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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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bilder, in denen er die Charakteristik der Figuren zu jener Schärfe und glatten
Abrundung treibt, die für die letzten Arbeiten von Kraus bezeichnend geworden
sind. Er malt Stillleben und Wauddekorationen großen Stils, in denen eine
humoristische oder witzige Erfindung, die etwa für eine Tischkarte oder ein
Festprogramm ausreiche" würde, auf mehrere" Quadratmetern breit getreten
wird, wofür unsre Ausstellung in einer Allegorie auf das Glück ein drastisches
Beispiel liefert. Meherheim hat aber auch noch den Ehrgeiz, als Bildnismaler
glänzen zu wollen, und zweimal hat er sich auch mit günstigem Erfolg auf
diesem Gebiete bewährt, in den für das Museum in Danzig gemalten lebens¬
großen Bildnissen seines Vaters, des liebenswürdigen und gemütvvlleu Genre¬
malers Fr. E. Meyerheim, und des Kupferstechers Chodowiecki. Die Gabe
jedoch, anmutige junge Mädchen und Frauen in ihren: innersten Wesen zu
erfassen oder doch in ihrer äußern Erscheinung gleich anmutig wiederzugeben,
scheint ihm versagt zu sein. Das hat in diesem Jahre Mareella Sembrich
erfahren müssen, deren Antlitz, Arme und Hände der Künstler auf seinem Bild¬
nis der Sängerin mit einem so undurchsichtigen, aschgrauen Ton überzogen
hat, daß man ihm wenigstens nicht den Vorwurf der Schönfärberei machen
kann, ohne ihn jedoch zugleich als Anhänger der unbedingten Naturwahrheit
Preisen zu können. Der Mangel an jeglichem koloristischen Reize wird dabei
nicht einmal dnrch eine geistvolle, lebendige Charakteristik des Gesichts auf¬
gewogen, das nichts von dem lebhaften, beweglichen Temperament der Sängerin,
ihrer anmutigen Laune und ihrer sonnigen Heiterkeit verrät.

Die Ausstellung gewährt uns wenigstens den einen Trost, daß das Heil
und die Zukunft der Porträtmalerei in Berlin nicht ausschließlich in solchen
Händen ruhen. Zwar ist unter den jüngern Porträtmalern noch kein so sieg¬
reiches Talent aufgetaucht, wie das Gustav Richters war. Aber es sind doch
Ansätze und auch schon Proben eines tüchtigen, ernsten Strebens zu bemerken,
aus denen sich ergiebt, daß man von einem flitterhasten, nur ans Augenblend¬
werk ausgehenden Virtuosentum mit Bewußtsein wieder zu größerer Strenge
und Gewissenhaftigkeit der Zeichnung und Modellirung zurückkehrt, daß man
der hohlen, geistlosen Roben- und Stoffmalerei den Rücken wendet, daß man
an die Stelle gezierter, absichtlicher und nnsprnchsvoller Anordnung die unge¬
zwungene und unbefangene Natur, die gewissermaßen zufällige Beobachtung
setzt. Es ist ebensowohl eine Reaktion gegen die glatte Modemnlerei, die nur
den Launen der Auftraggeber schmeichelt und ihr höchstes Ziel in der täuschenden
Nachahmung glänzender Atlasroben sieht, als gegen das Leubachtum, in dessen
mystischem Dunkel sich gern solche Leute verbergen, denen die richtige Zeich¬
nung von Händen und Armen unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Und
gerade in Bezug auf diese ist bei Malern und Malerinnen eine Besserung ein¬
getreten, die bei dem immer noch nicht in Abnahme gekommenen, übermäßigen
Lenbachkultns fast aussichtslos war, und die uns wenigstens mit der Hoffnung


bilder, in denen er die Charakteristik der Figuren zu jener Schärfe und glatten
Abrundung treibt, die für die letzten Arbeiten von Kraus bezeichnend geworden
sind. Er malt Stillleben und Wauddekorationen großen Stils, in denen eine
humoristische oder witzige Erfindung, die etwa für eine Tischkarte oder ein
Festprogramm ausreiche» würde, auf mehrere» Quadratmetern breit getreten
wird, wofür unsre Ausstellung in einer Allegorie auf das Glück ein drastisches
Beispiel liefert. Meherheim hat aber auch noch den Ehrgeiz, als Bildnismaler
glänzen zu wollen, und zweimal hat er sich auch mit günstigem Erfolg auf
diesem Gebiete bewährt, in den für das Museum in Danzig gemalten lebens¬
großen Bildnissen seines Vaters, des liebenswürdigen und gemütvvlleu Genre¬
malers Fr. E. Meyerheim, und des Kupferstechers Chodowiecki. Die Gabe
jedoch, anmutige junge Mädchen und Frauen in ihren: innersten Wesen zu
erfassen oder doch in ihrer äußern Erscheinung gleich anmutig wiederzugeben,
scheint ihm versagt zu sein. Das hat in diesem Jahre Mareella Sembrich
erfahren müssen, deren Antlitz, Arme und Hände der Künstler auf seinem Bild¬
nis der Sängerin mit einem so undurchsichtigen, aschgrauen Ton überzogen
hat, daß man ihm wenigstens nicht den Vorwurf der Schönfärberei machen
kann, ohne ihn jedoch zugleich als Anhänger der unbedingten Naturwahrheit
Preisen zu können. Der Mangel an jeglichem koloristischen Reize wird dabei
nicht einmal dnrch eine geistvolle, lebendige Charakteristik des Gesichts auf¬
gewogen, das nichts von dem lebhaften, beweglichen Temperament der Sängerin,
ihrer anmutigen Laune und ihrer sonnigen Heiterkeit verrät.

Die Ausstellung gewährt uns wenigstens den einen Trost, daß das Heil
und die Zukunft der Porträtmalerei in Berlin nicht ausschließlich in solchen
Händen ruhen. Zwar ist unter den jüngern Porträtmalern noch kein so sieg¬
reiches Talent aufgetaucht, wie das Gustav Richters war. Aber es sind doch
Ansätze und auch schon Proben eines tüchtigen, ernsten Strebens zu bemerken,
aus denen sich ergiebt, daß man von einem flitterhasten, nur ans Augenblend¬
werk ausgehenden Virtuosentum mit Bewußtsein wieder zu größerer Strenge
und Gewissenhaftigkeit der Zeichnung und Modellirung zurückkehrt, daß man
der hohlen, geistlosen Roben- und Stoffmalerei den Rücken wendet, daß man
an die Stelle gezierter, absichtlicher und nnsprnchsvoller Anordnung die unge¬
zwungene und unbefangene Natur, die gewissermaßen zufällige Beobachtung
setzt. Es ist ebensowohl eine Reaktion gegen die glatte Modemnlerei, die nur
den Launen der Auftraggeber schmeichelt und ihr höchstes Ziel in der täuschenden
Nachahmung glänzender Atlasroben sieht, als gegen das Leubachtum, in dessen
mystischem Dunkel sich gern solche Leute verbergen, denen die richtige Zeich¬
nung von Händen und Armen unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Und
gerade in Bezug auf diese ist bei Malern und Malerinnen eine Besserung ein¬
getreten, die bei dem immer noch nicht in Abnahme gekommenen, übermäßigen
Lenbachkultns fast aussichtslos war, und die uns wenigstens mit der Hoffnung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/231>, abgerufen am 25.07.2024.