriefkvntrollc und der Fremdenkontrolle leisten, er hat Posten
zu stehen oder Patrouillen zu machen, jene auf Bahnhöfen und lebhaften
Straßen, diese in dünner bevölkerten Stadtteilen, er hat Gefangne zum Gericht
und zum Pvlizeigefängnis zu bringen; er hat die Trödler, die der Hehlerei
verdächtigen und die unter Polizeiaufsicht stehenden Personen zu beaufsichtigen,
er hat in Kriminalfällen Durchsuchungen und Verhaftungen vorzunehmen.
Kurz, seine unbedingt nötigen Geschäfte sind so mannichfacher und vielseitiger
Art, daß nach der Berechnung von Sachverständigen zehn Dienststunden täglich
bei dem Verhältnis von einem Angestellten zu fünfzehnhundert Seelen noch
nicht ausreichen, und daß hierbei für die Ausbildung des Beamten, der
wöchentlich wenigstens zwei Jnstruktionsstunden bei seinem Polizeikommissar


(öffentliche Unsicherheit

ein Geschwür bösartig wird, so ist man schließlich auch genötigt, es aufzu¬
schneiden, also äußere Mittel anzuwenden, die ja innere Mittel nicht aus¬
schließen. Inwiefern in Oberhansen nach dieser Richtung Wandel zu schaffen
ist, kann hier nicht beurteilt werden; außer Zweifel steht es aber, daß der er¬
wähnte Überfall und die Verwundung nicht stattgefunden hätten, wenn hin¬
reichende Polizeiposten auf der Straße gewesen wären. Die Stadt Oberhausen
zählt gegen 20400 Seelen, die Polizeiverwaltung müßte daher außer dem
Polizeichef mit seinen Sekretären aus einem Polizeiinspektor, zwei Polizei-
kvmmissaren und fünfzehn Polizeisergeanten oder Schutzleuten neben dem Nacht-
wächterkvrps bestehen. Dieser Berechnung ist die Forderung zu Grunde gelegt,
daß auf je 10000 Seelen der Bevölkerung ein Polizeikommissar und bei zwei
Polizeikommissaren ein Polizeiinspektor, ferner auf je 1500 Seelen ein Polizei¬
sergeant oder Schutzmann anzustellen sind. Die Forderung rührt aus früherer
Zeit her und ist eigentlich schon veraltet und nicht mehr ausreichend, aber
jetzt noch bei den königlichen Pvlizeiverwnltnngen maßgebend. Viele höhern
Polizeibeamten (es möge hier der umsichtige und thätige Herausgeber des
Internationalen Zentralpolizeiblattes, der Leiter der Polizei in Mainz hervor¬
gehoben werden) verlangen in größern Städten auf je 1000 Seelen einen
Schutzmann. Wer die erforderliche Thätigkeit der Polizei zu beurteilen ver¬
steht, wird 1500 Seelen für einen Schutzmann als das Höchste ansehen.
Der Schutzmann hat, um nur einige seiner Dienstgeschäfte anzuführen, in seinem
Bezirk mit 1500 Seelen die Handbücher zu führen. Diese Bücher enthalten
die Bewohner jedes Hauses und müssen durch Eintragungen der Zu- und
Abgänge stets „auf dem Laufenden" erhalten werden. Zur Kontrolle müssen
die Bewohner einzelner Häuser vou Zeit zu Zeit mit den Hausbüchern ver¬
glichen werden. Diese Geschäfte müssen unbedingt von dem Schutzmann besorgt
werden, weil die Kenntnis der in seinem Bezirk wohnenden Personen die Be¬
dingung seiner Wirksamkeit ist. Die Führung dieser Bücher durch Schreiber
ist unbedingt zu vermeiden. Der Bezirksschutzmann hat ferner täglich wenigstens
zweimal seinen Bezirk zu durchgehen; er muß die Steckbriefe lesen und seinen
Anteil an der Steckbriefkvntrollc und der Fremdenkontrolle leisten, er hat Posten
zu stehen oder Patrouillen zu machen, jene auf Bahnhöfen und lebhaften
Straßen, diese in dünner bevölkerten Stadtteilen, er hat Gefangne zum Gericht
und zum Pvlizeigefängnis zu bringen; er hat die Trödler, die der Hehlerei
verdächtigen und die unter Polizeiaufsicht stehenden Personen zu beaufsichtigen,
er hat in Kriminalfällen Durchsuchungen und Verhaftungen vorzunehmen.
Kurz, seine unbedingt nötigen Geschäfte sind so mannichfacher und vielseitiger
Art, daß nach der Berechnung von Sachverständigen zehn Dienststunden täglich
bei dem Verhältnis von einem Angestellten zu fünfzehnhundert Seelen noch
nicht ausreichen, und daß hierbei für die Ausbildung des Beamten, der
wöchentlich wenigstens zwei Jnstruktionsstunden bei seinem Polizeikommissar


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[0399] (öffentliche Unsicherheit ein Geschwür bösartig wird, so ist man schließlich auch genötigt, es aufzu¬ schneiden, also äußere Mittel anzuwenden, die ja innere Mittel nicht aus¬ schließen. Inwiefern in Oberhansen nach dieser Richtung Wandel zu schaffen ist, kann hier nicht beurteilt werden; außer Zweifel steht es aber, daß der er¬ wähnte Überfall und die Verwundung nicht stattgefunden hätten, wenn hin¬ reichende Polizeiposten auf der Straße gewesen wären. Die Stadt Oberhausen zählt gegen 20400 Seelen, die Polizeiverwaltung müßte daher außer dem Polizeichef mit seinen Sekretären aus einem Polizeiinspektor, zwei Polizei- kvmmissaren und fünfzehn Polizeisergeanten oder Schutzleuten neben dem Nacht- wächterkvrps bestehen. Dieser Berechnung ist die Forderung zu Grunde gelegt, daß auf je 10000 Seelen der Bevölkerung ein Polizeikommissar und bei zwei Polizeikommissaren ein Polizeiinspektor, ferner auf je 1500 Seelen ein Polizei¬ sergeant oder Schutzmann anzustellen sind. Die Forderung rührt aus früherer Zeit her und ist eigentlich schon veraltet und nicht mehr ausreichend, aber jetzt noch bei den königlichen Pvlizeiverwnltnngen maßgebend. Viele höhern Polizeibeamten (es möge hier der umsichtige und thätige Herausgeber des Internationalen Zentralpolizeiblattes, der Leiter der Polizei in Mainz hervor¬ gehoben werden) verlangen in größern Städten auf je 1000 Seelen einen Schutzmann. Wer die erforderliche Thätigkeit der Polizei zu beurteilen ver¬ steht, wird 1500 Seelen für einen Schutzmann als das Höchste ansehen. Der Schutzmann hat, um nur einige seiner Dienstgeschäfte anzuführen, in seinem Bezirk mit 1500 Seelen die Handbücher zu führen. Diese Bücher enthalten die Bewohner jedes Hauses und müssen durch Eintragungen der Zu- und Abgänge stets „auf dem Laufenden" erhalten werden. Zur Kontrolle müssen die Bewohner einzelner Häuser vou Zeit zu Zeit mit den Hausbüchern ver¬ glichen werden. Diese Geschäfte müssen unbedingt von dem Schutzmann besorgt werden, weil die Kenntnis der in seinem Bezirk wohnenden Personen die Be¬ dingung seiner Wirksamkeit ist. Die Führung dieser Bücher durch Schreiber ist unbedingt zu vermeiden. Der Bezirksschutzmann hat ferner täglich wenigstens zweimal seinen Bezirk zu durchgehen; er muß die Steckbriefe lesen und seinen Anteil an der Steckbriefkvntrollc und der Fremdenkontrolle leisten, er hat Posten zu stehen oder Patrouillen zu machen, jene auf Bahnhöfen und lebhaften Straßen, diese in dünner bevölkerten Stadtteilen, er hat Gefangne zum Gericht und zum Pvlizeigefängnis zu bringen; er hat die Trödler, die der Hehlerei verdächtigen und die unter Polizeiaufsicht stehenden Personen zu beaufsichtigen, er hat in Kriminalfällen Durchsuchungen und Verhaftungen vorzunehmen. Kurz, seine unbedingt nötigen Geschäfte sind so mannichfacher und vielseitiger Art, daß nach der Berechnung von Sachverständigen zehn Dienststunden täglich bei dem Verhältnis von einem Angestellten zu fünfzehnhundert Seelen noch nicht ausreichen, und daß hierbei für die Ausbildung des Beamten, der wöchentlich wenigstens zwei Jnstruktionsstunden bei seinem Polizeikommissar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/399>, abgerufen am 26.06.2024.