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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Neue Radirungen

nltgeineine Bewunderung den erhabenen Werken eines Schongauer, Dürer,
Rembrandt und zahlreicher anderer Meister der K lip ferste cherkun se wieder
zugewandt, der Blick sich wieder nu die Schönheit, der Sinn an die Tiefe
jener Kunstwerke einer großen Vergangenheit gewöhnt hat, ist der Wunsch
erwacht, auch dies fruchtbare, so lange brachliegende Feld von neuem anzubauen.
Man hat begriffe", daß gerade dieser Zweig der Kupferstichtechnik die Er¬
reichung malerisch-warmer Eindrucke ermöglicht, daß er die freie und leichte
Entfaltung der kiinstlerischen Fähigkeit gewährt und dabei wie ein edles Musii-
iustrumeut tiefe Kraft und zarteste" Schmelz in sich vereinigt. Das alles
bewirkt, daß die Radirmig neuerdings wieder im Bordergrunde des Interesses
steht und gegen sie die rein in Linienmanier ausgeführte Grabstichelarbeit
zurücktritt, die in ihrer stolzen Kälte bei weitem nicht so zur Darstellung des
vollen Lebens geeignet ist. Natürlich sind auch bei dieser Sache Fehlgriffe
nicht ausgeblieben. Gewisse Künstler haben sich der irrigen Meinung hin¬
gegeben, die Rndirnng sei zu. nichts gut, als zur möglichst sklavischen Wieder¬
gabe von Gemälden. Sie haben eine mehr überraschende, als erfreuliche
Geschicklich keit bei sich ausgebildet, im Kupferstiche genau die Pinselführung
des Malers, die Art seines Farbenaustrages nachzuahmen, durch eigentümliche
Kunstgriffe jede pastvse Stelle der Originalmalerei hervorzuheben, um nur ja
nicht dem. Gemälde, dessen Nachbildung sie unternehmen, im geringsten zu
nahe zu treten. Sie vergessen dabei, daß zur wirklich genauen Wiedergabe
einer Malerei die mechanisch arbeitende Photographie viel geeigneter ist. Der
Kupferstich aber muß ebenso sehr ein Werk der kunstfertigeil Hand wie des
Gefühls sein; er muß, auch wo er uur nachschafft, stets selbständig bleiben
und als gleichberechtigtes Kunstwerk "eben, nicht unter der Malerei im all¬
gemeinen und seinem etwaigen Vorbilde im besondern stehen. Diese Auffassung
ist durchaus die, welche die Meister der hervorragendsten Kunstepochen festgestellt
haben; und mit Genugthuung kaun man es begrüßen, daß sie sich von neuem
Bahn bricht und imstande ist, so vortreffliche Arbeiten gedeihen zu lassen, wie
^'e sind, die mich zu diesen Betrachtungen veranlassen. Die Radirungen,
"le ich meine, und ans die ich die Aufmerksamkeit des knnstverständigen Pu¬
blikums lenken möchte, sind ganz neuerdings als die Erstlinge eines jungen,
iwfstrebenden Verlages") erschienen und bilden gegenwärtig den Anziehungs¬
punkt der bedeutenderen Kunsthandlungen.

Drei von diesen Blättern geben figürliche, die vier andern landschaftliche
Darstellungen. Unter den erster" ist von hervorragender Schönheit ein Blatt,
sich "Vallerinnermigen" nennt. Das zu Grunde liegende Gemälde rührt
"her von I. Casado de Alisal, einem spanischen Maler, der ehemals in Rom
Direktor der Academia d'Espagua in Pietro S. Montorio war, dann lauge



Jm'int^ Casper, Berlin, VV. Vichn'ilsii'rhin 14.
Neue Radirungen

nltgeineine Bewunderung den erhabenen Werken eines Schongauer, Dürer,
Rembrandt und zahlreicher anderer Meister der K lip ferste cherkun se wieder
zugewandt, der Blick sich wieder nu die Schönheit, der Sinn an die Tiefe
jener Kunstwerke einer großen Vergangenheit gewöhnt hat, ist der Wunsch
erwacht, auch dies fruchtbare, so lange brachliegende Feld von neuem anzubauen.
Man hat begriffe«, daß gerade dieser Zweig der Kupferstichtechnik die Er¬
reichung malerisch-warmer Eindrucke ermöglicht, daß er die freie und leichte
Entfaltung der kiinstlerischen Fähigkeit gewährt und dabei wie ein edles Musii-
iustrumeut tiefe Kraft und zarteste» Schmelz in sich vereinigt. Das alles
bewirkt, daß die Radirmig neuerdings wieder im Bordergrunde des Interesses
steht und gegen sie die rein in Linienmanier ausgeführte Grabstichelarbeit
zurücktritt, die in ihrer stolzen Kälte bei weitem nicht so zur Darstellung des
vollen Lebens geeignet ist. Natürlich sind auch bei dieser Sache Fehlgriffe
nicht ausgeblieben. Gewisse Künstler haben sich der irrigen Meinung hin¬
gegeben, die Rndirnng sei zu. nichts gut, als zur möglichst sklavischen Wieder¬
gabe von Gemälden. Sie haben eine mehr überraschende, als erfreuliche
Geschicklich keit bei sich ausgebildet, im Kupferstiche genau die Pinselführung
des Malers, die Art seines Farbenaustrages nachzuahmen, durch eigentümliche
Kunstgriffe jede pastvse Stelle der Originalmalerei hervorzuheben, um nur ja
nicht dem. Gemälde, dessen Nachbildung sie unternehmen, im geringsten zu
nahe zu treten. Sie vergessen dabei, daß zur wirklich genauen Wiedergabe
einer Malerei die mechanisch arbeitende Photographie viel geeigneter ist. Der
Kupferstich aber muß ebenso sehr ein Werk der kunstfertigeil Hand wie des
Gefühls sein; er muß, auch wo er uur nachschafft, stets selbständig bleiben
und als gleichberechtigtes Kunstwerk »eben, nicht unter der Malerei im all¬
gemeinen und seinem etwaigen Vorbilde im besondern stehen. Diese Auffassung
ist durchaus die, welche die Meister der hervorragendsten Kunstepochen festgestellt
haben; und mit Genugthuung kaun man es begrüßen, daß sie sich von neuem
Bahn bricht und imstande ist, so vortreffliche Arbeiten gedeihen zu lassen, wie
^'e sind, die mich zu diesen Betrachtungen veranlassen. Die Radirungen,
"le ich meine, und ans die ich die Aufmerksamkeit des knnstverständigen Pu¬
blikums lenken möchte, sind ganz neuerdings als die Erstlinge eines jungen,
iwfstrebenden Verlages") erschienen und bilden gegenwärtig den Anziehungs¬
punkt der bedeutenderen Kunsthandlungen.

Drei von diesen Blättern geben figürliche, die vier andern landschaftliche
Darstellungen. Unter den erster» ist von hervorragender Schönheit ein Blatt,
sich „Vallerinnermigen" nennt. Das zu Grunde liegende Gemälde rührt
"her von I. Casado de Alisal, einem spanischen Maler, der ehemals in Rom
Direktor der Academia d'Espagua in Pietro S. Montorio war, dann lauge



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[0087] Neue Radirungen nltgeineine Bewunderung den erhabenen Werken eines Schongauer, Dürer, Rembrandt und zahlreicher anderer Meister der K lip ferste cherkun se wieder zugewandt, der Blick sich wieder nu die Schönheit, der Sinn an die Tiefe jener Kunstwerke einer großen Vergangenheit gewöhnt hat, ist der Wunsch erwacht, auch dies fruchtbare, so lange brachliegende Feld von neuem anzubauen. Man hat begriffe«, daß gerade dieser Zweig der Kupferstichtechnik die Er¬ reichung malerisch-warmer Eindrucke ermöglicht, daß er die freie und leichte Entfaltung der kiinstlerischen Fähigkeit gewährt und dabei wie ein edles Musii- iustrumeut tiefe Kraft und zarteste» Schmelz in sich vereinigt. Das alles bewirkt, daß die Radirmig neuerdings wieder im Bordergrunde des Interesses steht und gegen sie die rein in Linienmanier ausgeführte Grabstichelarbeit zurücktritt, die in ihrer stolzen Kälte bei weitem nicht so zur Darstellung des vollen Lebens geeignet ist. Natürlich sind auch bei dieser Sache Fehlgriffe nicht ausgeblieben. Gewisse Künstler haben sich der irrigen Meinung hin¬ gegeben, die Rndirnng sei zu. nichts gut, als zur möglichst sklavischen Wieder¬ gabe von Gemälden. Sie haben eine mehr überraschende, als erfreuliche Geschicklich keit bei sich ausgebildet, im Kupferstiche genau die Pinselführung des Malers, die Art seines Farbenaustrages nachzuahmen, durch eigentümliche Kunstgriffe jede pastvse Stelle der Originalmalerei hervorzuheben, um nur ja nicht dem. Gemälde, dessen Nachbildung sie unternehmen, im geringsten zu nahe zu treten. Sie vergessen dabei, daß zur wirklich genauen Wiedergabe einer Malerei die mechanisch arbeitende Photographie viel geeigneter ist. Der Kupferstich aber muß ebenso sehr ein Werk der kunstfertigeil Hand wie des Gefühls sein; er muß, auch wo er uur nachschafft, stets selbständig bleiben und als gleichberechtigtes Kunstwerk »eben, nicht unter der Malerei im all¬ gemeinen und seinem etwaigen Vorbilde im besondern stehen. Diese Auffassung ist durchaus die, welche die Meister der hervorragendsten Kunstepochen festgestellt haben; und mit Genugthuung kaun man es begrüßen, daß sie sich von neuem Bahn bricht und imstande ist, so vortreffliche Arbeiten gedeihen zu lassen, wie ^'e sind, die mich zu diesen Betrachtungen veranlassen. Die Radirungen, "le ich meine, und ans die ich die Aufmerksamkeit des knnstverständigen Pu¬ blikums lenken möchte, sind ganz neuerdings als die Erstlinge eines jungen, iwfstrebenden Verlages") erschienen und bilden gegenwärtig den Anziehungs¬ punkt der bedeutenderen Kunsthandlungen. Drei von diesen Blättern geben figürliche, die vier andern landschaftliche Darstellungen. Unter den erster» ist von hervorragender Schönheit ein Blatt, sich „Vallerinnermigen" nennt. Das zu Grunde liegende Gemälde rührt "her von I. Casado de Alisal, einem spanischen Maler, der ehemals in Rom Direktor der Academia d'Espagua in Pietro S. Montorio war, dann lauge Jm'int^ Casper, Berlin, VV. Vichn'ilsii'rhin 14.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/87>, abgerufen am 29.06.2024.