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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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vergebnen Teil des afrikanischen Festlandes für Deutschland zu gewinnen. Es
soll ihnen auch nicht die Anerkennung versagt werden, daß sie mit kühnem
Opfermut, großer Entschlossenheit und eiserner Willenskraft das Ziel,
das sie sich vorgesteckt hatten, afrikanische Gebiete dem deutschen Einfluß zu
sichern, fast in ungeahnter Weise erreicht haben. Erst nachdem dies geschehen
war, haben die weitern Kreise der Nation für dieses Unternehmen Teilnahme
gefunden. Die nationale Begeisterung der Jugend hat die ältern Kreise mit
sich fortgerissen. Die Lust des Deutschen, in die Weite zu schweifen, fand
hier, wo die Ferne mit der nationalen Umgrenzung zusammentraf, ihre volle
Befriedigung, und es kam dahin, daß sowohl die Geschäftswelt wie die Re¬
gierung in den Strudel der kolonialen Bewegung hineingerissen wurden, und zwar,
wie man, ohne jemand zu nahe zu treten, behaupten kann, wider ihren Willen.

Was zunächst die deutsche Geschäftswelt betrifft, so war ihre Neigung,
größere Kapitalien auf Jahre hinaus in unsichern Unternehmungen zinslos
anzulegen, außerordentlich gering. Zugegeben muß hier werden, daß die
Verhältnisse der überseeischen Gebiete noch sehr zweifelhaft waren, daß nicht
bloß ihr innerer Wert noch unerforscht und verborgen lag, sondern daß es auch
nicht einmal feststand, ob und wie weit es möglich sein würde, diese Gebiete
gegenüber dem Vordringen der ältern kolonisirenden Staaten dauernd der
deutschen Macht zu sichern. Der Geschäftswelt fehlte es auch an den
geeigneten Persönlichkeiten, denen sie die Anlegung und Verwaltung ihrer
Gelder in den weiten überseeischen Gebieten hätte anvertrauen können, denn
ebenso wenig wie es im Inlande einem Kaufmann in den Sinn kommen würde,
einem eben erst von der Universität gekommenen jungen Gelehrten oder einem
tapfern Sekondeleutnant die Leitung einer großen Hnndelsunternehmung oder
einer landwirtschaftlichen Anlage zu übertragen, ebenso wenig oder vielleicht
noch weniger konnte man der deutschen .Kaufmannswelt eine solche Übertragung
in Gebieten zumuten, auf die dem Geschäftsmanne eine unmittelbare Einwirkung
ans dem Mutterlande nicht möglich war. Zu diesen sachlichen Bedenken trat
noch die unsichere Haltung der Regierung. Fürst Bismarck hatte wiederholt
erklärt, daß er kein Kolonialschwärmer sei, und daß sich die Thätigkeit der
Regierung darauf beschränken müsse, dein vorangegangnen deutschen Kaufmann
und Unternehmer mit ihrem Schutze nachzufolgen. Aber dieses Programm ist
niemals zur Durchführung gelangt. Wer vielmehr wahrheitsgetreu die ver-
schiednen Abschnitte unsrer kolonialen Bewegung schildern will, der muß
zugestehen, daß vielfach die Regierung den deutschen Kaufmann hat drängen
müssen, damit er angeblich mit seinem Unternehmen voranginge, während es
in Wahrheit ganz andre Kräfte waren, die ihn zu einem solchen Vorangehen
mit mehr oder minder freundlicher Gewalt nötigten. Alle diese Umstände
trugen dazu bei, daß die Mittel, die ans die Schutzgebiete von den kapital¬
kräftigen Beteiligten verwendet wurden, nicht ausreichend waren, daß die


vergebnen Teil des afrikanischen Festlandes für Deutschland zu gewinnen. Es
soll ihnen auch nicht die Anerkennung versagt werden, daß sie mit kühnem
Opfermut, großer Entschlossenheit und eiserner Willenskraft das Ziel,
das sie sich vorgesteckt hatten, afrikanische Gebiete dem deutschen Einfluß zu
sichern, fast in ungeahnter Weise erreicht haben. Erst nachdem dies geschehen
war, haben die weitern Kreise der Nation für dieses Unternehmen Teilnahme
gefunden. Die nationale Begeisterung der Jugend hat die ältern Kreise mit
sich fortgerissen. Die Lust des Deutschen, in die Weite zu schweifen, fand
hier, wo die Ferne mit der nationalen Umgrenzung zusammentraf, ihre volle
Befriedigung, und es kam dahin, daß sowohl die Geschäftswelt wie die Re¬
gierung in den Strudel der kolonialen Bewegung hineingerissen wurden, und zwar,
wie man, ohne jemand zu nahe zu treten, behaupten kann, wider ihren Willen.

Was zunächst die deutsche Geschäftswelt betrifft, so war ihre Neigung,
größere Kapitalien auf Jahre hinaus in unsichern Unternehmungen zinslos
anzulegen, außerordentlich gering. Zugegeben muß hier werden, daß die
Verhältnisse der überseeischen Gebiete noch sehr zweifelhaft waren, daß nicht
bloß ihr innerer Wert noch unerforscht und verborgen lag, sondern daß es auch
nicht einmal feststand, ob und wie weit es möglich sein würde, diese Gebiete
gegenüber dem Vordringen der ältern kolonisirenden Staaten dauernd der
deutschen Macht zu sichern. Der Geschäftswelt fehlte es auch an den
geeigneten Persönlichkeiten, denen sie die Anlegung und Verwaltung ihrer
Gelder in den weiten überseeischen Gebieten hätte anvertrauen können, denn
ebenso wenig wie es im Inlande einem Kaufmann in den Sinn kommen würde,
einem eben erst von der Universität gekommenen jungen Gelehrten oder einem
tapfern Sekondeleutnant die Leitung einer großen Hnndelsunternehmung oder
einer landwirtschaftlichen Anlage zu übertragen, ebenso wenig oder vielleicht
noch weniger konnte man der deutschen .Kaufmannswelt eine solche Übertragung
in Gebieten zumuten, auf die dem Geschäftsmanne eine unmittelbare Einwirkung
ans dem Mutterlande nicht möglich war. Zu diesen sachlichen Bedenken trat
noch die unsichere Haltung der Regierung. Fürst Bismarck hatte wiederholt
erklärt, daß er kein Kolonialschwärmer sei, und daß sich die Thätigkeit der
Regierung darauf beschränken müsse, dein vorangegangnen deutschen Kaufmann
und Unternehmer mit ihrem Schutze nachzufolgen. Aber dieses Programm ist
niemals zur Durchführung gelangt. Wer vielmehr wahrheitsgetreu die ver-
schiednen Abschnitte unsrer kolonialen Bewegung schildern will, der muß
zugestehen, daß vielfach die Regierung den deutschen Kaufmann hat drängen
müssen, damit er angeblich mit seinem Unternehmen voranginge, während es
in Wahrheit ganz andre Kräfte waren, die ihn zu einem solchen Vorangehen
mit mehr oder minder freundlicher Gewalt nötigten. Alle diese Umstände
trugen dazu bei, daß die Mittel, die ans die Schutzgebiete von den kapital¬
kräftigen Beteiligten verwendet wurden, nicht ausreichend waren, daß die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/250>, abgerufen am 29.06.2024.