Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

fahre" zu warnen, die noch nicht vorhanden sind, oder gar historische Erinne¬
rungen zu erwecken, die uns in jene Zeit führen, wo und dem Vergnügen des
römischen Volkes an blutigen Schauspielen auch der Niedergang des römischen
Stantswcsens begann. Aber man ist berechtigt, beizeiten ans die Grenzen hin¬
zuweisen, die dem Darstellnngsgebiete der Kunst gezogen sind.

Das zweite Beispiel, das wir zitiren wollten, ist Werner Schuchs lebens¬
großes Neiterbildnis des Kaisers in der Uniform der Leibgardehusaren, vor dem.
dieses Regiment im Parademarsch vvrnberdefilirt. Hier sah sich der Künstler
vor eine Aufgabe gestellt, für die das Maß seiner Fähigkeit nach mehreren
Richtungen unzureichend ist. Ursprünglich Architekt, hatte es Schund in diesem
Berufe schon zu Amt und Würden gebracht, als er sich der Malerei zu widmen
beschloß. In verhältnismäßig kurzer Zeit eignete er sich einen gewissen Grad
von technischer Geschicklichkeit an, der ihn befähigte, kleine Episoden aus dein
wilden Reiterleben des dreißigjährigen Krieges in Verbindung mit einer wir¬
kungsvollen, meist ernst und düster gestimmten Heidelandschaft zu lebendiger
Darstellung zu bringen. Damit hatte er sich ein eigentüiuliches Genre und
eine persönliche Ausdrucksweise geschaffen. Aber er gab sich damit nicht zu¬
frieden. Ehrgeiz, Täuschung über den Umfang seiner Begabung, vielleicht auch
der Überdruß, immer dasselbe Lied zu singen, oder die zu hohe Meinung von
Gönnern und Auftraggebern veranlaßten ihn zu gewagten Unternehmungen,
die sich über immer größer werdende Leinwaudflächen ausdehnten. Die feine
poetische Stimmung verflog, und es blieb eine Leere zurück, die der Künstler
durch seine koloristischen Mittel nicht auszufüllen vermochte. Mit dem großen
Maßstabe stellte sich uicht auch das Gefühl für monumentale Größe ein, und
als nnn gar bei lebensgroßen Darstellungen der Porträtmaler zu Worte
kommen sollte, fehlten alle Vorbedingungen dazu. Das uur im Profil sicht¬
bare Antlitz des Kaisers ist über eine allgemeine äußere Ähnlichkeit uicht
hinausgekommen, der malerischen Behandlung gebricht es an Kraft, Wärme,
Schmelz und einem individuellen Zuge, in dem man die Handschrift des
Künstlers zu erkennen vermöchte, und die Gesamtauffassung ist über die
nüchterne Wiedergabe der Wirklichkeit, der Uniform, des übrigens nicht ganz
tadellos gezeichneten und modellirten Pferdes, des Terrains und der mili¬
tärischen Umgebung hinaus uicht zur monumentalen Größe, auch uicht einmal
zu einem gewissen heroischen Schwung, zum Ausdruck der Majestät gesteigert
worden.

Daß auch weit erfahrenere und koloristisch vielseitiger gebildete Künstler
als Schund häusig das Opfer einer Selbsttäuschung werden, bringt uns in
diesen: Jahre Paul Meyerheim wiederum in Erinnerung. Auch ihn dünkt der
Ruhm, der erste Tiermaler und einer der besten Landschaftsmaler Berlins zu
sein, zu gering. Er malt Jnnenrüume, bei denen er sich die schwierigsten
Beleuchtnngsaufgaben stellt, um mit Menzel zu wetteifern. Er malt Genre-


fahre» zu warnen, die noch nicht vorhanden sind, oder gar historische Erinne¬
rungen zu erwecken, die uns in jene Zeit führen, wo und dem Vergnügen des
römischen Volkes an blutigen Schauspielen auch der Niedergang des römischen
Stantswcsens begann. Aber man ist berechtigt, beizeiten ans die Grenzen hin¬
zuweisen, die dem Darstellnngsgebiete der Kunst gezogen sind.

Das zweite Beispiel, das wir zitiren wollten, ist Werner Schuchs lebens¬
großes Neiterbildnis des Kaisers in der Uniform der Leibgardehusaren, vor dem.
dieses Regiment im Parademarsch vvrnberdefilirt. Hier sah sich der Künstler
vor eine Aufgabe gestellt, für die das Maß seiner Fähigkeit nach mehreren
Richtungen unzureichend ist. Ursprünglich Architekt, hatte es Schund in diesem
Berufe schon zu Amt und Würden gebracht, als er sich der Malerei zu widmen
beschloß. In verhältnismäßig kurzer Zeit eignete er sich einen gewissen Grad
von technischer Geschicklichkeit an, der ihn befähigte, kleine Episoden aus dein
wilden Reiterleben des dreißigjährigen Krieges in Verbindung mit einer wir¬
kungsvollen, meist ernst und düster gestimmten Heidelandschaft zu lebendiger
Darstellung zu bringen. Damit hatte er sich ein eigentüiuliches Genre und
eine persönliche Ausdrucksweise geschaffen. Aber er gab sich damit nicht zu¬
frieden. Ehrgeiz, Täuschung über den Umfang seiner Begabung, vielleicht auch
der Überdruß, immer dasselbe Lied zu singen, oder die zu hohe Meinung von
Gönnern und Auftraggebern veranlaßten ihn zu gewagten Unternehmungen,
die sich über immer größer werdende Leinwaudflächen ausdehnten. Die feine
poetische Stimmung verflog, und es blieb eine Leere zurück, die der Künstler
durch seine koloristischen Mittel nicht auszufüllen vermochte. Mit dem großen
Maßstabe stellte sich uicht auch das Gefühl für monumentale Größe ein, und
als nnn gar bei lebensgroßen Darstellungen der Porträtmaler zu Worte
kommen sollte, fehlten alle Vorbedingungen dazu. Das uur im Profil sicht¬
bare Antlitz des Kaisers ist über eine allgemeine äußere Ähnlichkeit uicht
hinausgekommen, der malerischen Behandlung gebricht es an Kraft, Wärme,
Schmelz und einem individuellen Zuge, in dem man die Handschrift des
Künstlers zu erkennen vermöchte, und die Gesamtauffassung ist über die
nüchterne Wiedergabe der Wirklichkeit, der Uniform, des übrigens nicht ganz
tadellos gezeichneten und modellirten Pferdes, des Terrains und der mili¬
tärischen Umgebung hinaus uicht zur monumentalen Größe, auch uicht einmal
zu einem gewissen heroischen Schwung, zum Ausdruck der Majestät gesteigert
worden.

Daß auch weit erfahrenere und koloristisch vielseitiger gebildete Künstler
als Schund häusig das Opfer einer Selbsttäuschung werden, bringt uns in
diesen: Jahre Paul Meyerheim wiederum in Erinnerung. Auch ihn dünkt der
Ruhm, der erste Tiermaler und einer der besten Landschaftsmaler Berlins zu
sein, zu gering. Er malt Jnnenrüume, bei denen er sich die schwierigsten
Beleuchtnngsaufgaben stellt, um mit Menzel zu wetteifern. Er malt Genre-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208167"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_624" prev="#ID_623"> fahre» zu warnen, die noch nicht vorhanden sind, oder gar historische Erinne¬<lb/>
rungen zu erwecken, die uns in jene Zeit führen, wo und dem Vergnügen des<lb/>
römischen Volkes an blutigen Schauspielen auch der Niedergang des römischen<lb/>
Stantswcsens begann. Aber man ist berechtigt, beizeiten ans die Grenzen hin¬<lb/>
zuweisen, die dem Darstellnngsgebiete der Kunst gezogen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_625"> Das zweite Beispiel, das wir zitiren wollten, ist Werner Schuchs lebens¬<lb/>
großes Neiterbildnis des Kaisers in der Uniform der Leibgardehusaren, vor dem.<lb/>
dieses Regiment im Parademarsch vvrnberdefilirt. Hier sah sich der Künstler<lb/>
vor eine Aufgabe gestellt, für die das Maß seiner Fähigkeit nach mehreren<lb/>
Richtungen unzureichend ist. Ursprünglich Architekt, hatte es Schund in diesem<lb/>
Berufe schon zu Amt und Würden gebracht, als er sich der Malerei zu widmen<lb/>
beschloß. In verhältnismäßig kurzer Zeit eignete er sich einen gewissen Grad<lb/>
von technischer Geschicklichkeit an, der ihn befähigte, kleine Episoden aus dein<lb/>
wilden Reiterleben des dreißigjährigen Krieges in Verbindung mit einer wir¬<lb/>
kungsvollen, meist ernst und düster gestimmten Heidelandschaft zu lebendiger<lb/>
Darstellung zu bringen. Damit hatte er sich ein eigentüiuliches Genre und<lb/>
eine persönliche Ausdrucksweise geschaffen. Aber er gab sich damit nicht zu¬<lb/>
frieden. Ehrgeiz, Täuschung über den Umfang seiner Begabung, vielleicht auch<lb/>
der Überdruß, immer dasselbe Lied zu singen, oder die zu hohe Meinung von<lb/>
Gönnern und Auftraggebern veranlaßten ihn zu gewagten Unternehmungen,<lb/>
die sich über immer größer werdende Leinwaudflächen ausdehnten. Die feine<lb/>
poetische Stimmung verflog, und es blieb eine Leere zurück, die der Künstler<lb/>
durch seine koloristischen Mittel nicht auszufüllen vermochte. Mit dem großen<lb/>
Maßstabe stellte sich uicht auch das Gefühl für monumentale Größe ein, und<lb/>
als nnn gar bei lebensgroßen Darstellungen der Porträtmaler zu Worte<lb/>
kommen sollte, fehlten alle Vorbedingungen dazu. Das uur im Profil sicht¬<lb/>
bare Antlitz des Kaisers ist über eine allgemeine äußere Ähnlichkeit uicht<lb/>
hinausgekommen, der malerischen Behandlung gebricht es an Kraft, Wärme,<lb/>
Schmelz und einem individuellen Zuge, in dem man die Handschrift des<lb/>
Künstlers zu erkennen vermöchte, und die Gesamtauffassung ist über die<lb/>
nüchterne Wiedergabe der Wirklichkeit, der Uniform, des übrigens nicht ganz<lb/>
tadellos gezeichneten und modellirten Pferdes, des Terrains und der mili¬<lb/>
tärischen Umgebung hinaus uicht zur monumentalen Größe, auch uicht einmal<lb/>
zu einem gewissen heroischen Schwung, zum Ausdruck der Majestät gesteigert<lb/>
worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_626" next="#ID_627"> Daß auch weit erfahrenere und koloristisch vielseitiger gebildete Künstler<lb/>
als Schund häusig das Opfer einer Selbsttäuschung werden, bringt uns in<lb/>
diesen: Jahre Paul Meyerheim wiederum in Erinnerung. Auch ihn dünkt der<lb/>
Ruhm, der erste Tiermaler und einer der besten Landschaftsmaler Berlins zu<lb/>
sein, zu gering. Er malt Jnnenrüume, bei denen er sich die schwierigsten<lb/>
Beleuchtnngsaufgaben stellt, um mit Menzel zu wetteifern.  Er malt Genre-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0230] fahre» zu warnen, die noch nicht vorhanden sind, oder gar historische Erinne¬ rungen zu erwecken, die uns in jene Zeit führen, wo und dem Vergnügen des römischen Volkes an blutigen Schauspielen auch der Niedergang des römischen Stantswcsens begann. Aber man ist berechtigt, beizeiten ans die Grenzen hin¬ zuweisen, die dem Darstellnngsgebiete der Kunst gezogen sind. Das zweite Beispiel, das wir zitiren wollten, ist Werner Schuchs lebens¬ großes Neiterbildnis des Kaisers in der Uniform der Leibgardehusaren, vor dem. dieses Regiment im Parademarsch vvrnberdefilirt. Hier sah sich der Künstler vor eine Aufgabe gestellt, für die das Maß seiner Fähigkeit nach mehreren Richtungen unzureichend ist. Ursprünglich Architekt, hatte es Schund in diesem Berufe schon zu Amt und Würden gebracht, als er sich der Malerei zu widmen beschloß. In verhältnismäßig kurzer Zeit eignete er sich einen gewissen Grad von technischer Geschicklichkeit an, der ihn befähigte, kleine Episoden aus dein wilden Reiterleben des dreißigjährigen Krieges in Verbindung mit einer wir¬ kungsvollen, meist ernst und düster gestimmten Heidelandschaft zu lebendiger Darstellung zu bringen. Damit hatte er sich ein eigentüiuliches Genre und eine persönliche Ausdrucksweise geschaffen. Aber er gab sich damit nicht zu¬ frieden. Ehrgeiz, Täuschung über den Umfang seiner Begabung, vielleicht auch der Überdruß, immer dasselbe Lied zu singen, oder die zu hohe Meinung von Gönnern und Auftraggebern veranlaßten ihn zu gewagten Unternehmungen, die sich über immer größer werdende Leinwaudflächen ausdehnten. Die feine poetische Stimmung verflog, und es blieb eine Leere zurück, die der Künstler durch seine koloristischen Mittel nicht auszufüllen vermochte. Mit dem großen Maßstabe stellte sich uicht auch das Gefühl für monumentale Größe ein, und als nnn gar bei lebensgroßen Darstellungen der Porträtmaler zu Worte kommen sollte, fehlten alle Vorbedingungen dazu. Das uur im Profil sicht¬ bare Antlitz des Kaisers ist über eine allgemeine äußere Ähnlichkeit uicht hinausgekommen, der malerischen Behandlung gebricht es an Kraft, Wärme, Schmelz und einem individuellen Zuge, in dem man die Handschrift des Künstlers zu erkennen vermöchte, und die Gesamtauffassung ist über die nüchterne Wiedergabe der Wirklichkeit, der Uniform, des übrigens nicht ganz tadellos gezeichneten und modellirten Pferdes, des Terrains und der mili¬ tärischen Umgebung hinaus uicht zur monumentalen Größe, auch uicht einmal zu einem gewissen heroischen Schwung, zum Ausdruck der Majestät gesteigert worden. Daß auch weit erfahrenere und koloristisch vielseitiger gebildete Künstler als Schund häusig das Opfer einer Selbsttäuschung werden, bringt uns in diesen: Jahre Paul Meyerheim wiederum in Erinnerung. Auch ihn dünkt der Ruhm, der erste Tiermaler und einer der besten Landschaftsmaler Berlins zu sein, zu gering. Er malt Jnnenrüume, bei denen er sich die schwierigsten Beleuchtnngsaufgaben stellt, um mit Menzel zu wetteifern. Er malt Genre-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/230
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/230>, abgerufen am 25.07.2024.