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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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und Thätigkeit. Gemeinsam aber sind die Speisesäle, Küchen n"d Wasch¬
anstalten, die Vorratskammern und die sehr eigentümlich ausgesonnenen Vor¬
kehrungen zur Erziehung der Kinder, desgleichen die Anlagen zu Spaziergängen
und Spielen. In der Mitte des Ganzen erhebt sich ein Turm, von dem die
Signale zum Beginn und Aufhören der Arbeit gegeben werden. Da es den
Mitgliedern der Phalanx, freigestellt ist, sich die Beschnftignng zu wählen, die
ihnen am meisten zusagt, so wird jedes Mitglied vermöge des dem Mensche"
eingebornen Veränderungstriebes sich in raschem Wechsel den verschiedensten
Arbeiten widmen und sich dadurch für jede derselben zu erfolgreichem Betriebe
erforderliche Frische erhalten, die jetzt in der Einförmigkeit der Beschäftigungen
verloren geht. Neben dem häufigen Wechsel der Beschäftigungen, von denen
leine über zwei Stunden nach einander datiern soll, und einer möglichst weit
durchgeführten Teilung ist es deren Betrieb mit freigewählten Genossen, der
die Arbeit zum Genusse machen und das Erzeugnis derselben bedeutend ver¬
mehren wird. Das letztere wird schließlich bei jedem einzelnen Gewerbszweige
derartig geteilt, daß vier Zwölftel zur Verzinsung des eingeschossenen Kapitals,
fünf Zwölftel als Lohn für die einfache Handarbeit und drei Zwölftel als Be¬
lohnung für das hilfreich gewesene Talent, d. h. für die Leitung, die höhere
Technik, die Fachkunde und die ungewöhnliche Geschicklichkeit verwendet werden.
Das ist das Phalanstvre, worin das Heil der Menschheit verwirklicht ist. In ihm
herrschen nie gestört Frieden und Glück; denn was kann der Mensch mehr begehren
als stete und volle Befriedigung aller seiner Neigungen und Wünsche, und hier findet
er sie ohne Nahrungssorge, ohne unwillkommene Arbeit, ohne Verdruß von seiner
Umgebung, weil er nur die sucht, zu der sein Trieb ihn führt. Die Phalanx
aber wird reich und immer reicher, die Nachbarn sehen ihr Gedeihen und
wünschen, anch so glücklich in der Harmonie zu werden. So bilden sich un"
Phalangen ringsum, nud endlich bedeckt sich die ganze Erde mit ihnen, und
die einzelnen treten wieder in Serien und Akkorde zusammen. Jeder steht
ein "Altares" vor, je 4, 12 und 4" verschmelzen sich zu Gebilden wie Staaten.
Alle beherrscht der "Omniarch," der seinen Sitz in Konstantinopel hat. Ist
diese allgemeine Organisation der Menschheit vor sich gegangen, so verwandelt
sich anch die Natur: am Nordpol erscheint ein warmer Lichtstrom, in Sibirien
schmelzen Schnee und Elo, an den Gestaden des Weißen Meeres wachsen
Orangen und andre Südfrüchte, und die ganze Erde geht in den Zustand der
wahren und vollen Harmonie ein.

Die Phalanx ist eine Welt für sich und doch wieder, wenn das System z"
jener Vollendung gediehen ist, nur ein Glied deS großen Organismus der'
übrigen gesellschaftlichen Gemeinden, mit denen sie durch Austausch ihrer Er¬
zeugnisse, dnrch Wetteifer, gemeinsame Unternehmungen "ut Feste in Verbindung
gebracht wird. Produktive Arbeit, Gütererzeugung ist freilich in der Welt
Fouriers die Hauptsache, indes finden in ihr anch Wissenschaften und Künste


und Thätigkeit. Gemeinsam aber sind die Speisesäle, Küchen n»d Wasch¬
anstalten, die Vorratskammern und die sehr eigentümlich ausgesonnenen Vor¬
kehrungen zur Erziehung der Kinder, desgleichen die Anlagen zu Spaziergängen
und Spielen. In der Mitte des Ganzen erhebt sich ein Turm, von dem die
Signale zum Beginn und Aufhören der Arbeit gegeben werden. Da es den
Mitgliedern der Phalanx, freigestellt ist, sich die Beschnftignng zu wählen, die
ihnen am meisten zusagt, so wird jedes Mitglied vermöge des dem Mensche»
eingebornen Veränderungstriebes sich in raschem Wechsel den verschiedensten
Arbeiten widmen und sich dadurch für jede derselben zu erfolgreichem Betriebe
erforderliche Frische erhalten, die jetzt in der Einförmigkeit der Beschäftigungen
verloren geht. Neben dem häufigen Wechsel der Beschäftigungen, von denen
leine über zwei Stunden nach einander datiern soll, und einer möglichst weit
durchgeführten Teilung ist es deren Betrieb mit freigewählten Genossen, der
die Arbeit zum Genusse machen und das Erzeugnis derselben bedeutend ver¬
mehren wird. Das letztere wird schließlich bei jedem einzelnen Gewerbszweige
derartig geteilt, daß vier Zwölftel zur Verzinsung des eingeschossenen Kapitals,
fünf Zwölftel als Lohn für die einfache Handarbeit und drei Zwölftel als Be¬
lohnung für das hilfreich gewesene Talent, d. h. für die Leitung, die höhere
Technik, die Fachkunde und die ungewöhnliche Geschicklichkeit verwendet werden.
Das ist das Phalanstvre, worin das Heil der Menschheit verwirklicht ist. In ihm
herrschen nie gestört Frieden und Glück; denn was kann der Mensch mehr begehren
als stete und volle Befriedigung aller seiner Neigungen und Wünsche, und hier findet
er sie ohne Nahrungssorge, ohne unwillkommene Arbeit, ohne Verdruß von seiner
Umgebung, weil er nur die sucht, zu der sein Trieb ihn führt. Die Phalanx
aber wird reich und immer reicher, die Nachbarn sehen ihr Gedeihen und
wünschen, anch so glücklich in der Harmonie zu werden. So bilden sich un»
Phalangen ringsum, nud endlich bedeckt sich die ganze Erde mit ihnen, und
die einzelnen treten wieder in Serien und Akkorde zusammen. Jeder steht
ein „Altares" vor, je 4, 12 und 4» verschmelzen sich zu Gebilden wie Staaten.
Alle beherrscht der „Omniarch," der seinen Sitz in Konstantinopel hat. Ist
diese allgemeine Organisation der Menschheit vor sich gegangen, so verwandelt
sich anch die Natur: am Nordpol erscheint ein warmer Lichtstrom, in Sibirien
schmelzen Schnee und Elo, an den Gestaden des Weißen Meeres wachsen
Orangen und andre Südfrüchte, und die ganze Erde geht in den Zustand der
wahren und vollen Harmonie ein.

Die Phalanx ist eine Welt für sich und doch wieder, wenn das System z»
jener Vollendung gediehen ist, nur ein Glied deS großen Organismus der'
übrigen gesellschaftlichen Gemeinden, mit denen sie durch Austausch ihrer Er¬
zeugnisse, dnrch Wetteifer, gemeinsame Unternehmungen »ut Feste in Verbindung
gebracht wird. Produktive Arbeit, Gütererzeugung ist freilich in der Welt
Fouriers die Hauptsache, indes finden in ihr anch Wissenschaften und Künste


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[0076] und Thätigkeit. Gemeinsam aber sind die Speisesäle, Küchen n»d Wasch¬ anstalten, die Vorratskammern und die sehr eigentümlich ausgesonnenen Vor¬ kehrungen zur Erziehung der Kinder, desgleichen die Anlagen zu Spaziergängen und Spielen. In der Mitte des Ganzen erhebt sich ein Turm, von dem die Signale zum Beginn und Aufhören der Arbeit gegeben werden. Da es den Mitgliedern der Phalanx, freigestellt ist, sich die Beschnftignng zu wählen, die ihnen am meisten zusagt, so wird jedes Mitglied vermöge des dem Mensche» eingebornen Veränderungstriebes sich in raschem Wechsel den verschiedensten Arbeiten widmen und sich dadurch für jede derselben zu erfolgreichem Betriebe erforderliche Frische erhalten, die jetzt in der Einförmigkeit der Beschäftigungen verloren geht. Neben dem häufigen Wechsel der Beschäftigungen, von denen leine über zwei Stunden nach einander datiern soll, und einer möglichst weit durchgeführten Teilung ist es deren Betrieb mit freigewählten Genossen, der die Arbeit zum Genusse machen und das Erzeugnis derselben bedeutend ver¬ mehren wird. Das letztere wird schließlich bei jedem einzelnen Gewerbszweige derartig geteilt, daß vier Zwölftel zur Verzinsung des eingeschossenen Kapitals, fünf Zwölftel als Lohn für die einfache Handarbeit und drei Zwölftel als Be¬ lohnung für das hilfreich gewesene Talent, d. h. für die Leitung, die höhere Technik, die Fachkunde und die ungewöhnliche Geschicklichkeit verwendet werden. Das ist das Phalanstvre, worin das Heil der Menschheit verwirklicht ist. In ihm herrschen nie gestört Frieden und Glück; denn was kann der Mensch mehr begehren als stete und volle Befriedigung aller seiner Neigungen und Wünsche, und hier findet er sie ohne Nahrungssorge, ohne unwillkommene Arbeit, ohne Verdruß von seiner Umgebung, weil er nur die sucht, zu der sein Trieb ihn führt. Die Phalanx aber wird reich und immer reicher, die Nachbarn sehen ihr Gedeihen und wünschen, anch so glücklich in der Harmonie zu werden. So bilden sich un» Phalangen ringsum, nud endlich bedeckt sich die ganze Erde mit ihnen, und die einzelnen treten wieder in Serien und Akkorde zusammen. Jeder steht ein „Altares" vor, je 4, 12 und 4» verschmelzen sich zu Gebilden wie Staaten. Alle beherrscht der „Omniarch," der seinen Sitz in Konstantinopel hat. Ist diese allgemeine Organisation der Menschheit vor sich gegangen, so verwandelt sich anch die Natur: am Nordpol erscheint ein warmer Lichtstrom, in Sibirien schmelzen Schnee und Elo, an den Gestaden des Weißen Meeres wachsen Orangen und andre Südfrüchte, und die ganze Erde geht in den Zustand der wahren und vollen Harmonie ein. Die Phalanx ist eine Welt für sich und doch wieder, wenn das System z» jener Vollendung gediehen ist, nur ein Glied deS großen Organismus der' übrigen gesellschaftlichen Gemeinden, mit denen sie durch Austausch ihrer Er¬ zeugnisse, dnrch Wetteifer, gemeinsame Unternehmungen »ut Feste in Verbindung gebracht wird. Produktive Arbeit, Gütererzeugung ist freilich in der Welt Fouriers die Hauptsache, indes finden in ihr anch Wissenschaften und Künste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/76>, abgerufen am 28.12.2024.