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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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noch ein kleinerer Tisch, der Gleichmachertisch. Wenn es nun zum Essen ge¬
klingelt hatte, brachte die Maari zunächst in zwei großen Zinnschüsseln, von
denen die eine noch in einer dritten, leeren stand -- drei volle Hütte sie nicht
tragen können das Fleisch aus der Küche und setzte es auf den Gleich¬
machertisch. Nun kamen die beiden Gleichmacher des Tisches, der die Woche
hatte, und machten sich zunächst an das schwierige Geschäft, das Fleisch aus
den zwei Schüsseln auf drei zu verteilen. Dann kam der Primus des Tisches,
der in dieser Woche die erste Wahl hatte, womöglich begleitet von den beideu
andern Obern, und suchte sich die Schüssel für seinen Tisch aus, dann folgte
der nächste, und die übrigbleibende Schüssel erhielt der Tisch, der die Gleich¬
macher gestellt hatte. Nun erst, wenn das Fleisch auf den Eßtischen stand,
wurden die einzelnen "Parder" gemacht, an jedem Tische fünf größere, für die
Obern und für die beiden Gleichmacher, und fünf (oder sechs) kleinere, für die
Untern. Dabei machte der zweite Gleichmacher die obern Parder, hatte also
den denkbar stärksten Anlaß, die Parder völlig gleich zu macheu, denn er bekam,
wenn es nun ans Aussuchen ging, von den fünfen die letzte; der erste Gleich¬
macher machte die untern Parder, hatte also wenigstens den denkbar schwächsten
Anlaß, sie ungleich zu macheu, denn er selber hatte ja keinen Teil daran.
Während so das Fleisch zerlegt wurde, brachte die Maari im Schweiße ihres
Angesichts in einem mächtigen, blanken kupfernen Topfe das Gemüse herein,
und setzte es wieder auf den Gleichmachertisch. Einer von den sechs Gleich¬
machern, der die Woche hatte, ergriff den großen Schöpflöffel, der im Topfe
steckte, und nun traten die Tischultimi der Reihe uach heran, ließen erst eine
kleine Schüssel für die drei Obern füllen, dann die inzwischen leer gewordene
Fleischschüssel für die übrigen sieben, und nun begann an den Tischen wieder
das Anstellen in die Teller. Das Ausgeben aus dem großen Topfe war eine
überaus schwierige Sache. Das Kunststück bestand darin, so durchzukommen,
daß es bei der letzten Schüssel weder knapp herging, noch etwas übrig blieb.
Der vorsichtigste Teilungsplan aber wurde uicht selten dadurch vereitelt, daß
die eine oder andre Schüssel der Obern wieder an den Topf zurück geschickt
wurde, vom Tischprimus mit dem zornigen Zurufe begleitet: "Mehr dickes!"
oder auch: "Mehr dünnes!" Dann verbreitete sich zuweilen bei der letzten
Schüssel die Schreckenskunde: "Er hat sich vergeben!" und die Schüssel mußte
in die Küche wandern, um noch etwas nachzuholen, was dann freilich gewöhnlich
"mehr dünnes" war. Dies alles aber ging, dank der Übung, dem Scharf¬
blick und dem gefunden Hunger aller Beteiligten, viel schneller vor sich, als
ich es hier beschreiben kann. Die Freitagsschüsseln mit dem Milchbrei wurden
gleich angerichtet und schön mit brauner Butter Übergossen und mit Zucker
und Zimmet bestreut aus der Küche gebracht. Die großen wurden ausgeteilt,
die kleinen gleich aus der Schüssel gegessen, nachdem die zuckrige Oberfläche
kuttstgerecht in drei gleiche Ausschnitte zerlegt war. Dabei suchte jeder die im


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noch ein kleinerer Tisch, der Gleichmachertisch. Wenn es nun zum Essen ge¬
klingelt hatte, brachte die Maari zunächst in zwei großen Zinnschüsseln, von
denen die eine noch in einer dritten, leeren stand — drei volle Hütte sie nicht
tragen können das Fleisch aus der Küche und setzte es auf den Gleich¬
machertisch. Nun kamen die beiden Gleichmacher des Tisches, der die Woche
hatte, und machten sich zunächst an das schwierige Geschäft, das Fleisch aus
den zwei Schüsseln auf drei zu verteilen. Dann kam der Primus des Tisches,
der in dieser Woche die erste Wahl hatte, womöglich begleitet von den beideu
andern Obern, und suchte sich die Schüssel für seinen Tisch aus, dann folgte
der nächste, und die übrigbleibende Schüssel erhielt der Tisch, der die Gleich¬
macher gestellt hatte. Nun erst, wenn das Fleisch auf den Eßtischen stand,
wurden die einzelnen „Parder" gemacht, an jedem Tische fünf größere, für die
Obern und für die beiden Gleichmacher, und fünf (oder sechs) kleinere, für die
Untern. Dabei machte der zweite Gleichmacher die obern Parder, hatte also
den denkbar stärksten Anlaß, die Parder völlig gleich zu macheu, denn er bekam,
wenn es nun ans Aussuchen ging, von den fünfen die letzte; der erste Gleich¬
macher machte die untern Parder, hatte also wenigstens den denkbar schwächsten
Anlaß, sie ungleich zu macheu, denn er selber hatte ja keinen Teil daran.
Während so das Fleisch zerlegt wurde, brachte die Maari im Schweiße ihres
Angesichts in einem mächtigen, blanken kupfernen Topfe das Gemüse herein,
und setzte es wieder auf den Gleichmachertisch. Einer von den sechs Gleich¬
machern, der die Woche hatte, ergriff den großen Schöpflöffel, der im Topfe
steckte, und nun traten die Tischultimi der Reihe uach heran, ließen erst eine
kleine Schüssel für die drei Obern füllen, dann die inzwischen leer gewordene
Fleischschüssel für die übrigen sieben, und nun begann an den Tischen wieder
das Anstellen in die Teller. Das Ausgeben aus dem großen Topfe war eine
überaus schwierige Sache. Das Kunststück bestand darin, so durchzukommen,
daß es bei der letzten Schüssel weder knapp herging, noch etwas übrig blieb.
Der vorsichtigste Teilungsplan aber wurde uicht selten dadurch vereitelt, daß
die eine oder andre Schüssel der Obern wieder an den Topf zurück geschickt
wurde, vom Tischprimus mit dem zornigen Zurufe begleitet: „Mehr dickes!"
oder auch: „Mehr dünnes!" Dann verbreitete sich zuweilen bei der letzten
Schüssel die Schreckenskunde: „Er hat sich vergeben!" und die Schüssel mußte
in die Küche wandern, um noch etwas nachzuholen, was dann freilich gewöhnlich
„mehr dünnes" war. Dies alles aber ging, dank der Übung, dem Scharf¬
blick und dem gefunden Hunger aller Beteiligten, viel schneller vor sich, als
ich es hier beschreiben kann. Die Freitagsschüsseln mit dem Milchbrei wurden
gleich angerichtet und schön mit brauner Butter Übergossen und mit Zucker
und Zimmet bestreut aus der Küche gebracht. Die großen wurden ausgeteilt,
die kleinen gleich aus der Schüssel gegessen, nachdem die zuckrige Oberfläche
kuttstgerecht in drei gleiche Ausschnitte zerlegt war. Dabei suchte jeder die im


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[0236] Almnnoumsernmeningcn noch ein kleinerer Tisch, der Gleichmachertisch. Wenn es nun zum Essen ge¬ klingelt hatte, brachte die Maari zunächst in zwei großen Zinnschüsseln, von denen die eine noch in einer dritten, leeren stand — drei volle Hütte sie nicht tragen können das Fleisch aus der Küche und setzte es auf den Gleich¬ machertisch. Nun kamen die beiden Gleichmacher des Tisches, der die Woche hatte, und machten sich zunächst an das schwierige Geschäft, das Fleisch aus den zwei Schüsseln auf drei zu verteilen. Dann kam der Primus des Tisches, der in dieser Woche die erste Wahl hatte, womöglich begleitet von den beideu andern Obern, und suchte sich die Schüssel für seinen Tisch aus, dann folgte der nächste, und die übrigbleibende Schüssel erhielt der Tisch, der die Gleich¬ macher gestellt hatte. Nun erst, wenn das Fleisch auf den Eßtischen stand, wurden die einzelnen „Parder" gemacht, an jedem Tische fünf größere, für die Obern und für die beiden Gleichmacher, und fünf (oder sechs) kleinere, für die Untern. Dabei machte der zweite Gleichmacher die obern Parder, hatte also den denkbar stärksten Anlaß, die Parder völlig gleich zu macheu, denn er bekam, wenn es nun ans Aussuchen ging, von den fünfen die letzte; der erste Gleich¬ macher machte die untern Parder, hatte also wenigstens den denkbar schwächsten Anlaß, sie ungleich zu macheu, denn er selber hatte ja keinen Teil daran. Während so das Fleisch zerlegt wurde, brachte die Maari im Schweiße ihres Angesichts in einem mächtigen, blanken kupfernen Topfe das Gemüse herein, und setzte es wieder auf den Gleichmachertisch. Einer von den sechs Gleich¬ machern, der die Woche hatte, ergriff den großen Schöpflöffel, der im Topfe steckte, und nun traten die Tischultimi der Reihe uach heran, ließen erst eine kleine Schüssel für die drei Obern füllen, dann die inzwischen leer gewordene Fleischschüssel für die übrigen sieben, und nun begann an den Tischen wieder das Anstellen in die Teller. Das Ausgeben aus dem großen Topfe war eine überaus schwierige Sache. Das Kunststück bestand darin, so durchzukommen, daß es bei der letzten Schüssel weder knapp herging, noch etwas übrig blieb. Der vorsichtigste Teilungsplan aber wurde uicht selten dadurch vereitelt, daß die eine oder andre Schüssel der Obern wieder an den Topf zurück geschickt wurde, vom Tischprimus mit dem zornigen Zurufe begleitet: „Mehr dickes!" oder auch: „Mehr dünnes!" Dann verbreitete sich zuweilen bei der letzten Schüssel die Schreckenskunde: „Er hat sich vergeben!" und die Schüssel mußte in die Küche wandern, um noch etwas nachzuholen, was dann freilich gewöhnlich „mehr dünnes" war. Dies alles aber ging, dank der Übung, dem Scharf¬ blick und dem gefunden Hunger aller Beteiligten, viel schneller vor sich, als ich es hier beschreiben kann. Die Freitagsschüsseln mit dem Milchbrei wurden gleich angerichtet und schön mit brauner Butter Übergossen und mit Zucker und Zimmet bestreut aus der Küche gebracht. Die großen wurden ausgeteilt, die kleinen gleich aus der Schüssel gegessen, nachdem die zuckrige Oberfläche kuttstgerecht in drei gleiche Ausschnitte zerlegt war. Dabei suchte jeder die im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/236>, abgerufen am 25.07.2024.