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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Neue Radirungen

Zeit in Paris arbeitete und dort im vorigen Jahre gestorben ist. Der Stich
ist in Mezzotintomanier hergestellt von R. Smythe, einem noch sehr jungen,
aber wie seiue Arbeit zeigt, schon zur Meisterschaft gelangten Londoner .Künstler.
Die Darstellung zeigt eine junge Dame im Maskenanzüge, die ermattet in
einen Sessel gesunken ist und mit lächelnd-träumerischem Ausdrucke vor sich
hinblickt. Überaus reizvoll ist das pikante, etwas kleine Köpfchen mit dein
fein geschnittenen Munde und den dunkeln Haaren, bewunderuswert auch das
Spiel des Lichtes auf dein bunt gemusterten Gewände. Das Blatt zeichnet
sich aus durch eine Zartheit und Weichheit des Vortrages, wie sie in solcher
Vollendung nur der Schwarzkunsttechnik erreichbar ist. Jederlei Stichelarbeit
fehlt, und aller Eindrnck ist erreicht lediglich durch die meisterhafte Handhabung
der Roulette, des Schabeisens und des Pvlierstahls. Es ist hoch erfreulich, daß
diese zeitweise etwas in Verruf geratene Art des Kupferstichs wieder in alter
Schönheit aufzubinden beginnt.

Weniger bedeutend als dieses Blatt ist eine Nachbildung der bekannten
Hille Bobbe des Franz Hals, radirt von Sterry in Berlin, einem Schüler
des Professors Werner. An sich ist es mir zweifelhaft, ob es empfehlenswert
war, gerade dies groteske und keineswegs Scholle Bild nachzubilden, da doch
das Genie des Franz Hals in vielen andern Gemälden mindestens ebenso klar
lind dabei anmutiger zum Ausdruck kommt. Was die Radirnng als solche
betrifft, so gehört sie, wenn auch nicht in übertriebenen Maße, zu der oben
gekennzeichneten Gattung derer, die aus Erreichung des äußern Effektes
der Ölmalerei ausgehen. Sie ist dabei meist so dunkel gehalten, daß man
schon aus geringer Entfernung nur uoch mit Mühe die Einzelheiten zu unter¬
scheiden vermag.

Höchst beachtenswert und interessant, sowie als Originnlradirnng von
durchaus selbständiger Bedeutung ist ein Werk von William Strang, beuauiit
"Nach der Arbeit." Der Schöpfer des Bildes, ein Schotte, ist einer der
bedeutendsten naturalistischen Künstler Englands, wie einer der vorzüglichsten
lebenden Kupferstecher. Seine Werke finden die lebhafteste Anerkennung
wegen der Kühnheit, mit der sein malerisches Genie anch die widerstrebendsten
Gegenstände angreift und in großer Auffassung durchführt. Gerade diese
letztere macht ihn bedeutend, denn die Form läßt bei seinen Werken nicht selten
zu wünschen übrig. Doch läßt sich hoffen, daß der in verheißungsvoller
Entwicklung begriffne .Künstler dieses Mißverhältnis allmählich zu überwinden
wissen werde. Sollte dies einmal geschehen, so wird die Welt um einen
großen Meister reicher sein. Ehe jemand diese Worte als Übertreibung ansieht,
ersuche ich ihn, das hier besprochene Bild, welches die Keime zum Größten
enthält, genau zu betrachten. William Strang ist als Maler Schüler der
französischen Naturalisten, besonders Miller, Courbet und Legros; in der Behand¬
lung des Lichtes, wie in Bezug auf gewisse Stechereigentümlichkeiten schließt


Neue Radirungen

Zeit in Paris arbeitete und dort im vorigen Jahre gestorben ist. Der Stich
ist in Mezzotintomanier hergestellt von R. Smythe, einem noch sehr jungen,
aber wie seiue Arbeit zeigt, schon zur Meisterschaft gelangten Londoner .Künstler.
Die Darstellung zeigt eine junge Dame im Maskenanzüge, die ermattet in
einen Sessel gesunken ist und mit lächelnd-träumerischem Ausdrucke vor sich
hinblickt. Überaus reizvoll ist das pikante, etwas kleine Köpfchen mit dein
fein geschnittenen Munde und den dunkeln Haaren, bewunderuswert auch das
Spiel des Lichtes auf dein bunt gemusterten Gewände. Das Blatt zeichnet
sich aus durch eine Zartheit und Weichheit des Vortrages, wie sie in solcher
Vollendung nur der Schwarzkunsttechnik erreichbar ist. Jederlei Stichelarbeit
fehlt, und aller Eindrnck ist erreicht lediglich durch die meisterhafte Handhabung
der Roulette, des Schabeisens und des Pvlierstahls. Es ist hoch erfreulich, daß
diese zeitweise etwas in Verruf geratene Art des Kupferstichs wieder in alter
Schönheit aufzubinden beginnt.

Weniger bedeutend als dieses Blatt ist eine Nachbildung der bekannten
Hille Bobbe des Franz Hals, radirt von Sterry in Berlin, einem Schüler
des Professors Werner. An sich ist es mir zweifelhaft, ob es empfehlenswert
war, gerade dies groteske und keineswegs Scholle Bild nachzubilden, da doch
das Genie des Franz Hals in vielen andern Gemälden mindestens ebenso klar
lind dabei anmutiger zum Ausdruck kommt. Was die Radirnng als solche
betrifft, so gehört sie, wenn auch nicht in übertriebenen Maße, zu der oben
gekennzeichneten Gattung derer, die aus Erreichung des äußern Effektes
der Ölmalerei ausgehen. Sie ist dabei meist so dunkel gehalten, daß man
schon aus geringer Entfernung nur uoch mit Mühe die Einzelheiten zu unter¬
scheiden vermag.

Höchst beachtenswert und interessant, sowie als Originnlradirnng von
durchaus selbständiger Bedeutung ist ein Werk von William Strang, beuauiit
„Nach der Arbeit." Der Schöpfer des Bildes, ein Schotte, ist einer der
bedeutendsten naturalistischen Künstler Englands, wie einer der vorzüglichsten
lebenden Kupferstecher. Seine Werke finden die lebhafteste Anerkennung
wegen der Kühnheit, mit der sein malerisches Genie anch die widerstrebendsten
Gegenstände angreift und in großer Auffassung durchführt. Gerade diese
letztere macht ihn bedeutend, denn die Form läßt bei seinen Werken nicht selten
zu wünschen übrig. Doch läßt sich hoffen, daß der in verheißungsvoller
Entwicklung begriffne .Künstler dieses Mißverhältnis allmählich zu überwinden
wissen werde. Sollte dies einmal geschehen, so wird die Welt um einen
großen Meister reicher sein. Ehe jemand diese Worte als Übertreibung ansieht,
ersuche ich ihn, das hier besprochene Bild, welches die Keime zum Größten
enthält, genau zu betrachten. William Strang ist als Maler Schüler der
französischen Naturalisten, besonders Miller, Courbet und Legros; in der Behand¬
lung des Lichtes, wie in Bezug auf gewisse Stechereigentümlichkeiten schließt


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[0088] Neue Radirungen Zeit in Paris arbeitete und dort im vorigen Jahre gestorben ist. Der Stich ist in Mezzotintomanier hergestellt von R. Smythe, einem noch sehr jungen, aber wie seiue Arbeit zeigt, schon zur Meisterschaft gelangten Londoner .Künstler. Die Darstellung zeigt eine junge Dame im Maskenanzüge, die ermattet in einen Sessel gesunken ist und mit lächelnd-träumerischem Ausdrucke vor sich hinblickt. Überaus reizvoll ist das pikante, etwas kleine Köpfchen mit dein fein geschnittenen Munde und den dunkeln Haaren, bewunderuswert auch das Spiel des Lichtes auf dein bunt gemusterten Gewände. Das Blatt zeichnet sich aus durch eine Zartheit und Weichheit des Vortrages, wie sie in solcher Vollendung nur der Schwarzkunsttechnik erreichbar ist. Jederlei Stichelarbeit fehlt, und aller Eindrnck ist erreicht lediglich durch die meisterhafte Handhabung der Roulette, des Schabeisens und des Pvlierstahls. Es ist hoch erfreulich, daß diese zeitweise etwas in Verruf geratene Art des Kupferstichs wieder in alter Schönheit aufzubinden beginnt. Weniger bedeutend als dieses Blatt ist eine Nachbildung der bekannten Hille Bobbe des Franz Hals, radirt von Sterry in Berlin, einem Schüler des Professors Werner. An sich ist es mir zweifelhaft, ob es empfehlenswert war, gerade dies groteske und keineswegs Scholle Bild nachzubilden, da doch das Genie des Franz Hals in vielen andern Gemälden mindestens ebenso klar lind dabei anmutiger zum Ausdruck kommt. Was die Radirnng als solche betrifft, so gehört sie, wenn auch nicht in übertriebenen Maße, zu der oben gekennzeichneten Gattung derer, die aus Erreichung des äußern Effektes der Ölmalerei ausgehen. Sie ist dabei meist so dunkel gehalten, daß man schon aus geringer Entfernung nur uoch mit Mühe die Einzelheiten zu unter¬ scheiden vermag. Höchst beachtenswert und interessant, sowie als Originnlradirnng von durchaus selbständiger Bedeutung ist ein Werk von William Strang, beuauiit „Nach der Arbeit." Der Schöpfer des Bildes, ein Schotte, ist einer der bedeutendsten naturalistischen Künstler Englands, wie einer der vorzüglichsten lebenden Kupferstecher. Seine Werke finden die lebhafteste Anerkennung wegen der Kühnheit, mit der sein malerisches Genie anch die widerstrebendsten Gegenstände angreift und in großer Auffassung durchführt. Gerade diese letztere macht ihn bedeutend, denn die Form läßt bei seinen Werken nicht selten zu wünschen übrig. Doch läßt sich hoffen, daß der in verheißungsvoller Entwicklung begriffne .Künstler dieses Mißverhältnis allmählich zu überwinden wissen werde. Sollte dies einmal geschehen, so wird die Welt um einen großen Meister reicher sein. Ehe jemand diese Worte als Übertreibung ansieht, ersuche ich ihn, das hier besprochene Bild, welches die Keime zum Größten enthält, genau zu betrachten. William Strang ist als Maler Schüler der französischen Naturalisten, besonders Miller, Courbet und Legros; in der Behand¬ lung des Lichtes, wie in Bezug auf gewisse Stechereigentümlichkeiten schließt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/88>, abgerufen am 01.07.2024.