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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Neue Radinmgen

gehalten ist und Mangel an belebenden Gegensätzen von Licht und Schatten
zeigt, sowie daß der angebliche Manzanares sich in nicht glücklicher Auffassung
von der Mitte des Vordergrundes nach der des Hintergrundes schlängelt,
was einen etwas leblosen Eindruck macht. Abgesehen von diesen Dingen aber
enthält das Gemälde (es stammt von dem Spanier Luis Graner) große
Schönheiten, besonders in dem prächtig ausgeführten Baumschlag. Die von
dem Berliner Heinrich Kohnert besorgte Radirnng ist eine ausgezeichnete Leistung.

Um die Ausführung der drei andern Landschaftsblütter hat sich Krvstewitz
aus Berlin verdient gemacht. Dieser Künstler ist ein Schüler des Professors
kluger, des angezeichneten Wiener Rndirers, und seine Werke beweisen, daß
er bei diesem Meister zu großer Kunstfertigkeit gelangt ist, sie zeigen aber
anch außerdem, daß er seine Vorbilder geistig tief zu durchdringen versteht.
Einzelnes in den drei hier in Rede stehenden Stichen ist ganz wundervoll,
">it größter Sorgfalt und Feinheit ausgeführt, von zartestem Duft der leichten
Lnfttöne und auch in den tiefsten Schatten klar und transparent, wie es einem
vorzüglichen Stiche zukommt. Zwei dieser Blätter hat Krvstewitz noch in
Wien radirt, die "Waldeinsamkeit" nach Narcisse Diaz und "Vor dem
Sturm" nach Jules Dupru. Ein Bild von Diaz nachzubilden ist sür den
Stecher eine schwere und wenig dankbare Aufgabe. Gerade das, was ihn zu
einem großen Maler machte, nämlich die virtuose Behandlung der Farbe, geht
verloren; der Glanz des Sonnenlichtes, der sich auf seinen Bildern goldig über
die Landschaft ergießt, wird matt und erlischt wohl gar. Was der Stecher
festhalten kann, die Form, ist nicht die Stärke von Diaz Malerei gewesen.
So finde ich auch das vorliegende Blatt ein wenig nüchtern, wenn auch
immerhin die Nachbildung geistreich genug ausgeführt ist, um in ihrer Eigenart
für das Verlorne teilweise Ersatz zu leisten und dabei den licht- und farben¬
frohen Maler wenigstens ahnen zu lassen. Die Landschaft aber an sich finde
ich nicht besonders interessant, und ich halte das für einen kleinen Vorwurf,
der den Stecher trifft. Denn dieser müßte in solchen Fällen, wo, wie hier,
alles auf die Farbe ankommt, die doch für ihn rettungslos verloren geht,
darauf achten, daß der Gegenstand sonst noch zu fesseln imstande sei. Es ist
dasselbe Verhältnis wie mit einem mäßigen Operntexte, den die Kunst des
Komponisten erfreulich macht. Ich würde darauf verzichten, mir den Text der
"Eurycmthe" selbst von dem besten Deklamator vortragen zu lasse". Manches andre
Gemälde von Diaz -- ich erinnere nur an das berühmte Bild I^e ?",rv u,ux doenks
hätte sich entschieden besser für den Stich geeignet als das von Krvstewitz bearbeitete-
Ganz anders als mit Diaz steht es mit Dupr";. Hier haben wir die kräftigste,
charaktervollste Formengebung, ein Bild von wunderbarer Stärke des Eindrucks,
wie ihn der Begründer der modernen Landschaftsmalerei stets in so hohem
Maße hervorzurufen verstand. Ein einsamer Landweg, der eine schwache Boden-
welle übersteigt, vor der sich mehrere Personen abmühen, einen schwer beladene"


Neue Radinmgen

gehalten ist und Mangel an belebenden Gegensätzen von Licht und Schatten
zeigt, sowie daß der angebliche Manzanares sich in nicht glücklicher Auffassung
von der Mitte des Vordergrundes nach der des Hintergrundes schlängelt,
was einen etwas leblosen Eindruck macht. Abgesehen von diesen Dingen aber
enthält das Gemälde (es stammt von dem Spanier Luis Graner) große
Schönheiten, besonders in dem prächtig ausgeführten Baumschlag. Die von
dem Berliner Heinrich Kohnert besorgte Radirnng ist eine ausgezeichnete Leistung.

Um die Ausführung der drei andern Landschaftsblütter hat sich Krvstewitz
aus Berlin verdient gemacht. Dieser Künstler ist ein Schüler des Professors
kluger, des angezeichneten Wiener Rndirers, und seine Werke beweisen, daß
er bei diesem Meister zu großer Kunstfertigkeit gelangt ist, sie zeigen aber
anch außerdem, daß er seine Vorbilder geistig tief zu durchdringen versteht.
Einzelnes in den drei hier in Rede stehenden Stichen ist ganz wundervoll,
»>it größter Sorgfalt und Feinheit ausgeführt, von zartestem Duft der leichten
Lnfttöne und auch in den tiefsten Schatten klar und transparent, wie es einem
vorzüglichen Stiche zukommt. Zwei dieser Blätter hat Krvstewitz noch in
Wien radirt, die „Waldeinsamkeit" nach Narcisse Diaz und „Vor dem
Sturm" nach Jules Dupru. Ein Bild von Diaz nachzubilden ist sür den
Stecher eine schwere und wenig dankbare Aufgabe. Gerade das, was ihn zu
einem großen Maler machte, nämlich die virtuose Behandlung der Farbe, geht
verloren; der Glanz des Sonnenlichtes, der sich auf seinen Bildern goldig über
die Landschaft ergießt, wird matt und erlischt wohl gar. Was der Stecher
festhalten kann, die Form, ist nicht die Stärke von Diaz Malerei gewesen.
So finde ich auch das vorliegende Blatt ein wenig nüchtern, wenn auch
immerhin die Nachbildung geistreich genug ausgeführt ist, um in ihrer Eigenart
für das Verlorne teilweise Ersatz zu leisten und dabei den licht- und farben¬
frohen Maler wenigstens ahnen zu lassen. Die Landschaft aber an sich finde
ich nicht besonders interessant, und ich halte das für einen kleinen Vorwurf,
der den Stecher trifft. Denn dieser müßte in solchen Fällen, wo, wie hier,
alles auf die Farbe ankommt, die doch für ihn rettungslos verloren geht,
darauf achten, daß der Gegenstand sonst noch zu fesseln imstande sei. Es ist
dasselbe Verhältnis wie mit einem mäßigen Operntexte, den die Kunst des
Komponisten erfreulich macht. Ich würde darauf verzichten, mir den Text der
„Eurycmthe" selbst von dem besten Deklamator vortragen zu lasse». Manches andre
Gemälde von Diaz — ich erinnere nur an das berühmte Bild I^e ?«,rv u,ux doenks
hätte sich entschieden besser für den Stich geeignet als das von Krvstewitz bearbeitete-
Ganz anders als mit Diaz steht es mit Dupr«;. Hier haben wir die kräftigste,
charaktervollste Formengebung, ein Bild von wunderbarer Stärke des Eindrucks,
wie ihn der Begründer der modernen Landschaftsmalerei stets in so hohem
Maße hervorzurufen verstand. Ein einsamer Landweg, der eine schwache Boden-
welle übersteigt, vor der sich mehrere Personen abmühen, einen schwer beladene»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/90>, abgerufen am 01.07.2024.