Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Neue Radirungen

Wagen rasch vorwärts und hinüberzuschaffen. Denn schon naht der Sturm;
er treibt zusammengeballte Wolken vor sich her und wühlt in der Krone des
gewaltigen Eichbaumes, der am Wege steht. Besonders dieser Baum in seiner
mächtigen, sturmfesten Stärke ist von größter Schönheit, wie ich denn das
ganze Bild für eins der schönsten Landschaftsgemälde halte, die ich je gesehen
habe. Duprö ist vor kurzem gestorben. Ungeheuer ist der Einfluß, den er
auf die moderne Landschaftsmalerei ausgeübt hat. Er hat die mühselig aus¬
gesonnenen, unnatürlichen Machwerke beseitigt, hat dem reinen Verständnis der
Natur, in welcher Gestalt sie immer sich zeigen mag, die Bahn geöffnet, und
gelehrt, wie auch der einfachste Gegenstand künstlerisch sich verklären lasse.
Dem Vorbilde des großen französischen Malers sind die Landschafter vielfach
gefolgt, und so kommt es, daß auf diesem Gebiete der Kunst gegenwärtig
Bedeutenderes geleistet wird als auf andern. Auch das dritte der von
Krostewitz radirten Landschaftsbilder ist ein Beweis hierfür. Das Gemälde
heißt "Des Fährmanns Tochter" und ist gemalt von Ueend King, einem
>u England gegenwärtig in hohem Ansehen stehenden Künstler. Seine
Farbengebung wird im allgemeinen nicht besonders gerühmt; namentlich
fwdet man um dem intensiven Grün seiner Landschaften auszusetzen. Die
Nndirnng erspart derartiges Mißfallen; was wir ans ihr zu sehen bekommen,
'se meist von wunderbarer Schönheit. Auch hier ist das landschaftliche Motiv
höchst einfach: ein mit Schilf und Gras bewachsenes Flußufer; auf der ent¬
gegengesetzten Seite des Wassers waldige Partien; der Fluß in sanfter Biegung
'et fernen Hügellandschafteu sich verlierend, worüber die hinter schimmernden
tollen versteckte Sonne Streifen von Glanz herabsenkt; im Vordergrunde am
^fer ein wandelndes Mädchen, das nach einem im Kahne sitzenden Manne aus¬
sähe. Diese einfachen Dinge sind mit höchster Schönheit dargestellt -- und
^ ist es gestochen! Hier kann man Bild und Nachbild getrost als gleich¬
wertig ansehen. Diese "wasferzichende" Sonne, dieses durchsichtige, nur vorn
ganz leicht gekräuselte Wasser sind Proben einer in der That stannenswürdigen
Meisterschaft.

So viel von diese" Radirungen, die ohne Ausnahme als höchst bedeutende
Erscheinungen -- wenn auch unter sich nicht gleich -- anzusehen sind. Über
^'e von demselben Verlage herausgegebenen, sehr interessanten Photvgravüren
^'sse ich ein andermal sprechen zu können.


V. Voerinq


Neue Radirungen

Wagen rasch vorwärts und hinüberzuschaffen. Denn schon naht der Sturm;
er treibt zusammengeballte Wolken vor sich her und wühlt in der Krone des
gewaltigen Eichbaumes, der am Wege steht. Besonders dieser Baum in seiner
mächtigen, sturmfesten Stärke ist von größter Schönheit, wie ich denn das
ganze Bild für eins der schönsten Landschaftsgemälde halte, die ich je gesehen
habe. Duprö ist vor kurzem gestorben. Ungeheuer ist der Einfluß, den er
auf die moderne Landschaftsmalerei ausgeübt hat. Er hat die mühselig aus¬
gesonnenen, unnatürlichen Machwerke beseitigt, hat dem reinen Verständnis der
Natur, in welcher Gestalt sie immer sich zeigen mag, die Bahn geöffnet, und
gelehrt, wie auch der einfachste Gegenstand künstlerisch sich verklären lasse.
Dem Vorbilde des großen französischen Malers sind die Landschafter vielfach
gefolgt, und so kommt es, daß auf diesem Gebiete der Kunst gegenwärtig
Bedeutenderes geleistet wird als auf andern. Auch das dritte der von
Krostewitz radirten Landschaftsbilder ist ein Beweis hierfür. Das Gemälde
heißt „Des Fährmanns Tochter" und ist gemalt von Ueend King, einem
>u England gegenwärtig in hohem Ansehen stehenden Künstler. Seine
Farbengebung wird im allgemeinen nicht besonders gerühmt; namentlich
fwdet man um dem intensiven Grün seiner Landschaften auszusetzen. Die
Nndirnng erspart derartiges Mißfallen; was wir ans ihr zu sehen bekommen,
'se meist von wunderbarer Schönheit. Auch hier ist das landschaftliche Motiv
höchst einfach: ein mit Schilf und Gras bewachsenes Flußufer; auf der ent¬
gegengesetzten Seite des Wassers waldige Partien; der Fluß in sanfter Biegung
'et fernen Hügellandschafteu sich verlierend, worüber die hinter schimmernden
tollen versteckte Sonne Streifen von Glanz herabsenkt; im Vordergrunde am
^fer ein wandelndes Mädchen, das nach einem im Kahne sitzenden Manne aus¬
sähe. Diese einfachen Dinge sind mit höchster Schönheit dargestellt — und
^ ist es gestochen! Hier kann man Bild und Nachbild getrost als gleich¬
wertig ansehen. Diese „wasferzichende" Sonne, dieses durchsichtige, nur vorn
ganz leicht gekräuselte Wasser sind Proben einer in der That stannenswürdigen
Meisterschaft.

So viel von diese» Radirungen, die ohne Ausnahme als höchst bedeutende
Erscheinungen — wenn auch unter sich nicht gleich — anzusehen sind. Über
^'e von demselben Verlage herausgegebenen, sehr interessanten Photvgravüren
^'sse ich ein andermal sprechen zu können.


V. Voerinq


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0091" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207386"/>
          <fw type="header" place="top"> Neue Radirungen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_242" prev="#ID_241"> Wagen rasch vorwärts und hinüberzuschaffen. Denn schon naht der Sturm;<lb/>
er treibt zusammengeballte Wolken vor sich her und wühlt in der Krone des<lb/>
gewaltigen Eichbaumes, der am Wege steht. Besonders dieser Baum in seiner<lb/>
mächtigen, sturmfesten Stärke ist von größter Schönheit, wie ich denn das<lb/>
ganze Bild für eins der schönsten Landschaftsgemälde halte, die ich je gesehen<lb/>
habe. Duprö ist vor kurzem gestorben. Ungeheuer ist der Einfluß, den er<lb/>
auf die moderne Landschaftsmalerei ausgeübt hat. Er hat die mühselig aus¬<lb/>
gesonnenen, unnatürlichen Machwerke beseitigt, hat dem reinen Verständnis der<lb/>
Natur, in welcher Gestalt sie immer sich zeigen mag, die Bahn geöffnet, und<lb/>
gelehrt, wie auch der einfachste Gegenstand künstlerisch sich verklären lasse.<lb/>
Dem Vorbilde des großen französischen Malers sind die Landschafter vielfach<lb/>
gefolgt, und so kommt es, daß auf diesem Gebiete der Kunst gegenwärtig<lb/>
Bedeutenderes geleistet wird als auf andern. Auch das dritte der von<lb/>
Krostewitz radirten Landschaftsbilder ist ein Beweis hierfür. Das Gemälde<lb/>
heißt &#x201E;Des Fährmanns Tochter" und ist gemalt von Ueend King, einem<lb/>
&gt;u England gegenwärtig in hohem Ansehen stehenden Künstler. Seine<lb/>
Farbengebung wird im allgemeinen nicht besonders gerühmt; namentlich<lb/>
fwdet man um dem intensiven Grün seiner Landschaften auszusetzen. Die<lb/>
Nndirnng erspart derartiges Mißfallen; was wir ans ihr zu sehen bekommen,<lb/>
'se meist von wunderbarer Schönheit. Auch hier ist das landschaftliche Motiv<lb/>
höchst einfach: ein mit Schilf und Gras bewachsenes Flußufer; auf der ent¬<lb/>
gegengesetzten Seite des Wassers waldige Partien; der Fluß in sanfter Biegung<lb/>
'et fernen Hügellandschafteu sich verlierend, worüber die hinter schimmernden<lb/>
tollen versteckte Sonne Streifen von Glanz herabsenkt; im Vordergrunde am<lb/>
^fer ein wandelndes Mädchen, das nach einem im Kahne sitzenden Manne aus¬<lb/>
sähe. Diese einfachen Dinge sind mit höchster Schönheit dargestellt &#x2014; und<lb/>
^ ist es gestochen! Hier kann man Bild und Nachbild getrost als gleich¬<lb/>
wertig ansehen. Diese &#x201E;wasferzichende" Sonne, dieses durchsichtige, nur vorn<lb/>
ganz leicht gekräuselte Wasser sind Proben einer in der That stannenswürdigen<lb/>
Meisterschaft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_243"> So viel von diese» Radirungen, die ohne Ausnahme als höchst bedeutende<lb/>
Erscheinungen &#x2014; wenn auch unter sich nicht gleich &#x2014; anzusehen sind. Über<lb/>
^'e von demselben Verlage herausgegebenen, sehr interessanten Photvgravüren<lb/>
^'sse ich ein andermal sprechen zu können.</p><lb/>
          <note type="byline"> V. Voerinq</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0091] Neue Radirungen Wagen rasch vorwärts und hinüberzuschaffen. Denn schon naht der Sturm; er treibt zusammengeballte Wolken vor sich her und wühlt in der Krone des gewaltigen Eichbaumes, der am Wege steht. Besonders dieser Baum in seiner mächtigen, sturmfesten Stärke ist von größter Schönheit, wie ich denn das ganze Bild für eins der schönsten Landschaftsgemälde halte, die ich je gesehen habe. Duprö ist vor kurzem gestorben. Ungeheuer ist der Einfluß, den er auf die moderne Landschaftsmalerei ausgeübt hat. Er hat die mühselig aus¬ gesonnenen, unnatürlichen Machwerke beseitigt, hat dem reinen Verständnis der Natur, in welcher Gestalt sie immer sich zeigen mag, die Bahn geöffnet, und gelehrt, wie auch der einfachste Gegenstand künstlerisch sich verklären lasse. Dem Vorbilde des großen französischen Malers sind die Landschafter vielfach gefolgt, und so kommt es, daß auf diesem Gebiete der Kunst gegenwärtig Bedeutenderes geleistet wird als auf andern. Auch das dritte der von Krostewitz radirten Landschaftsbilder ist ein Beweis hierfür. Das Gemälde heißt „Des Fährmanns Tochter" und ist gemalt von Ueend King, einem >u England gegenwärtig in hohem Ansehen stehenden Künstler. Seine Farbengebung wird im allgemeinen nicht besonders gerühmt; namentlich fwdet man um dem intensiven Grün seiner Landschaften auszusetzen. Die Nndirnng erspart derartiges Mißfallen; was wir ans ihr zu sehen bekommen, 'se meist von wunderbarer Schönheit. Auch hier ist das landschaftliche Motiv höchst einfach: ein mit Schilf und Gras bewachsenes Flußufer; auf der ent¬ gegengesetzten Seite des Wassers waldige Partien; der Fluß in sanfter Biegung 'et fernen Hügellandschafteu sich verlierend, worüber die hinter schimmernden tollen versteckte Sonne Streifen von Glanz herabsenkt; im Vordergrunde am ^fer ein wandelndes Mädchen, das nach einem im Kahne sitzenden Manne aus¬ sähe. Diese einfachen Dinge sind mit höchster Schönheit dargestellt — und ^ ist es gestochen! Hier kann man Bild und Nachbild getrost als gleich¬ wertig ansehen. Diese „wasferzichende" Sonne, dieses durchsichtige, nur vorn ganz leicht gekräuselte Wasser sind Proben einer in der That stannenswürdigen Meisterschaft. So viel von diese» Radirungen, die ohne Ausnahme als höchst bedeutende Erscheinungen — wenn auch unter sich nicht gleich — anzusehen sind. Über ^'e von demselben Verlage herausgegebenen, sehr interessanten Photvgravüren ^'sse ich ein andermal sprechen zu können. V. Voerinq

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/91
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/91>, abgerufen am 27.12.2024.