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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Römische Frühlingsl'liber

in San Pietro in Montvrio gesehen und genossen hat, und die heute eine
Hauptzierde der vatikanischen Pinakothek bildet. Da freut man sich denn jedes
Baues und jeder Anlage, die mit den natürlichen Grundlinien der Tiberstadt,
dem Terrain selbst in Verbindung gebracht siud und eine Bürgschaft langer
Dauer in sich tragen. Neben den vielen sehr willkürlichen und schon heute
als rasch vergänglich zu erachtenden Umgestaltungen Roms darf sich die
Passcgiata Margherita dieser Bürgschaft rühmen. Ich habe sie nur im lichten
Frühlingsgrün gesehen, in Wochen, wo auch die Cnmpagna sich mit
neuem üppigem Grün schmückt und der Reisende kaum an einzelnen, dem
Sonnenbrand besonders ausgesetzten oder verödeten Stellen ahnen kann, wie
Sommerglut und Staub die lachende Landschaft umzuwandeln vermögen. Aber
ich zweifle uicht, daß der Eindruck zu allen Zeiten gewinnend und nachhaltig
sein wird: es ist ein großer Zug in dieser Anlage, eine Mischung heitern
Behagens und ernster Würde, die ja echt römisch sind/'

An der eigentlichen Promenade liegen nur wenige Gebäude, unter denen
die obengenannte Villa Lante und das Kloster San Ouofrio die bedeutendsten
und wichtigsten sind. Das Kloster, die Zufluchtsstätte, zu der sich der kranke
Dichter des "Befreiten Jerusalems" empvrbringen ließ, als er im Winter von
1594 auf 15W merkte, daß er die ihm zugedachte Dichterkrone mit einer
himmlischen Krone werde vertauschen müssen, erscheint zur Zeit noch Wohl
erhalten, im Hauptgebäude werden in der Zelle Tassos die Erinnerungen an
seinen kurzen Aufenthalt und Tod sorgfältig bewahrt. Die wächserne Toten¬
maske, Handschriften, Bücher, Schreibzeug und Spiegel des Dichters berührten
mich tiefer und stimmungsvoller, als das getreue, aber grelle und allzusehr
auf die überraschende Wirkung gemalte moderne Freskobild, das von der
Rückwand der Zelle her dem Beschauer entgegenblickt. Der beste Eindruck,
den man davonträgt, ist das helle Licht in dem einfachen Gemach, eine
gewisse ruhige Würde des davor liegenden Ganges. Man fühlt es nach
Jahrhunderten noch, wie der innerlich gebrochene, krankheitgebeugte, aber
immer noch stolze und vornehme Dichter in diesem Aufenthalt ein Gefühl
des Friedens, wehmutsvoller Beruhigung vou Tag zu Tag stärker empfinden
mußte, und man freut sich, daß wenigstens der Ausgang dieses Lebens
der innern Würde einer feinbesaiteten Natur entsprochen hat. Freilich fehlt
nnter dem geringfügigen litterarischen Nachlaß auch die römische Ausgabe
der (ZvrnLcckömrnö vonHumtiika, nicht, der traurigen Verballhornuug des eignen
besten und unsterblichste!: Werkes, die sich Tasso abgequält hatte, um den An¬
sprüchen des gegenrefornmtorischen Zelotismus zu genügen und die ursprüng¬
liche Richtung seiner Phantasie zu verleugnen. Wenn man sich ins Gedächtnis
ruft, daß er noch auf dem Totenbette den Kardinal Aldvbrandini beschwor,
die Exemplare des "Befreiten Jerusalems" aufkaufen und vernichten zu lassen,
damit nichts von dein schimmernden Glanz und der farbenreichen Frische seiner


Römische Frühlingsl'liber

in San Pietro in Montvrio gesehen und genossen hat, und die heute eine
Hauptzierde der vatikanischen Pinakothek bildet. Da freut man sich denn jedes
Baues und jeder Anlage, die mit den natürlichen Grundlinien der Tiberstadt,
dem Terrain selbst in Verbindung gebracht siud und eine Bürgschaft langer
Dauer in sich tragen. Neben den vielen sehr willkürlichen und schon heute
als rasch vergänglich zu erachtenden Umgestaltungen Roms darf sich die
Passcgiata Margherita dieser Bürgschaft rühmen. Ich habe sie nur im lichten
Frühlingsgrün gesehen, in Wochen, wo auch die Cnmpagna sich mit
neuem üppigem Grün schmückt und der Reisende kaum an einzelnen, dem
Sonnenbrand besonders ausgesetzten oder verödeten Stellen ahnen kann, wie
Sommerglut und Staub die lachende Landschaft umzuwandeln vermögen. Aber
ich zweifle uicht, daß der Eindruck zu allen Zeiten gewinnend und nachhaltig
sein wird: es ist ein großer Zug in dieser Anlage, eine Mischung heitern
Behagens und ernster Würde, die ja echt römisch sind/'

An der eigentlichen Promenade liegen nur wenige Gebäude, unter denen
die obengenannte Villa Lante und das Kloster San Ouofrio die bedeutendsten
und wichtigsten sind. Das Kloster, die Zufluchtsstätte, zu der sich der kranke
Dichter des „Befreiten Jerusalems" empvrbringen ließ, als er im Winter von
1594 auf 15W merkte, daß er die ihm zugedachte Dichterkrone mit einer
himmlischen Krone werde vertauschen müssen, erscheint zur Zeit noch Wohl
erhalten, im Hauptgebäude werden in der Zelle Tassos die Erinnerungen an
seinen kurzen Aufenthalt und Tod sorgfältig bewahrt. Die wächserne Toten¬
maske, Handschriften, Bücher, Schreibzeug und Spiegel des Dichters berührten
mich tiefer und stimmungsvoller, als das getreue, aber grelle und allzusehr
auf die überraschende Wirkung gemalte moderne Freskobild, das von der
Rückwand der Zelle her dem Beschauer entgegenblickt. Der beste Eindruck,
den man davonträgt, ist das helle Licht in dem einfachen Gemach, eine
gewisse ruhige Würde des davor liegenden Ganges. Man fühlt es nach
Jahrhunderten noch, wie der innerlich gebrochene, krankheitgebeugte, aber
immer noch stolze und vornehme Dichter in diesem Aufenthalt ein Gefühl
des Friedens, wehmutsvoller Beruhigung vou Tag zu Tag stärker empfinden
mußte, und man freut sich, daß wenigstens der Ausgang dieses Lebens
der innern Würde einer feinbesaiteten Natur entsprochen hat. Freilich fehlt
nnter dem geringfügigen litterarischen Nachlaß auch die römische Ausgabe
der (ZvrnLcckömrnö vonHumtiika, nicht, der traurigen Verballhornuug des eignen
besten und unsterblichste!: Werkes, die sich Tasso abgequält hatte, um den An¬
sprüchen des gegenrefornmtorischen Zelotismus zu genügen und die ursprüng¬
liche Richtung seiner Phantasie zu verleugnen. Wenn man sich ins Gedächtnis
ruft, daß er noch auf dem Totenbette den Kardinal Aldvbrandini beschwor,
die Exemplare des „Befreiten Jerusalems" aufkaufen und vernichten zu lassen,
damit nichts von dein schimmernden Glanz und der farbenreichen Frische seiner


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[0180] Römische Frühlingsl'liber in San Pietro in Montvrio gesehen und genossen hat, und die heute eine Hauptzierde der vatikanischen Pinakothek bildet. Da freut man sich denn jedes Baues und jeder Anlage, die mit den natürlichen Grundlinien der Tiberstadt, dem Terrain selbst in Verbindung gebracht siud und eine Bürgschaft langer Dauer in sich tragen. Neben den vielen sehr willkürlichen und schon heute als rasch vergänglich zu erachtenden Umgestaltungen Roms darf sich die Passcgiata Margherita dieser Bürgschaft rühmen. Ich habe sie nur im lichten Frühlingsgrün gesehen, in Wochen, wo auch die Cnmpagna sich mit neuem üppigem Grün schmückt und der Reisende kaum an einzelnen, dem Sonnenbrand besonders ausgesetzten oder verödeten Stellen ahnen kann, wie Sommerglut und Staub die lachende Landschaft umzuwandeln vermögen. Aber ich zweifle uicht, daß der Eindruck zu allen Zeiten gewinnend und nachhaltig sein wird: es ist ein großer Zug in dieser Anlage, eine Mischung heitern Behagens und ernster Würde, die ja echt römisch sind/' An der eigentlichen Promenade liegen nur wenige Gebäude, unter denen die obengenannte Villa Lante und das Kloster San Ouofrio die bedeutendsten und wichtigsten sind. Das Kloster, die Zufluchtsstätte, zu der sich der kranke Dichter des „Befreiten Jerusalems" empvrbringen ließ, als er im Winter von 1594 auf 15W merkte, daß er die ihm zugedachte Dichterkrone mit einer himmlischen Krone werde vertauschen müssen, erscheint zur Zeit noch Wohl erhalten, im Hauptgebäude werden in der Zelle Tassos die Erinnerungen an seinen kurzen Aufenthalt und Tod sorgfältig bewahrt. Die wächserne Toten¬ maske, Handschriften, Bücher, Schreibzeug und Spiegel des Dichters berührten mich tiefer und stimmungsvoller, als das getreue, aber grelle und allzusehr auf die überraschende Wirkung gemalte moderne Freskobild, das von der Rückwand der Zelle her dem Beschauer entgegenblickt. Der beste Eindruck, den man davonträgt, ist das helle Licht in dem einfachen Gemach, eine gewisse ruhige Würde des davor liegenden Ganges. Man fühlt es nach Jahrhunderten noch, wie der innerlich gebrochene, krankheitgebeugte, aber immer noch stolze und vornehme Dichter in diesem Aufenthalt ein Gefühl des Friedens, wehmutsvoller Beruhigung vou Tag zu Tag stärker empfinden mußte, und man freut sich, daß wenigstens der Ausgang dieses Lebens der innern Würde einer feinbesaiteten Natur entsprochen hat. Freilich fehlt nnter dem geringfügigen litterarischen Nachlaß auch die römische Ausgabe der (ZvrnLcckömrnö vonHumtiika, nicht, der traurigen Verballhornuug des eignen besten und unsterblichste!: Werkes, die sich Tasso abgequält hatte, um den An¬ sprüchen des gegenrefornmtorischen Zelotismus zu genügen und die ursprüng¬ liche Richtung seiner Phantasie zu verleugnen. Wenn man sich ins Gedächtnis ruft, daß er noch auf dem Totenbette den Kardinal Aldvbrandini beschwor, die Exemplare des „Befreiten Jerusalems" aufkaufen und vernichten zu lassen, damit nichts von dein schimmernden Glanz und der farbenreichen Frische seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/180>, abgerufen am 25.07.2024.